Streit um Berliner Freizeitzentrum SEZ: Die Finten des Investors
Ein Schwimmbad, ein Käufer und eine bankrotte Landesverwaltung. Die Geschichte einer Privatisierung mit vielen Missverständnissen.
Einer könnte es ihr erklären: Rainer Löhnitz, lautstarker Investor, der sich gern als Macher in Szene setzt. Nach Ansicht seiner Kritiker tat er aber nicht das, was er tun sollte, nachdem der Berliner Senat ihm 2003 das Gebäude für einen Euro verkaufte. Es gibt im SEZ diverse Sportangebote, eine Sauna, ein Außenbecken, einen Erholungspark aber kein Hallenbad – eben das, was das SEZ früher ausmachte. Dabei enthält der Kaufvertrag von 2003, der der taz vorliegt, die Auflage an den Investor, wieder ein „Hallenbad“ in Betrieb zu nehmen, ein juristisch unscharfer Begriff. Stattdessen wurde im Saunabereich ein kleiner Pool eingerichtet, Löhnitz sieht damit die Auflage erfüllt.
An welche Art von Spaßbad Thilo Sarrazin wohl dachte, als er nach dem Verkauf erklärte, dass „innerhalb eines mit der Senatsverwaltung für Finanzen vertraglich abgestimmten Zeitraums von maximal fünf Jahren (…) die Schwimmhalle zu einem modernen, familienfreundlichen Spaßbad umgebaut“ würde?
Hotel statt Schwimmbad?
Heute, 13 Jahre später, hat der Eigentümer Bauvorbescheidsanfragen für Neu- und Umbauten auf dem Grundstück eingereicht. Löhnitz könnte 47.000 Quadratmeter in bester Friedrichshainer Lage umgestalten. Statt Schwimmbad ein Hotel oder Luxuswohnungen? An kreativen Vorschlägen des Investors mangelte es bisher nicht. Noch scheiterten diese aber am Widerstand des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, der Ende letzten Jahres eine einjährige Veränderungssperre für das Objekt verhängte.
Als Reaktion zog Bausenator Andreas Geisel (SPD) das Verfahren auf die Landesebene und entmachtete so den Bezirk in Sachen SEZ weitestgehend. Dazu heißt es aus dem Bausenat: „Aufgrund seiner innerstädtischen Lage (...) eignet sich der Standort hervorragend für eine Wohnbebauung mit integrierten Sport- und Freizeitnutzungen, einer Schule sowie Gewerbe- und Dienstleistungseinrichtungen.“
Carl-Friedrich Waßmuth, Aktivist
Rainer Löhnitz betont, die Initiative zum Abriss und Neubau sei aus der Landespolitik an ihn herangetragen und von ihm ursprünglich nicht beabsichtigt worden. Die Senatsverwaltung könnte ihm nun den Weg frei machen. Es sollen auch Sozialwohnungen entstehen, eine Kindertagesstätte ist ebenfalls im Gespräch. Der genaue Bebauungsplan soll jetzt „zügig“ entworfen werden.
Bürgerinitiative für den Rückkauf
Dagegen regt sich Widerstand. „Der Senat hat immer noch ein Rückkaufrecht. Erst wenn Andreas Geisel den Bebauungsplan aufstellt, ist die Verschleuderung unserer Steuergelder besiegelt“, sagt Carl-Friedrich Waßmuth, der sich mit einer Bürgerinitiative für den Rückkauf des SEZ durch das Land Berlin einsetzt. Auch Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) gab dem Streit eine neue Wendung, indem seine Verwaltung nun die Möglichkeiten eines Rückkaufs auslotet. Damit ist die letzte Etappe einer Tragödie erreicht, die eindrucksvoll verdeutlicht, wie ein hochverschuldetes Land nicht in der Lage ist, Gemeineigentum zu halten.
Es begann 1981, als Ostberlin noch der Verwirklichungsort sozialistischer Prestigeprojekte war. Erich Honecker eröffnete den Unterhaltungstempel, der sich in den nächsten Jahren vor Andrang kaum retten konnte. Ein Schwimm- und Spaßbad mit sieben Becken, eine Eisbahn, Fitnessstudios, eine Bowlinganlage, eine Kampfsportschule und mehrere Restaurants – und das alles zu staatlich subventionierten Preisen. Es war absehbar, dass das Land Berlin, das nach der Wende das Gebäude übernahm, den gleichen Aufwand nicht betreiben konnte. Trotzdem kamen die Schließung 2001 und der Verkauf 2003 für viele überraschend.
Zwei Käufer kamen damals infrage. Die einen waren Investoren aus Hamburg, der zweite war Rainer Löhnitz aus Leipzig. Letzterer versprach große Taten. Ohne Zuschüsse wollte er das SEZ wieder in die schwarzen Zahlen führen und alle Erträge in die Erhaltung und Renovierung des Gebäudes investieren. Als Beweis für sein Engagement lud Löhnitz eine Delegation nach Markkleeberg ein, wo er zwei Jahre zuvor das Poseidon-Bad für eine D-Mark übernommen hatte. Was die Entsandten des Sportausschusses dort sahen, überzeugte sie. Offensichtlich beunruhigte sie nicht, dass in dem 1990 in Betrieb genommenen Schwimmbad zwar ein nagelneues Fitnessstudio stand, aber kein Schwimmbecken vorhanden war.
Blick nach Markkleeberg
Siegfried Schlegel, Bezirksverordneter aus Markkleeberg, warnte damals in einem Brief vor dem Investor: „(Man) kann (...) sich der Befürchtung nicht erwehren, dass die Berliner vortrefflich über den Tisch gezogen werden sollen. Die wichtigsten Funktionen im SEZ, nämlich Erlebnisbaden und Schwimmen, werden zwar nicht gesichert, dafür hat der Investor aber eine lukrative Immobilie in bester Lage in Berlin bekommen.“
Trotzdem setzte sich Löhnitz durch. Der Senat wähnte einen Erfolg: Die Betriebskosten für das SEZ würden privatisiert, der Weiterbetrieb des Schwimmbads wäre gesichert. Und tatsächlich eröffnete das SEZ bald wieder, zunächst die Bowlinganlage und die Tischtennis- und Badmintonfelder. Bis zum 31. Dezember 2007 sollte laut Vertrag auch der Hallenbadbetrieb wieder aufgenommen werden. Einige kleine Wasserflächen gab es dann auch im neuen SEZ – so war Löhnitz rein rechtlich aus dem Schneider.
Zumindest im Streit über das „Hallenbad“. Denn bald folgten weitere Turbulenzen. Wieder lohnt sich ein Blick nach Markkleeberg, wo die Mieterin und Betreibergesellschaft des Poseidons, die Poseidon Sportstätten GmbH Markkleeberg, insolvent ging und 2009 aufgelöst wurde. Der Privateigentümer Löhnitz überführte das Bad in die gemeinnützige Rainer Löhnitz Stiftung. Geschäftsführer der Sportstätten GmbH war bis 2008 ein Herr S., Rechtsanwalt und ehemaliger Oberbürgermeisterkandidat der Leipziger FDP. S. ist zu diesem Zeitpunkt gleichzeitig Geschäftsführer der SEZ Berlin GmbH, der Betreibergesellschaft des SEZ. 2009 wird S. in Sachsen zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er zuvor als Gesamtvollstreckungsverwalter fünfstellige Summen veruntreut hatte. Noch nach der Verurteilung bleibt er laut Jahresabschlussbericht Geschäftsführer der SEZ Berlin GmbH.
Löhnitz beteuert, zu den Angelegenheiten seiner Mieter keine Verbindung zu haben und auch S. nicht zu kennen. Einen Bezug zum SEZ sieht er nicht.
Zweifelhafte Partnerschaft
Dennoch verstärkte dieses Konstrukt die Zweifel des Bezirksabgeordneten Gumbert Salonek an der Partnerschaft zwischen Land und Investor. Der FDP-Mann versuchte, die Bezirksversammlung auf die Ungereimtheiten aufmerksam zu machen. Erfolglos. „Die Linkspartei feierte weiter ihre Sommerfeste auf dem SEZ-Gelände“, bemerkt er spitz.
Der nächste Akt folgte 2012 mit einem Rechtsstreit zwischen dem Land Berlin und Löhnitz. Dieser hatte über Jahre hinweg die Straßenreinigungsgebühren nicht bezahlt; die ausstehenden Bezahlungen im fünfstelligen Bereich wurden mittlerweile beglichen.
Noch einmal wurden aus den Vertragspartnern Streithähne. Löhnitz beschwert sich, er sei bis 2008 nicht als Besitzer im Grundbuchamt eingetragen worden. Das hätte ihn nicht nur bei notwendigen Investitionen behindert, für die er keinen Schutz erhielt, sondern ihm auch eine „unberechtigte“ Grunderwerbssteuerforderung eingebracht, die sich auf 800.000 Euro summierte. Löhnitz nennt diese Forderung „rechtswidrig erfunden“. Und tatsächlich musste er dieser nicht nachkommen. Ein pikantes Detail bleibt: Bei der Berechnung ging das Finanzamt von einem Grundstückswert von etwa 13 Millionen Euro aus.
Iris Spranger, damals Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Finanzen, bereute 2009 den Ein-Euro-Deal trotzdem nicht. Nach einer Begutachtung der Sanierungsarbeiten erklärte sie: „Wer richtig schwimmen möchte, kann im nahegelegenen SSE (Schwimm- und Sprunghalle im Europapark) seine Bahnen ziehen. Es war nie beabsichtigt, ein neues Schwimmbad im SEZ entstehen zu lassen.“
Die Kritik nimmt zu
Gleichzeitig stieg die Zahl der Kritiker des SEZ-Deals. Die Bezirksabgeordneten Max Putzer und John Dahl (SPD) und Abgeordnetenhausmitglied Kurt Wansner (CDU) kritisierten Löhnitz öffentlich. Allen drei drohte der Investor mit Klageverfahren. Ähnlich erging es David Fluhr, Betreiber des SEZ-kritischen friedrichshainblogs. Als der Bund der Steuerzahler 2013 das Land Berlin wegen „Veruntreuung öffentlichen Eigentums“ verklagte und ein Schwarzbuch über das SEZ veröffentlichte, antwortete Löhnitz mit einer Klage, der das Gericht allerdings nicht folgte.
Seitdem hat sich der Druck auf den Eigentümer erhöht – sowie auf das Land Berlin. Gumbert Salonek glaubt nicht mehr an einen möglichen Rückkauf. „Das kommt einfach zu spät!“ Carl-Friedrich Waßmuth wiederum hofft noch an die Rückeroberung des SEZ.
Rainer Löhnitz wiederum könnte eine weitere Klausel des Vertrags von 2003 geltend machen. Dort wird dem Käufer bei Erfüllung der Auflagen das Recht zugesprochen, dem Land das Rückkaufrecht abzukaufen. Der Preis: „Der angesetzte Ablösebetrag von 2,7 Millionen Euro zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Vertrags, abgezinst mit 7 Prozent Zinssatz auf die Laufzeit seit Vertragsabschluss“.
Anders gesagt: Die Zeit läuft für Rainer Löhnitz, mit jedem Jahr wird ein Abkauf des Rückkaufrechts billiger. Das letzte Kapitel einer Privatisierung voller Missverständnisse ist also noch nicht zu Ende.
Ein letzter Blick nach Markkleeberg. Der ehemalige Oberbürgermeister der Stadt Bernd Klose weiß nichts von Problemen mit Löhnitz. „Der hat schon viel gemacht.“ Gleichzeitig wird in Markkleeberg dieses Jahr ein neues Schwimmbad gebaut – auf Kosten der öffentlichen Hand.
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