Streit um Gebäudesanierung: Schafft Arbeit, rettet Klima
Umweltministerium und die Deutsche Energie Agentur verteidigen das Konzept zur Sanierung von Häusern gegen die Immobilienwirtschaft. Die nötigen Investitionen seien viel geringer.
BERLIN taz | Die "Energierevolution" ist nicht nur bezahlbar, sondern kann auch durchaus lukrativ sein. Mit diesen Argumenten versuchen das Bundesumweltministerium (BMU) und die "Deutsche Energie Agentur" (dena) ein wenig Vernunft in die aufgeregte Debatte um die Sanierung von Gebäuden nach dem Energiekonzept der Bundesregierung zu bringen. "Im Gebäudebestand liegen bei weitem noch nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten zur Reduzierung der Energiekosten und die weitaus größten Minderungspotenziale für den Klimakiller Kohlendioxid", heißt es in einer internen Studie des BMU, die der taz vorliegt. Der Tenor: Die Sanierung rentiert sich, sie schafft Arbeitsplätze und schont das Klima. Dafür muss es allerdings deutlich mehr staatliche Anreize geben.
BMU und dena versuchen damit, eine Debatte wieder einzufangen, die in den letzten Tagen aus dem Ruder gelaufen war. Denn den Anspruch, den Bestand von deutschen Wohngebäuden bis 2050 klimaneutral zu gestalten, ist das Kernstück des Energiekonzepts. Gegen diese Pläne hatten die Verbände der Immobilienwirtschaft mit Unterstützung des Bauministeriums Front gemacht. Der Anspruch vom klimaneutralen Gebäudebestand koste bis 2050 2,6 Billionen Euro, erklärte etwa die Bundesvereinigung Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft (BIS). Das wären Belastungen von 75 Milliarden Euro pro Jahr.
"Diese Angaben haben mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun", schreiben die Fachbeamten aus dem BMU in dem internen Papier. Realistisch seien über 40 Jahre höchstens 0,8 bis 1 Billion Euro "energiebedingte Zusatzkosten", jährlich also 20 bis 25 Milliarden Euro. Das sei etwa ein Viertel der Summe, die heute jedes Jahr für ganz normale Sanierungen in Gebäude investiert würden. Der Vorwurf aus dem BMU lautet: Die Immobilienwirtschaft unterscheide nicht zwischen den Kosten, die für Sanierungen von Gebäuden ohnehin anfielen, und den Zusatzkosten für Energie-Maßnahmen. Mehr als die Hälfte aller Wohnungen müssten bis 2030 aber ohnehin saniert werden, da sei der Zusatzaufwand zum Energiesparhaus relativ gering. Und vor allem hat die Immobilienwirtschaft nicht berechnet, wie viel Geld sich durch Gebäude sparen lässt, die nicht mehr zum Fenster rausheizen, sondern einfach alle nötigen Investitionen zusammengezählt. "In solchen Rechnungen tauchen dann auch Waschbecken bei den Energiekosten auf, nur weil sie vom Sanitärfachmann eingebaut wurden, der die Heizung erneuert", heißt es bei der dena.
Anders als die Immobilienwirtschaft kommen die BMU-Rechner deshalb nicht auf 1.100 Euro Sanierungskosten pro Quadratmeter, sondern nur auf Kosten "zwischen 35 und 250 Euro". Selbst bei gleichen Energiepreisen bis 2050 "fließen die energiebedingten Zusatzinvestitionen vollständig durch Energiekosteneinsparungen von rund 870 Milliarden Euro zurück", heißt es. Die Beamten rechnen vor, dass sich bei einer Steigerung der Energiepreise um 50 Prozent bis 2050 "die Energierechnung um 1 Billion Euro reduziert".
Unterstützung bekommt das Umweltministerium von der dena. Deren Chef Stephan Kohler rechnete gestern noch einmal vor, wie sich Gebäudesanierung auszahle. Selbst in Mietshäusern seien Energieeinsparungen bis 70 Prozent zu realisieren, ohne die Warmmiete zu erhöhen. Für Häuslebauer rechne sich die Sanierung nach 17 Jahren, wenn es Fördermittel gebe. Würden die Töpfe gestrichen, wie es der momentane Sparhaushalt vorsieht, verlängere sich die Amortisierung allerdings auf 28 Jahre. Deshalb müsse dieser Posten massiv aufgestockt werden, fordert die dena: Von jährlich knapp 450 Millionen auf fünf Milliarden. Und das Geld müsse im nächsten Jahrzehnt zur Verfügung stehen, weil sonst viele Häuser ohne Blick auf den Energieverbrauch saniert würden - und 40 Jahre lang das Geld durch den Schornstein jagten.
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