Streit um Jugendschutz: Kein Alk für Kinder
Gaststätten und Geschäfte sollen sich nach Vorstellung des Senats selbst verpflichten, ihre Mitarbeiter über Jugendschutzbestimmungen aufzuklären.
Im Land Bremen soll der Alkoholverkauf an Jugendliche stärker geahndet werden – das verlangte die Bremische Bürgerschaft vor einem halben Jahr. Die gesetzliche Ausgestaltung dieses Anliegens ist aber weiterhin unklar. Unter anderem ist umstritten, ob auffälligen Gastwirten mit Konzessionsentzug gedroht werden soll und kann.
„Mindestens 2.000 Euro“, so steht es in einem Schreiben der Sozialsenatorin an die Sozialdeputation, sollen Betriebsinhaber seit dem 1. Januar zahlen, wenn sie bei Testkäufen dabei erwischt werden, wie sie Alkohol an Jugendliche ausschenken oder verkaufen. 2.500 Euro sollen fällig werden, wenn sie noch keine 14 Jahre alt sind.
Tatsächlich sind es in diesem Fall aber 3.000 Euro. Diese Summe steht abweichend von dem, was der Senat bisher verkündet hat, auf dem Informationsschreiben, das das Stadtamt aushändigt, wenn jemand erwischt wurde. Die Polizei Bremerhaven hat anders als das Stadtamt dieses Informationsblatt auch online eingestellt.
Diejenigen, die den Alkohol verkauft haben, müssen demnach mindestens 300 Euro zahlen. Wenn es sich um Kinder handelt, sollen es 500 Euro sein. Vorher lag die Höchstgrenze für die Inhaber bei 400 Euro, für das Personal bei 50 Euro.
„Viel zu hoch“ findet der bei der Gewerkschaft Ver.di für den Handel zuständige Heinz-Herbert Grabowski das Bußgeld für Verkäuferinnen und Tresenkräfte. „Eine Verkäuferin in Teilzeit verdient gerade mal 700 bis 800 Euro brutto“, kritisiert er.
Zudem seien diese angesichts von langen Schlangen vor den Kassen oft so unter Druck, dass es kein Wunder sei, dass sie nicht jedes Mal nach dem Ausweis fragen, wenn vor ihnen ein jüngerer Mensch stehe. „Die machen das doch nicht absichtlich!“
Der Senat geht hingegen davon aus, dass es in Betrieben und Gaststätten an einem Bewusstsein dafür fehle, wie wichtig es sei, die Jugendschutzbestimmungen einzuhalten. „Ein nicht geringer Teil von Ladeninhaberinnen und Ladeninhabern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Einzelhandels geht in Bremen noch immer zu verantwortungslos mit dem Verkauf von hochprozentigem Alkohol an Jugendliche um“, hatte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) im Dezember gesagt.
Er bezog sich dabei auf die Auswertung von 128 Testkäufen durch Jugendliche unter 18 Jahren im vergangenen Jahr. In 42,9 Prozent hatten sie hochprozentigen Alkohol bekommen. In Bremerhaven waren nur 25,7 Prozent von 237 Testkäufen ordnungswidrig.
In diesem Jahr hat das Stadtamt seit Einführung der höheren Bußgelder bei 13 von 43 Testkäufen Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz festgestellt.
Die Fraktionen von SPD und Grünen hatten den Senat auch aufgefordert, Betriebsinhaber zu verpflichten, ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über die Jugendschutzbestimmungen in Bezug auf Alkohol zu schulen. Allerdings, so hat der Senat jetzt festgestellt, kann er dies auf Länderebene nicht tun.
Deshalb will er den Arbeitgeberverbänden wie dem für das Deutsche Hotel- und Gaststättengewerbe (Dehoga) sowie der Handelskammer vorschlagen, sich freiwillig zu solchen Schulungen zu verpflichten. Sollten diese nicht ausreichend dokumentiert werden, würde dies als Ordnungswidrigkeit geahndet werden, schreibt der Senat.
„Ein typisches Bremer Eigentor“ nennt dies der Dehoga-Geschäftsführer Thomas Schlüter. Denn als die Verantwortung für das Gaststättengesetz 2006 vom Bund an die Länder überging, habe Bremen eine Vorschrift gestrichen, die die Vergabe einer Ausschank-Lizenz von der Teilnahme an einer dreistündigen Schulung abhängig machte. In dieser habe der Verband unter anderem über das Alkoholverbot informiert, so Schlüter.
Zudem findet er, dass sein Gewerbe nicht dafür verantwortlich gemacht werden könne, wenn Kinder und Jugendliche sich mit Alkohol betrinken. „Das ist ein gesellschaftliches Problem, wo man mit Verboten nicht weiter kommt.“
Genau so sieht es Karsten Nowak von der Bremer Handelskammer. „Den Alkohol können sich die meisten doch ganz einfach zu Hause besorgen“, sagt er. Und: „Der Alltagskonsum von Alkohol ist in unserer Gesellschaft in so entspannter Weise legitimiert, dass es einfach an einer Vorbildfunktion fehlt.“ In die Pflicht genommen werden müssten daher neben Erziehungsberechtigten auch Werbung und herstellende Industrie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!