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Streit um Meinungsfreiheit in ÖsterreichAuch Schlepper dürfen gelobt werden

Ein Asylrechtsaktivist sollte verklagt werden, weil er Schlepper „sozial nützliche Dienstleister“ nannte. Der Prozess wurde in letzter Minute abgesagt.

Aktivist Michael Genner findet, Schlepper verdienen ein „angemessenes Honorar“ Bild: Haeferl/Wikimedia/CC-BY-SA

WIEN taz | Schlepper oder Schleuser, die Verfolgte ins Land bringen, haben Anspruch auf ihr Geld. Das kann man in Österreich ungestraft behaupten. So ist die Entscheidung der Oberstaatsanwaltschaft Wien zu interpretieren, einen Prozess gegen Michael Genner in letzter Minute abzublasen. Am Donnerstag hätte sich der Vorsitzende der Asylrechtsorganisation Asyl in Not in Wien wegen „Gutheißens einer mit Strafe bedrohten Handlung“ vor Gericht verantworten müssen.

Anlass für die Klage war ein Kommentar Genners auf der Homepage seiner Organisation vom letzten Jahr: „Vor jedem ehrlichen Schlepper, der saubere Arbeit macht, der seine Kunden sicher aus dem Land des Elends und Hungers, des Terrors und der Verfolgung herausführt, der sie sicher hereinbringt, den Grenzkontrollen zum Trotz, in unser ’freies‘ Europa, habe ich Achtung. Er ist ein Dienstleister, der eine sozial nützliche Tätigkeit verrichtet und dafür auch Anspruch hat auf ein angemessenes Honorar.“

Zu diesem Kommentar hatte ihn die Verhaftung pakistanischer Asylbewerber provoziert. Denen hatte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) vorgeworfen, einem gefährlichen Schlepperring anzugehören: Bald musste sie dies zurücknehmen, denn mehr als Beihilfe zum Grenzübertritt von Deutschland nach Österreich konnte man ihnen nicht nachweisen.

Genner ist überzeugt, dass die Kehrtwende der Staatsanwaltschaft nur öffentlichem Druck zu verdanken sei: „Ich habe fortwährend E-Mails von Unterstützern bekommen.“ Darunter prominente Politiker, Journalisten und sogar ein pensionierter Ministerialbeamter. Allein auf Facebook hatten sich 150 solidarische Prozessbeobachter gemeldet.

Zuletzt erklärte Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, er werde im Falle von Genners Verurteilung, „nicht zögern, ihn als Gewissensgefangenen zu führen und unser internationales Netzwerk in Bewegung zu setzen“.

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8 Kommentare

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  • SS
    @ so gen. Cosmopol

    Gewiss, ohne die EU wäre die Welt ein Hort von Reichtum, Frieden und Gerechtigkeit. Gäääääääääähn.

  • C
    cosmopol

    Solange die EU-Politik auf militarisierte Außengrenzen, Krieg und neokoloniale Ausbeutung der Herkunftsländer setzt, sind "Schlepper*innen" für viele Geflüchtete halt ein notwendiges Übel.

     

    Das unter dem Begriff ein sehr weites Feld verstanden wird, das von Menschenhandel zu Hilfe unter Freunden reicht ist klar. Genners hat seine Aussage ja entsprechend eingegrenzt.

  • J
    Jou!

    Sozial nützliche Dienstleister? Er hat noch Zuhälter von Zwangsprostituierten und edle Heroinimprorteure vergessen welche dringend benötigte Diensleistungen erbringen. Im Namen des Guten und der Gerechtigkeit. 150 Unterstützer bei Facebook ist Waaahnsin und untermauert die faschistoid unterdrückte Mehrheitsmasse der dringend nach diesen Dienstleistungen lechzenden Massen welche bestimmt schon demnächst bei der Europawahl ihren Willen bekunden.

    • @Jou!:

      Ich bin weit davon weg, die Schlepper zu verherrlichen. Aber eines sind sie in der Tat: nützlich!Und zwar für verantwortlichen Politiker in Deutschland und Europa, mit den Schleppern einen geeigneten Schwarzen Peter gefunden haben.

       

      Abgesehen von den korrupten Eliten in den Herkunftsländern der Flüchtlinge sind es Wirtschaft und Politik der reichen Länder, die mit zu den erbärmlichen Verhältnissen in den Herkunftsländern beitragen und damit die Flüchtlingsflut auslösen.

       

      Wer sich nun hier oder in Österreich die Hände rein waschen will und mit den Fingern auf die Schlepper zeigt, ist ein Heuchler. Die Schlepper sind das Resultat unserer Politik.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Man sollte sich mehr um die Schlepper kümmern, die Flüchtlinge einfach in der Wüste sitzen und verdursten lassen. Oder die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen, die für Situationen sorgen, daß Flüchtlingsbewegungen erst entstehen.

  • M
    Marsette

    Um es klarzustellen - Europa braucht eine andere, freie offene Zuwanderungs- und Asylpolitik. Ein mediales Aufhübschen von Schlepperei und Menschenhandel braucht niemand. Egal, wie profitabel Schlepperei und Menschenhandel sind.

  • M
    Marsette

    Mag sein, dass es hier um Menschen ging, die wirklich nur anderen geholfen haben, über eine Grenze zu kommen. Und ja - diese "Festung Europa" muss ihre Zuwanderungs- und Asylpolitik dringend ändern. Das wäre die effizienteste Maßnahme gegen Schlepper. Und wird von denen wohl kaum gewünscht. Denn dann entfällt die Möglichkeit ohne Gegenbewegung die Verzweiflung anderer auszunützen. Oder sie wird zumindest eingeschränkt, sobald die potentiellen Opfer über Rechte aufgeklärt werden. Trotzdem - all diejenigen, die die Menschenhandels und Prostitutionsdebatte in Deutschland mitverfolgen, haben es schon erklärt bekommen: Schlepper sind "Reisevermittler undokumentiert Reisender." Und Menschenhändler sind Leute, die anderen helfen ihre evtl. "limited agency" voll auszuschöpfen. Und dass sie dafür sehr viel Geld nehmen oder die Leute, die sie über die Grenze gebracht haben, lange für sich arbeiten lassen, ist ... irgendwie nicht das Thema oder nur den Umständen geschuldet oder ... jedenfalls voll zu akzeptieren. Das ist in Deutschland nachzulesen unter Schleusernet und vergleichbaren, wenn auch akademisch sehr aufgehübschten Seiten. Falls Menschenhandel in Deutschland überhaupt existiert, natürlich.

    Und Monsanto ernährt den Planeten. Schöne neue neoliberale Welt, deren Lösungsversuche immer auf der Ebene indivdualisierter Ausbeutungen gedacht werden, untermalt mit dem Vokabular eines linken Aktivismus. So dass es einer politischen Linken nicht mehr gelinkt, das zu unterbinden.

  • K
    karund

    Verbrecher sind also "Sozial nützliche Dienstleister".

    Leider können sich zum Beispiel die 58 Chinesen, die vor Jahren bei der von Schleppern organisierten Überfahrt nach Großbritannien qualvoll im Container erstickt sind, nicht mehr zu Herrn Genners entspannter Sichtweise beim Thema Schleuserkriminalität äußern.

    Wenn es noch eines Beweises für die völlige moralische Verlotterung solcher "Asylrechtsaktivisten" und Funktionäre von amnesty international bedurft hat, ist er nun erbracht.

    Und noch mal zur Erinnerung, wie dieser Herr Genner 2007 den plötzlichen Tod der damaligen österreichischen Innenministerin kommentierte:

     

    "Innenministerin Liese Prokop ist tot - Kein Grund zum Weinen!

    Die gute Meldung zum Jahresbeginn: Liese Prokop, Bundesministerin für Folter und Deportation, ist tot.

    Frau Prokop war eine Schreibtischtäterin, wie es viele gab in der grausamen Geschichte dieses Landes: völlig abgestumpft, gleichgültig gegen die Folgen ihrer Gesetze und Erlässe, ein willfähriges Werkzeug einer rassistisch verseuchten Beamtenschaft. Kein anständiger Mensch weint ihr eine Träne nach."

     

    Für solche zynischen selbsternannten Weltenretter, die am liebsten alle Armen dieser Erde nach Europa holen würden und sich keinen Deut darum scheren, wer das bezahlen soll und welche Folgen das hat, habe ich nur Verachtung übrig.