Streit um Hamburger Lohmühlenpark: Zwei Meter grüne Lunge zu verkaufen
Der Lohmühlenpark in St. Georg soll an seiner schmalsten Stelle teilweise an einen Investor verkauft werden. Die Anwohner*innen wehren sich.
Der Stadtteil St. Georg ist stark bebaut: Straßen, Häuser, Schulen, Bürobauten, Bahnschienen. Doch ein schmaler grüner Streifen durchzieht das Viertel. Das ist der Lohmühlenpark, der von der Haltestelle Berliner Tor nördlich in Richtung Alster führt. Für Einwohner*innen ist er ein Ort der Ruhe und des Ausspannens mit Spiel- und Sportmöglichkeiten.
Eine Fläche an der schmalsten Stelle dieser grünen Lunge auf der Höhe der Brennerstraße 90 soll in Privatgelände umgewandelt werden, als Vorgarten für einen geplanten Neubau. Der Einwohnerverein St. Georg wehrt sich: „Nicht nur, dass ein Teil des öffentlichen Geländes ohne jegliche Not privatisiert werden soll und damit dem Investor eine Verzigfachung seiner Rendite garantiert wird“, infolge würden die höheren Bauten einen Teil des Parks überschatten. „Das nehmen wir nicht hin“, so der Verein.
Insgesamt erstreckt sich das Bauverfahren „St. Georg 43 – Nördlich Steindamm“ auf 3,07 Hektar. Es ist eingerahmt von Lohmühlenstraße, Steindamm und Brennerstraße und ragt südwestlich über die Danziger Straße hinaus. Auf dem Steindamm sollen weitere Einkaufsmöglichkeiten entstehen. An der Danziger Straße ist ein Hotel geplant. „Geplant sind aber auch 50 Wohneinheiten für Studierende sowie eine Alten-WG“, sagt Michael Mathe vom Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung.
Michael Joho vom Einwohnerverein St. Georg kritisiert diesen Schwerpunkt: „Dringender bräuchten wir Sozialwohnungen, die für alle mit niedrigem Gehalt zugänglich sind“, sagt er. Das Bauprojekt bietet Potenzial für 200 Wohnungen. Ob diese aber auch gebaut werden, liegt allerdings in der Hand der Eigentümer*innen.
Der Lohmühlenpark wird bisher durch die Brennerstraße durchkreuzt. Diese soll künftig in einer Sackgasse enden und im Park begrünt werden. Die gewonnene Fläche wird größer sein als der privatisierte Grünstreifen. „Es ist wirklich nicht in unserem Sinne, den Lohmühlenpark zu zerstören“, so Mathe. Im Gegenteil: „Es sollen Baufehler der letzten Jahrzehnte wieder gutgemacht werden. Im Ergebnis wird es später besser aussehen.“
Joho wendet ein, dass die Begrünung der Brennerstraße ohnehin im Gespräch gewesen sei im Zuge des von der Hamburger Umweltbehörde in Auftrag gegebenen Alster-Bille-Elbe Grünzugs. „Das hat mit dem Investor gar nichts zu tun. Was gibt er dafür, dass er mitten in der Innenstadt öffentliche Flächen privat nutzen darf?“
110 Quadratmeter verkauft die Stadt insgesamt, um das Bauprojekt St. Georg 43 umzusetzen. Das sei nötig, um die Baulücke in der Brennerstraße 90 schließen zu können, führt Michael Mathe aus. Für den Eingang des Hauses werde der Grünstreifen benötigt. „Der Streifen ist zwei Meter breit“, betont Mathe, „und soll bepflanzt werden. Optisch wird man das als zum Park zugehörig wahrnehmen.“ Die Idee, das Gebäude entsprechend zurückzusetzen, lehnt er ab, weil es sich optisch nicht in die Gebäude daneben einfügen und den Innenhof beengen würde.
Der Bebauungsplan St. Georg 43 ist bereits 15 Jahre alt. Ein Aufstellungsbeschluss sowie die öffentliche Plandiskussion, bei der Betroffene Einwände äußern können, fanden 2006 statt. Die Umsetzung verzögerte sich aufgrund schwieriger Verhandlungen mit den Privateigentümer*innen, so Michael Mathe. Seit 2006 hat sich das Projekt vergrößert und enthält neben der geplanten Grünfläche auch noch eine Ausweitung über die Danziger Straße hinaus. Eine erneute öffentliche Planungsdiskussion finde aber nicht statt, so entschied das Bezirksamt mit Stimmen von SPD, CDU und FDP, gegen die Grünen und der Linken.
„Es wird plötzlich alles übers Knie gebrochen“, so Michael Joho vom Einwohnerverein St. Georg, „der Bauplan ist für Nichtexperten auch kaum verständlich. Dass da Grünfläche genutzt wird, erkennt man erst auf den zweiten oder dritten Blick. Transparenz sieht anders aus.“ Vier Wochen haben er und seine Mitstreiter*innen jetzt Zeit, gegen das Vorhaben Widerspruch einzulegen. Die erste Woche ist fast um.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Selenskyj bringt Nato-Schutz für Teil der Ukraine ins Gespräch
Überraschende Wende in Syrien
Stunde null in Aleppo