Streit um Legislatur-Dauer: Volksentscheid völlig vergessen

Keine Partei außer der Linken behandelte im Wahlkampf die Abstimmung zur Verlängerung der Legislaturperiode der Bürgerschaft.

Vier oder fünf Jahre für ein Parlament, das Thema hat Bremen verschlafen Foto: dpa

Überraschung! Am Sonntag ist Volksentscheid. Nur zur Erinnerung: Neben der omnipräsenten Bundestagswahl dürfen die BremerInnen am Sonntag darüber abstimmen, ob die Legislaturperiode der Bürgerschaft von vier auf fünf Jahre verlängert wird. Bremen ist das letzte Bundesland mit einer vierjährigen Regierungszeit, deswegen hat die Bürgerschaft im Mai einen fraktionsübergreifenden Antrag zum Volksentscheid gestellt und einstimmig angenommen.

Volksentscheid heißt normalerweise: Nach einer Debatte um Mehrheiten in einem relevanten und wichtigen Thema entscheiden die WählerInnen. In diesem Fall dürfen BremerInnen direktdemokratisch entscheiden, für wie lange ihr Regionalparlament konstituiert wird. Eine Entscheidung zwischen mehr Handlungsfreiheit für Senat und Parlament auf der einen Seite und mehr demokratischer Kontrolle bei häufigeren politischen Auseinandersetzungen auf der anderen Seite.

Eine Debatte darüber hat allerdings im Vorfeld der Wahlen gar nicht bis kaum stattgefunden, öffentliche Veranstaltungen dazu suchte man vergeblich. Ein Wahlkampfthema war der Volksentscheid in Bremen schon gar nicht. Die taz.bremen hat ein Pro & Contra gemacht, Butenunbinnen auch. Interessieren tut’s trotzdem niemanden: Eine Umfrage auf der Website des Weser Kuriers (WK) ergab, dass knapp über die Hälfte der WK-Leser überhaupt nicht wussten, dass es am Sonntag einen Volksentscheid gibt.

Auf der Schlussgeraden meckerte Matthias Güldner (Grüne) dann noch über den „Volksentscheid ohne Orientierung“. Die politische Klasse Bremens verpasse eine Chance, eine Position zu entwickeln, sie glaubwürdig zu präsentieren und die Bevölkerung damit zu überzeugen. Kurz: Das Thema gehöre in den Wahlkampf!

Seine Partei hat dafür allerdings nichts getan: Lediglich die Linken haben Plakate zum Thema in der Stadt verteilt. Abgesehen davon haben sämtliche Parteien das Thema ausgeblendet: Roland Pahl (SPD), der für den Landesverband der Sozialdemokraten den Wahlkampf organisiert hat, erklärt die Absenz des Themas mit wichtigeren Dingen. Er sagt: „Bei der Bundestagswahl haben wir uns mit der Zukunft Deutschlands beschäftigt.“ Immerhin habe man an den Wahlkampfständen Info-Material zum Volksentscheid gehabt. Was denn nun die Position der SPD dazu sei? Pahl sagt: „Wir setzen uns klar für die Verlängerung auf fünf Jahre ein. Wenn man Bürgerschaftswahl mit der Europawahl zusammenlegt, kommt es hoffentlich zu einer höheren Wahlbeteiligung.“ Und außerdem spare man ja Kosten, wenn man seltener wähle.

Laut Tim Ruland, Sprecher der Linken, ist Geld kein demokratisches Argument. Die Linke lehnt eine Verlängerung ab: „Es ist eine Einschränkung der Wahlmöglichkeiten und der Demokratie, seltener zu wählen“, sagt Ruland. Zudem sei es problematisch, wenn andere Parteien das Thema nicht adressierten: „Die Parteien müssen bei der Meinungsbildung einen Beitrag leisten, deswegen haben wir es zum Thema gemacht.“

Bei den Grünen sieht man das, abgesehen von Güldner, anders: Dort hat man sich per Entscheid bei der Landesmitgliederversammlung gegen die Thematisierung im Wahlkampf entschieden: „Wir wollen die Frage dem Volk vorlegen. Das ist Sache des Souveräns“, sagt Ralph Saxe. Zudem gebe es bei den Grünen unterschiedliche Positionen zu dem Thema.

Die CDU hat in dem Punkt eine ähnliche Haltung: „Diese Frage sollte nur vom Bürger direkt entschieden werden“, sagt Sprecherin Rebeka Grupe.

Die FDP befürwortet eine Verlängerung. Vorsitzender Hauke Hilz sagt: Neue „Beteiligungsmöglichkeiten zwischen den Wahlen wiegen Einschränkungen der demokratischen Teilnahme auf“.

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