Streit um Fehmarnbelt-Querung: Grube unter den Löwen
Die Bahn will eine neue Strecke zur Tunnel-Anbindung an der Ostseeküste prüfen. Gegen ihren Chef Rüdiger Grube gibt es dort Proteste.
TIMMENDORFER STRAND taz | Die Deutsche Bahn will eine Alternative zur bisher geplanten Schienentrasse zwischen Lübeck und Fehmarn prüfen. Das sagte Bahnchef Rüdiger Grube am Mittwochnachmittag im Ostseebad Timmendorfer Strand zu. Parallel zum laufenden Raumordnungsverfahren, in dem der Ausbau der bestehenden eingleisigen Trasse durch die Badeorte an der Ostsee favorisiert wird, solle eine weitere Variante untersucht werden. Diese „2+1-Trasse“ sieht parallel zur alten Strecke eine neue Trasse mit zwei Gleisen für den Güter- und Fernverkehr zwischen Skandinavien und Hamburg vor: weiter landeinwärts, entlang der Autobahn 1.
„Willkommen in der Höhle des Löwen“: So begrüßte Moderator Christoph Jessen, der seit über einem Jahr den Runden Tisch „Dialogforum Fehmarnbelt-Querung“ leitet, den Bahnchef. In der Tat hatten mehr als 200 lautstarke Demonstranten, die mit Transparenten, Sprechchören und Trillerpfeifen vor dem Tagungsort einer Bürgerveranstaltung in der Trinkhalle im Kurpark warteten, Grube und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) keinen allzu freundlichen Empfang bereitet.
Die VertreterInnen mehrerer Bürgerinitiativen gingen nach wenigen Minuten unter Protest wieder. „Das ist keine echte Bürgerbeteiligung“, befand Kerstin Fischer von der Initiative in Ratekau. Die Gemeinde am Rand Lübecks wäre von der neuen Trasse stärker betroffen, die Badeorte an der Lübecker Bucht hingegen würden weitgehend verschont – einig ist der Widerstand an der Strecke also nicht mehr.
Grundlage für die Fehmarnbelt-Querung ist ein deutsch-dänischer Staatsvertrag aus dem Jahr 2009.
Strecke: Die gut 19 Kilometer breite Meeresstraße zwischen der schleswig-holsteinischen Insel Fehmarn und der dänischen Insel Lolland soll für eine vierspurige Autobahn und zwei Bahngleise untertunnelt werden.
Kosten: Für den Tunnel werden mindestens 5,5 Milliarden Euro veranschlagt. Dänemark bürgt für die Kredite, welche die Realisierungsgesellschaft Femern A/S aufnehmen muss. Diese sollen über 39 Jahre aus Mauteinnahmen amortisiert werden.
Anschluss Dänemark: Ausbau von Straßen und Schienen von Rødby bis Kopenhagen auf Staatskosten von rund 1,2 Milliarden Euro.
Anschluss Deutschland: Ausbau von Straßen und Schienen von Puttgarden bis Lübeck auf Kosten von Bund und Deutscher Bahn für mindestens 800 Millionen Euro.
Die Bahn will im Auftrag des Bundes die Strecke nach Fehmarn für ICEs und schwere Güterzüge ausbauen. Diese sogenannte Hinterlandanbindung des Autobahn- und Schienentunnels, den Dänemark im Fehmarnbelt bauen will, ist gut 80 Kilometer lang. Nach Planungen aus dem Jahr 2006 soll sie etwa 800 Millionen Euro kosten, der Bundesrechnungshof kommt inzwischen auf den doppelten Betrag.
Grubes jüngste Ausführungen deuten nun an, dass die Bahn bereit sein dürfte, nicht die billigste Strecke zu bauen, sondern die von der Bevölkerung akzeptierte. Es sei eine „wertvolle Reise mit neuen Einblicken“ gewesen, hatte Grube zuvor im Sonderzug Fehmarn–Bad Schwartau gesagt, der an mehreren Bahnhöfen durch Spaliere von Gegnern des Projekts fahren musste. Die Bahn habe gelernt, dass „die billigste und schnellste Lösung nichts bringt, wenn sie nicht breit akzeptiert wird“, so Grube auf der rollenden Pressekonferenz.
Zuvor hatte er sich über eine Stunde lang von Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD), Ostholsteins Landrat Reinhard Sager (CDU) und den BürgermeisterInnen der betroffenen Städte und Gemeinden die örtlichen Probleme und Befürchtungen erläutern lassen. Grube sei „sehr offen und interessiert gewesen“, berichtete Timmendorfs Bürgermeisterin Hatice Kara (SPD) vom Termin im Lenkstand: „Herr Grube hat sehr aufmerksam zugehört – das ist doch schon was.“ Weniger optimistisch zeigte sich Klaus Reise, parteiloser Bürgermeister von Großenbrode, dem letzten Ort auf dem Festland vor Fehmarn: „Reine Propaganda“ sei die ganze Veranstaltung. Die Kostenrechnungen seien „nicht schlüssig“, die Trasse würde „dem Tourismus in den Ostseebädern schwer schaden“.
Albig und Meyer dagegen sind Befürworter der zweiten Trasse an der Autobahn. Es wäre aus ihrer Sicht die bessere Lösung, weil sie die Ferienzentren schont. „Es wird einen Weg geben“, gab sich Meyer optimistisch, „zu einer verträglicheren Trasse.“
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