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Streit um KirchenasylBerlin keilt zurück

Hamburg wirft der Hauptstadt vor, die Abschiebung mehrerer Afghanen vereitelt zu haben. Berlins Regierender Kai Wegner (CDU) verbittet sich den Tonfall.

Berlins Regierungschef Kai Wegner (CDU), Innensenatorin Iris Spranger und Einwanderungsamts-Direktor Engelhard Mazanke (v.r.n.l.) Foto: Katharina Kausche/dpa

Berlin taz | Zwischen den Stadtstaaten Berlin und Hamburg ist ein heftiger Streit um das Thema Kirchenasyl entbrannt. Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte den Berliner Behörden in einem ungewöhnlich drastisch formulierten Schreiben an seinen Amtskollegen Kai Wegner (CDU) vorgeworfen, die Abschiebung mehrerer Afghanen zu sabotieren.

Wegner und Innensenatorin Iris Spranger (SPD) keilten jetzt in einem gemeinsamen Statement zurück: „Über die Wortwahl eines Schreibens entscheidet jeder selbst, unsere Tonlage ist dies nicht.“

Konkret geht es um vier afghanische Flüchtlinge aus Hamburg, die die Behörden der Hansestadt nach Schweden abschieben wollten. Die vom Islam zum Christentum konvertierten Männer flüchteten sich daraufhin in eine Steglitzer Freikirche und erhielten dort Kirchenasyl. In Schweden, so die Befürchtung, drohe ihnen die Abschiebung nach Afghanistan – mit unabsehbaren Folgen.

Die Hamburger Behörden interessierte das wenig. Sie forderten von Berlin die Überstellung der Männer, auch mit Polizeikräften. Allein, Berlin weigerte sich. Denn Kirchenasyl wird in der Hauptstadt nicht gebrochen, die Polizei dringt aufgrund der in Berlin geltenden Weisungslage aus Respekt vor der Institution Kirche nicht in sakrale Räume ein. Anderswo ist das inzwischen anders, auch in Hamburg.

Rauer Ton zwischen Amtskollegen

Hamburgs Regierungschef Tschentscher wollte dann auch nicht einsehen, warum Berlin keine Polizisten in Kirchengemeinden schickt. Was folgte, war sein geharnischter Brief an Berlins Regierenden Wegner.

Die Berliner Zeitung, der der Brief vorliegt, zitiert Tschentscher unter anderem mit dem Vorwurf des „systematischen Missbrauchs des Kirchenasyls, indem Flüchtlinge in Kirchenräume aufgenommen werden, (…) deren Rückkehrpflicht in einen anderen EU-Mitgliedstaat rechtskräftig festgestellt wurde“. Weiter heißt es, es sei nicht hinnehmbar, dass „die Überstellung nach der Dublin-III-Verordnung von einer Berliner Kirchengemeinde vereitelt“ werde.

Wegner und Innensenatorin Spranger widersprachen ungewöhnlich scharf. Die Verantwortung für die Nichtüberstellung der Männer nach Schweden liege bei Hamburg, nicht bei Berlin, schreiben sie in der gemeinsamen Stellungnahme.

„Das Hamburger Amt für Migration hatte Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten“ für die Kirchengemeinde erwirkt, bestätigen Wegner und Spranger. Damit wäre die Hansestadt in der Lage gewesen, mit eigenen Polizeikräften in die Berliner Kirchengemeinde einzudringen, was die Hamburger Polizei demnach auch genauso durchziehen wollte.

„Alleinige Entscheidung von Hamburg“

Letztlich habe man „dann jedoch kurz vor Ablauf der Frist auf Intervention des Hamburger Innenressorts auf einen Einsatz in Berlin verzichtet“, so Wegner und Spranger. Und weiter: „Dies ist alleinige Entscheidung von Hamburg.“

Hamburg ersuchte daraufhin um Amtshilfe, um die Männer durch Berliner Polizisten aus dem Kirchenasyl zu holen und nach Rostock zur Fähre nach Schweden zu bringen. Diese habe man „jedoch nicht erhalten“, beklagte sich nun Hamburgs Senatssprecher Christopher Harms. Nur deshalb habe der Erste Bürgermeister den Regierenden Bürgermeister um Unterstützung gebeten, „in diesem Sinne tätig zu werden“.

Pastor Gottfried Martens von der Evangelisch-Lutherischen Dreieinigkeitsgemeinde, die die vier Männer aufgenommen hat, verweist gegenüber der taz unterdessen darauf, dass Schweden mitnichten ein sicheres Aufenthaltsland für die vier Afghanen wäre.

Alle vier Männer hätten bereits mehrere Jahre in Schweden gelebt. Doch die dortige Minderheitsregierung, die von den rechten Schwedendemokraten toleriert wird, hätte ihnen wie zahlreichen anderen Afghanen auch die Aufenthaltserlaubnis entzogen und die Abschiebung nach Afghanistan angedroht.

In einem Asylverfahren in Deutschland sähen sie eine Chance, der Abschiebung in den Taliban-Staat zu entkommen. Martens sagt: „Die Afghanen sind konvertierte Christen, unter den Taliban sind sie wegen ihres Glaubens an Leib und Leben bedroht.“

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