Streit um Kieztreff am Leopoldplatz: Leopoldplatz wird öko
Auf dem Leopoldplatz soll das beliebte Café Leo einem Sozialprojekt weichen. Die Wendepunkt gGmbH preist ihr Konzept als ausgewogen.
Die Entscheidung über die Nutzung des Leopoldplatzes wurde durch ein Interessenbekundungsverfahren (Ibv) getroffen, dabei konnten sich unterschiedliche Gewerbetreibende und Organisationen mit einem Konzept für die Gestaltung der Fläche bewerben. Miete und Pacht muss nicht gezahlt werden, weil der Gedanke von sozialer Stadtteilarbeit im Vordergrund stehen soll.
Ziel seien eine kulturelle Belebung, bauliche Veränderungen, die Schaffung von sozialen Angeboten und die Verbesserung der Sicherheit, heißt es in dem Bezirk ausgeschriebenen Anforderungsprofil. Zudem spielt die sogenannte Präventionskoordination eine Rolle, sprich: der Bezirk möchte Straftaten in der Gegend im Vorfeld unterbinden.
Das rührt von dem schlechten Image des Leopoldplatzes her: Er gilt als Anlaufstelle für Drogenabhängige und Obdachlose. Die „problematischen NutzerInnengruppen“, sollten aber nicht verdrängt werden, heißt es im Anforderungsprofil. Durch „Mediation und Konfliktmoderation mit Betroffenen“ solle vielmehr „ein friedliches Miteinander gefördert“ werden.
Computer-Arbeitsplätze geplant
Die Wendepunkt gGmbH scheint diese Bedingungen mit dem geplanten Projekt auf dem Platz genau zu erfüllen: Geplant sei ein Angebot von günstigen Speisen und Getränke, gekoppelt mit sozialer Arbeit, heißt es. Beispielsweise solle Hilfe bei der Antragsstellung bei Behörden geleistet werden – vor allem mehrsprachige MitarbeiterInnen seien eingeplant. Auch frei zugängliche Computer-Arbeitsplätze sollten eingerichtet und Workshops angeboten werden.
Laut Joachim Hampel, Co-Geschäftsführer der Wendepunkt gGmbH, soll das schon seit 2011 auf dem Platz existierende Café Leo nicht vertrieben werden, sondern lediglich sein Angebot in der vom Bezirk gewünschten Funktion erweitern.
Hüseyin Ünlü und sein Café Leo
Fakt ist: Der aktuelle Betreiber des Kiosks Café Leo, Hüseyin Ünlü, muss sein Geschäft aufgeben. Teile der Anwohnerschaft haben sich deshalb mit Ünlü solidarisiert. Das durchgeführte Interessenbekundungsverfahren sei unfair gewesen, sagen sie. Der Bezirk habe Ünlü keine Chance gegeben, weil das Anforderungsprofil von vornherein auf professionelle Sozialarbeits-Organisationen zugeschnitten worden sei.
Dazu kommt: Die Kommunikation zwischen Bezirk und Ünlü ist mehr als unglücklich verlaufen. Noch 2017 wurde ihm vom Bezirksamt eine Baugenehmigung für eine feste Ladenfläche (zuvor war es ein Wagen) und eine Verlängerung der Sondernutzungsgenehmigung für vier Jahre erteilt.
Für Ünlü war dies ein klares Signal, dass er langfristig planen könne. Er investierte daraufhin 69.000 Euro für Umbaumaßnahmen. Das Ganze für ein Geschäft, das er, nach eigener Aussage, nicht um des finanziellen Profits willen betreibt, sondern um den Zusammenhalt im Kiez zu stärken.
Für Ünlüs UnterstützerInnen ist der Imbiss, wo der Kaffee 1,20 und die Bratwurst 1,50 Euro kostet, ein wichtiger Kieztreff. Auf eigene Weise leiste das Café Leo soziale Arbeit, sind sie überzeugt. Es sei ein Ort, an dem sich viele Menschen wohlfühlten, vor allem auch die, die wenig Geld hätten. Man könne sich dort aufhalten, austauschen und gegenseitig helfen.
Auch Hüseyin Ünlü selbst, der laut eigener Angabe fünf Sprachen spricht, soll seinen KundInnen bei alltäglichen Problemen wie bürokratischen Angelegenheiten immer wieder geholfen haben. Dass das Café Leo eine große Unterstützung erfährt, ist auch daran zu sehen, dass in kurzer Zeit über 5.000 Menschen die von Anwohner Simon Gückel ins Leben gerufene Petition auf change.org unterschrieben haben.
Am 28. Februar droht Räumung
Wie dem auch sei – die Entscheidung ist gefallen: Am 28. Februar soll das Café geräumt werden, wenn Hüseyin Ünlü nicht vorher von allein geht. Die Hoffnung, dass der Fall am Donnerstagabend noch einmal in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte zur Sprache kommt, hat sich zerschlagen. Für die Behandlung des Themas war am Ende keine Zeit mehr.
Auf die Frage, ob er glaube, dass die Wendepunkt gGmbH auf dem Leopoldplatz von den Menschen angenommen werde, sagt Geschäftsführer Joachim Hampel zur taz: „Es wird bestimmt zu Beginn eine gewisse Skepsis geben. Aber wir werden uns bemühen und freuen uns über jeden, der uns eine Chance gibt.“
Die Wendepunkt gGmbH möchte die Anforderungen des Bezirks genau erfüllen. Es soll auch vegetarische und vegane Gerichte geben, auf Öko-Zertifikate und Nachhaltigkeit soll geachtet werden. So nachvollziehbar und löblich diese Vorhaben sein mögen, sie sind genau das, was die KritikerInnen misstrauisch macht. Befürchtet wird eine schleichende Gentrifizierung: Niedrige Preise wie im Café Leo seien bei Bio und Fairtrade kaum zu halten, heißt es.
Man habe dem Bezirk zugesichert, dass es in jedem Fall „ein sehr preiswertes und niedrigschwelliges Getränke- und Imbissangebot“ geben werde, sagt Hampel dazu. Keine leichte Aufgabe, die sich die Wendepunkt gGmbH da vorgenommen hat. Es wird mit Sicherheit Leute geben, die den Charme des Café Leo vermissen werden.
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