Streit um Coronaregeln an Schulen: Ausbruch oder Einzelfälle?
Eigentlich sollen in Bremen keine ganzen Klassen mehr in Quarantäne geschickt werden. Doch das Gesundheitsamt handle nicht danach, kritisieren Eltern.
Thomas Theßeling, ein betroffener Vater, sagt, dass es am vorletzten Montag einen Fall in der Klasse seines Kindes gegeben habe, der 5b am Kippenberg-Gymnasium. Das sei mit einem Test entdeckt, das betroffene Kind nach Hause geschickt worden. Am Tag darauf sei ein weiteres Kind mit einem positiven Testergebnis nach Hause geschickt worden. Ab dem nächsten Tag, also dem 15. September, seien sein Kind und alle Klassenkamerad*innen in den Distanzunterricht geschickt worden, sagt Theßeling.
In einem Schreiben vom Gesundheitsamt an die Eltern steht, die Kinder würden vom Gesundheitsamt als „Kontaktpersonen der Kategorie I mit einem hohen Risiko“ geführt. Die Anordnung: häusliche Quarantäne für 14 Tage. Der Beschluss der Bildungssenatorin galt zu diesem Zeitpunkt seit zwei Tagen.
Einige Eltern der Kippenberger Fünftklässler*innen und der ZentralElternBeirat kritisieren dieses Vorgehen und fordern mehr Verlässlichkeit. Für den ZentralElternBeirat steht nicht nur Bildung dem Infektionsschutz gegenüber. In einem am 21. September veröffentlichten Brief an Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) und Bildungssenatorin Sascha Karolin Aulepp (SPD) heißt es auch: „Wieder einmal scheinen Kinder-, aber auch Elternrechte völlig in den Hintergrund gedrängt zu werden.“ Der offene Brief sei eine Antwort auf zwei Corona-Ausbrüche in Bremer Schulen. In beiden Fällen wurden nicht nur betroffene Kinder in Quarantäne geschickt, sondern die gesamte Klasse.
Martin Stoevesandt, ZentralElternBeirat
Alicia Bernhardt, Sprecherin der Gesundheitssenatorin, antwortet auf Anfrage der taz, dass es rechtliche Grundlagen für diese Entscheidungen gebe. „Bei zwei oder mehr Positivfällen in einer Kohorte wird von dem Gesundheitsamt sorgfältig geprüft, ob es sich um einen Ausbruch handelt, bei einem Ausbruch gilt jedoch das Infektionsschutzgesetz“, schreibt sie. Coronafälle in einer Klasse würden als Ausbruch gelten, wenn sie in einem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang stehen. Das Gesundheitsamt werte die Infektionen dann nicht als zufällige Einzelfälle, sondern als zusammenhängende Ansteckungen. Die beiden Klassen in 14-tägige Quarantäne zu schicken, sei vor diesem rechtlichen Hintergrund gerechtfertigt.
Derzeit seien in Bremen nachweislich 61 Schüler*innen infiziert und 474 aufgrund dieser Ausbruchs-Regel in Quarantäne, schreibt Bernhardt. Das betreffe insgesamt 14 Schulen.
„Ich halte das für rechtswidrig“, sagt Martin Stoevesandt vom ZentralElternBeirat. „Beim Staats- und Organisationsrecht gilt es immer, das mildeste Mittel zu finden. Das ist sicherlich nicht das mildeste Mittel.“ Hinter dem Vorgehen des Gesundheitsamts vermutet er einen Konflikt zwischen Gesundheitsbehörde und Bildungsbehörde einerseits und zwischen Gesundheitsamt und Gesundheitsbehörde andererseits. „Das Gesundheitsamt fährt fast eine Zero-Covid-Strategie“, sagt er.
Aus der Bildungsbehörde heißt es auf taz-Anfrage, Senatorin Aulepp setze sich schon lange dafür ein, dass so wenig gesunde Kinder wie möglich in Quarantäne müssen. „Aber die Einzelfallentscheidung liegt beim Gesundheitsamt und das ist auch richtig so.“
Thomas Theßelings Kind ist nun noch bis zum 28. September in Quarantäne. Er und seine Frau sind berufstätig. „Wir müssen jetzt wieder zu Hause bleiben“, sagt er. Bei ihm bleibe vor allem Hilflosigkeit. Und er sagt, sein Kind sei in einer besonderen Situation: „Die Kinder in der Klasse sind gerade auf eine neue Schule gekommen, die sind noch nicht richtig angekommen und jetzt sind sie schon in Quarantäne.“ Er habe kein Verständnis dafür, dass das Gesundheitsamt diese Umstände nicht mitberücksichtigt.
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