Streit über Köhlbrandbrücken-Abriss: Linke vermisst Klimaschutz
Hamburgs Köhlbrandbrücke soll abgerissen, stattdessen ein Tunnel gebaut werden. Die Linke fordert ein Verkehrskonzept im Sinne des Klimaschutzes.
Die mit rund 3.600 Metern zweitlängste Straßenbrücke Deutschlands überspannt einen Arm der Süderelbe und verbindet über Waltershof die Autobahn A7 mit der Elbinsel Wilhelmsburg. Freigegeben wurde sie 1974.
Dass einmal 40.000 Fahrzeuge pro Werktag die Brücke passieren, hätten sich der Bauingenieur Paul Boué und der Architekt Egon Jux wohl kaum träumen lassen, als sie die Brücke entwarfen. Gut ein Drittel der Fahrzeuge, die hinüber rollen, sind Lastwagen, die die Containerterminals im Hafen bedienen. Für Fußgänger und Fahrradfahrer ist die Brücke gesperrt.
Die Dauerbelastung hat Folgen. Die Köhlbrandbrücke ist marode geworden. Der Senat hat deshalb den Abriss beschlossen. Statt einer Brücke soll eine Unterführung gebaut werden, in Form eines doppelstöckigen Tunnels.
Der würde mit – geschätzten – Kosten von mindestens drei Milliarden Euro zwar wesentlich teurer als eine neue Brücke, hat aus Sicht des parteilosen Wirtschaftssenators Michael Westhagemann aber mehrere Vorteile: Zum einen lägen die Unterhaltskosten langfristig deutlich niedriger. Zudem wäre der Verkehr nicht mehr der Witterung ausgesetzt.
Ein Tunnel halte wesentlich länger als eine Brücke – und der Hohlraum unter der Fahrbahn könne zusätzlich genutzt werden. Vor allem aber könnten künftig noch größere Schiffe bei jedem Wasserstand den Containerhafen Altenwerder anfahren.
Erstmals hatte im Juni 2012 der damalige Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) auf ein nahendes Ende der Köhlbrandbrücke hingewiesen. Damals sprach er noch von einem Neubau. Fünf Jahre später teilte die Hafenbehörde HPA mit, dass die Planungen für eine neue Brücke begonnen hätten. Sie sollte eine Durchfahrtshöhe von mindestens 73,5 Metern haben – jetzt sind es 53 Meter, zu niedrig für die riesigen Containerschiffe der neuen Generation.
Erst das Hamburger Abendblatt brachte im April 2018 ans Licht, dass längst parallel an den Plänen für einen Tunnel gearbeitet wurde. Im Februar 2020 unterzeichneten Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) eine gemeinsame Absichtserklärung über die Erneuerung der Köhlbrandquerung. Demnach wird die bestehende Köhlbrandbrücke bis 2030 genutzt, anschließend abgerissen und durch einen Tunnel mit zwei Ebenen ersetzt.
Gleichzeitig wurde eine Hochstufung der Brücke zur Bundesstraße beschlossen. Seit dem 1. Februar dieses Jahres bildet sie nun den nördlichen Startpunkt der Bundesstraße B 3, die auf einer Gesamtlänge von rund 760 Kilometern bis an die Schweizer Grenze führt. Die Brücke ist damit mautpflichtig.
Rechtlich ist die Hochstufung die Voraussetzung dafür, dass sich der Bund finanziell am Bau der neuen Köhlbrandquerung beteiligt. Konkret übernimmt er die Baukosten, die Stadt Hamburg muss für die Instandhaltung aufkommen. Auch soll die Brücke nicht vollends verschwinden. SPD und Grüne haben sich darauf verständigt, dass die beiden hohen blauen Pfeiler nach Möglichkeit stehen bleiben sollen, wenn es einen Tunnel gibt.
Im Hinterzimmer ausgekungelt
Kritik an dem Vorhaben kommt vor allem von der Linksfraktion. Sie ärgert sich, dass der Senat die Pläne im Hinterzimmer ausgekungelt hat und die Bürgerschaft und die Bevölkerung nicht daran beteiligt wurden. Der Linken-Abgeordnete Norbert Hackbusch wirft der HPA außerdem vor, dass die Köhlbrandbrücke schon jetzt nicht mehr richtig gepflegt werde.
Die Linke bemängelt außerdem, dass bei der Projektierung des Vorhabens das Bundesklimaschutzgesetz nicht beachtet wird. Im Wirtschaftsausschuss forderte sie ein Gesamtkonzept für den Straßen- und Schienenverkehr im Hafen und dessen Umland. Schließlich gehöre zum Klimaschutz eine Reduzierung des motorisierten Straßenverkehrs. Das bezieht sich nicht nur auf den Individual-, sondern auch auf den Güterverkehr.
Die Köhlbrandquerung könne auch nicht losgelöst von der geplanten Autobahn 26 Ost gesehen werden. Die „Hafenpassage“ verlängert die im Westen aus Niedersachsen bis zur A 7 führende A 26 und soll den Hafens besser erreichbar machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe