Streit im Fall Matiullah Jabarkhil: Tödliche Schüsse
Vor zwei Jahren erschoss ein Polizist den Afghanen Matiullah Jabarkhil – aus Notwehr, heißt es. Noch immer kämpfen Unterstützer:innen um Aufklärung.
Das gegen den Polizisten eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde im Januar 2019 eingestellt, im März wieder aufgenommen und im August zum zweiten Mal eingestellt. Die tödlichen Schüsse seien „durch Notwehr gerechtfertigt“, hieß es in einer Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Fulda.
Jabarkhil habe den Auslieferungsfahrer einer Bäckerei sowie einen Streifenbeamten mit einem faustgroßen Stein verletzt und sei anschließend mit dem Teleskopschlagstock des Polizisten geflohen. Bei der Verfolgung durch den Beamten seien Schüsse abgegeben worden, die den Afghanen verfehlten. Als der junge Mann den Beamten mit dem Schlagstock angegriffen habe, habe dieser erneut geschossen und Jabarkhil tödlich verwundet.
Beschwerde gegen Einstellung
Die Gruppe Afghan Refugees Movement zweifelt an der Darstellung der Staatsanwaltschaft. „Wir fordern eine unabhängige Aufklärung“, sagt Sprecherin Sarmina Stuman. „Matiullah hatte weder Schusswaffe noch Messer. Er war nur 1,70m groß. In den frühen Morgenstunden war niemand anderes gefährdet. Warum hat man nicht Verstärkung gerufen?“
Stuman ist in Kontakt mit Jabarkhils Angehörigen in Afghanistan, deren Anwältin Beschwerde gegen die Verfahrenseinstellung eingereicht hat. Dass der beschuldigte Polizeibeamte nach acht Tagen, also noch vor Abschluss der Ermittlungen, wieder im Dienst war, zeugt für Stuman von institutionellem Rassismus.
Warum konnten die vier bis fünf anwesenden Polizeibeamten den jungen Mann nicht lebend festnehmen? Diese Frage lässt auch Abdulkerim Demir, den Vorsitzenden des Ausländerbeirats in Fulda, nicht los. Der Polizeieinsatz sei unangemessen eskaliert, hatte er bereits kurz nach dem Vorfall kritisiert und dafür massiven Gegenwind erfahren. Und das nicht nur von AfD und den Identitären, sondern auch von der CDU: Fuldas Oberbürgermeister Heiko Wingenfeld und Landrat Bernd Woide (beide CDU) wandten sich an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), um Demirs Tätigkeit als Leiter von Integrationskursen überprüfen zu lassen.
Die beiden Politiker zweifelten öffentlich an Demirs Bekenntnis zu Rechtsstaat und Grundgesetz. Man erwarte, dass dieser „Vertrauen in unsere Institutionen fördert – im Besonderen auch in die Polizei und die Justiz“, heißt es in einer Stellungnahme. Der Vorsitzende des Ausländerbeirats hält dennoch an seiner Kritik fest: „Hätte ich kein Vertrauen in das Grundgesetz, dann hätte ich den Mund gehalten“, sagt er auf taz-Anfrage. „Aber zum Glück herrscht in Deutschland Demokratie. Und das Grundgesetz gibt mir das Recht, den Staat zu kritisieren.“
„Es wird uns schwer gemacht“
Über 250 Hassnachrichten habe er seit seiner öffentlichen Kritik am Polizeieinsatz erhalten, sagt Demir, darunter zahlreiche Morddrohungen. Die Staatsanwaltschaft habe die Ermittlungen jedoch immer wieder eingestellt.
Nach der Gedenkveranstaltung für Matiullah Jabarkhil vor einem Jahr hat die Polizei Fulda vier Teilnehmer:innen wegen Beleidigung, Verleumdung und übler Nachrede angezeigt, darunter auch Stuman als Anmelderin der Demonstration. „Es wird uns auf jeden Fall so schwer wie möglich gemacht“, sagt Stuman. „Ich habe das Gefühl, dass der Rechtsstaat gegen uns verwendet wird, um alles zu unterdrücken.“
Auch die Autor*innen eines Gastbeitrags auf Belltower News haben Anzeigen bekommen, „unter anderem wegen übler Nachrede“, wie sie sagen. Die Redaktion von Belltower News erklärt in einem Vermerkt unter dem Text, dass dort ursprünglich gestanden habe, Jabarkhilsei sei durch zwölf Schüsse gestorben.
In diesem Jahr wurde ein angemeldeter Trauermarsch, bestehend aus zwei Personen, von der Stadt Fulda mit Verweis auf die Corona-Verordnung verboten. Das diesjährige Gedenken an Matiullah Jabarkhil findet deshalb online statt. Für die Anwaltskosten und die Finanzierung eines unabhängigen, rechtsmedizinischen Gutachtens bittet das Afghan Refugees Movement um Spenden.
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