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Streit über Abtreibungsverbot in PolenFür die Tonne

Kommentar von Gabriele Lesser

Ausgerechnet jetzt wird wieder über das Abtreibungsrecht debattiert. Präsident Duda könnte das Stimmen kosten.

Erste Lesung mit Mundschutz, dann ab in die Ausschüsse mit dem Abtreibungsgesetz Foto: dpa

E s ist der Albtraum jeder werdenden Mutter: Das Kind wird schwer behindert sein, ohne Gehirn zur Welt kommen, nur eine Herzkammer haben oder die Organe am falschen Ort. Es wird Schmerzen haben, womöglich kurz vor oder nach der Geburt sterben. Polens regierende Nationalpopulisten von der Recht und Gerechtigkeit (PiS) wollen nun per Gesetz alle Polinnen dazu zwingen, diese Schwangerschaften auszutragen. Ohne jedes Mitgefühl für die verzweifelte Lage der Schwangeren stimmten sie mit ihrer absoluten Mehrheit im Sejm für das absolute Abtreibungsverbot. Denn 97 Prozent aller legalen Abtreibungen gehen auf die Indikation „schwere Missbildung des Fötus“ zurück, nur 3 Prozent auf die Indikationen „Vergewaltigung“ oder „Gefahr für Leib und Leben der werdenden Mutter“. Aus anderen Gründen ist Abtreibung in Polen ohnehin nicht erlaubt.

Zweimal schon, 2016 und 2018, konnten Polinnen mit ihren landesweiten „schwarzen Protesten“ das frauenverachtende Gesetzesprojekt von Kaja Godek und ihrem Pro-Life-Verein „Leben und Familie“ zu Fall bringen. Dieses Mal gelang es Godek, fast eine Million Unterschriften für das totale Abtreibungsverbot in Polen zu sammeln. Doch Umfragen zufolge wollen die meisten PolInnen keine Verschärfung des Abtreibungsgesetzes, sondern – ganz im Gegenteil – eine Fristenlösung, wie sie auch in Westeuropa üblich ist.

Es ist also durchaus denkbar, dass auch dieses Projekt wieder – nach mehreren Monaten oder gar Jahren – in der Tonne landet. Denn die meist männlichen Abgeordneten der nationalpopulistischen PiS und der rechten Konfederacja drohten den Schwangeren zwar mit lebenslänglichen Haftstrafen für Mord und den schwarz gekleideten Parlamentarierinnen von der linksliberalen Opposition mit der „Vierteilung“, verwiesen das Projekt dann aber an gleich zwei Sejm-Ausschüsse – Gesundheit sowie Sozialpolitik und Familie. Dort wird das Projekt dann erst mal auf dem Stapel „zu erledigen“ landen, dann im einen Ausschuss beraten werden, danach im anderen, dann wieder im ersten. Und irgendwann in einer Nachtsitzung holt die Sejm-Vorsitzende das Projekt aus den im Volksmund „Gefrierschrank“ genannten Ausschüssen und lässt darüber abstimmen.

Bislang funktionierte diese Hinhaltepolitik, mit der in erster Linie die rechten Hardliner in der PiS sowie katholisch-fundamentalistische WählerInnen bei Laune gehalten werden sollten. Doch die Situation ist heute eine andere. Die meisten PolInnen sind wütend darüber, dass die Abgeordneten ausgerechnet in Zeiten des Coronavirus über die Verschärfung des Abtreibungsrechts debattieren mussten. Bei den Wahlen Mitte Mai werden sie Präsident Andrzej Duda, der erneut für die PiS antritt, die Rechnung präsentieren.

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Auslandskorrespondentin Polen
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3 Kommentare

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  • Die PiS konnte es nicht verhindern, dass dieses Anliegen in der Seym verhandelt wird. In Polen gibt es, wie sie richtig schreiben, die Möglichkeit für Bürger Entwürfe in das Parlament zu tragen. Das Gesetz sieht vor, dass der Seym der aktuellen Amtszeit innerhalb von sechs Monaten ein Bürgerprojekt - und damit auch die Abtreibung - behandeln muss. Der Sejm ist daher verpflichtet, den Entwurf der ersten Lesung vorzulegen, und die derzeitige Sitzung ist die letzte, bei der er dies innerhalb von sechs Monaten tun kann. Ganz im Gegenteil die PiS hat bis jetzt, den Entwurf ruhen lassen und herausgezögert. Auch wenn die Gründe nicht die sind, die man sich wünscht (bspw. Stärkung der Rechte, für Frauen über ihren Körper selbst zu entscheiden), kommt der Entwurf zu einem ungünstigen Zeitpunkt und wird nicht einmal instrumentell genutzt. Das der Entwurf in der ersten Lesung "angenommen" wurde, hat schlicht einen Grund. Man kann es jetzt an den parlamentarischen Ausschuss delegieren und dort verschwindet es wieder für 3,5 Jahre. Darüber hinaus wird es nochmal "eingefroren" in dem man es an das Verfassungsgericht delegiert.

  • Und auch hier wird es Leute geben, die behaupten, das sei ein Gesetz für den Lebensschutz. Man bringt Mütter in Gefahr, man erzeugt Leid von schon bei der Geburt sterbenden Babys, und redet sich ein, es ginge um den Glauben und ums Leben.



    Es geht um Macht über Frauen und ihre Gebärmütter. Es geht um Kontrolle. Um was sonst?

  • Die Wahlbeteiligung bei der letzten Parlamentswahl war ca. 50%. Da profitieren in der Regel radikale Parteien mit Ihren treuen Wahlgängern. Also nächstes Mal auch alle weltoffeneren Polen wählen gehen, um die rückwärts gewandte PiS abzuwählen.