Streit um Freihandel und Coronavirus: Covid-19 stresst den Mercosur

In der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ist man sich über den Freihandel uneins. Argentinien kehrt vorerst an den Verhandlungstisch zurück.

Felipe Sola

Argentinien zieht sich aus Mercosur-Verhandlungen zurück. Felipe Solà im Februar Foto: Adriano Machado/reuters

Buenos Aires taz | Der Mercosur bricht vorerst nicht auseinander. Man werde an den gemeinsamen Tisch zurückkehren, verkündete Argentiniens Außenminister Felipe Solá am Donnerstag. Ein paar Tage zuvor hatte sich das Land aus den Verhandlungen des Mercosur über die Freihandelsabkommen mit Südkorea, Kanada, Indien, Singapur und dem Libanon ausgeklinkt und damit den Bruch der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft riskiert.

Auf heftigem Druck der drei übrigen Mitgliedstaaten Brasilien, Uruguay und Paraguay ist die argentinische Regierung nun zurückgerudert. Jetzt soll ein Mechanismus gesucht werden, der es möglich macht, „in der Agenda für Außenbeziehungen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten voranzukommen“, teilte Solá mit. Zugleich bekräftigte er, dass die Außenzölle des Mercosur zum Schutz der Volkswirtschaften der vier Mitgliedsstaaten nur durch gemeinsame Beschlüsse verändert werden können.

Wie das gelingen soll, ist wohl allen Beteiligten schleierhaft. Im Mercosur tobt seit Monaten ein Streit. Mit der Amtsübernahme von Präsident Alberto Fernández im Dezember änderte sich auch die Zielvorgabe aus Argentinien. Bis dahin hatte sich die Vierergemeinschaft in Richtung Freihandel und Weltmarktöffnung bewegt. Jetzt will Argentinien zuerst den Binnenmarkt des Mercosur sichern und vertiefen, bevor neue Freihandelsabkommen geschlossen werden. Brasilien, Paraguay und Uruguay drängen aber weiter auf eine Senkung der gemeinsamen Zollaußenschranken.

Die COVID-19-Pandemie hat die Lage zugespitzt. „Es macht in diesen ungewissen Zeiten keinen Sinn, über Freihandelsabkommen zu verhandeln, wenn nicht einmal klar ist, in welchem Zustand sich die eigene Wirtschaft nach Corona befindet“, hatte Außenminister Solá den Rückzug aus den Verhandlungen begründet. Und obwohl er zugleich versicherte, dass sich dieser nicht auf das Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union beziehe, war sofort vom Auseinanderbrechen der Wirtschaftsgemeinschaft die Rede. „Der Mercosur ist das erste Wirtschaftsbündnis, das dem Virus zum Opfer fällt“, kommentierte ein Händler an der Börse in Buenos Aires vor laufender Fernsehkamera.

Die gemeinsamen Außenzölle schützen Produktion und Warenaustausch innerhalb des Mercosur, indem sie günstigeren Anbietern von außen den Zugang verwehren. So beträgt beispielsweise der Außenzoll auf Fahrzeug- und Textilienimporte 35 Prozent. Ohne ihn stünden Argentiniens Autobauer und die Textilindustrie schlicht vor dem Aus. „Wir können es nicht zulassen, dass sie uns mit Autos überfluten, wenn unsere Autobauer auf 400.000 nicht verkauften Fahrzeugen sitzen“, erklärte Felipe Solá und meinte das zur Verhandlung anstehende Freihandelsabkommen mit Südkorea.

EU-Mercosur: ein umstrittenes Abkommen

Die EU und die Mercosur-Staaten hatten sich im Juni 2019 auf ein Freihandelsabkommen geeinigt. Die Verhandlungen über das Abkommen hatten 1990 begonnen, lagen aber zwischenzeitlich jahrelang auf Eis. Mit seiner Umsetzung würde die größte Freihandelszone der Welt entstehen. Das Abkommen ist jedoch höchst umstritten. So befürchten Umweltorganisationen weitere Rodungen des Amazonasregenwaldes um Anbauflächen für Soja sowie die Rinderzucht zu schaffen. Befürchtet werden auch Pestizidrückstände in Nahrungsmitteln durch den massiven Einsatz von Agrogiften im Mercosur.

Damit es in Kraft treten kann, muss das Abkommen von allen 27 EU-Staaten sowie den vier Mercosur-Staaten ratifiziert werden. Schon im März hatte sich Österreichs Bundesrat gegen den Vertrag ausgesprochen, egal in welcher Form. Deutschland hingegen hat sich für seine im Juli beginnende EU-Ratspräsidentschaft vorgenommen, das Freihandelsabkommen voranzutreiben. Fragt sich, in welchem Zustand sich dann der Mercosur befindet.

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