piwik no script img

Streit der WocheSchlecker ist kein Einzelfall

Lohndumping durch Leiharbeit - das regt viele Politiker auf. Der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisiert, dass sie aber gleichzeitig strengere Regeln blockieren.

Von der Leyen: "Die Arbeit für eine Zeitarbeitsfirma ist allemal besser als Langzeitarbeitslosigkeit." Bild: apd

BERLIN taz | Der DGB hat den Regierungsparteien Scheinheiligkeit in der Diskussion um Leiharbeit vorgeworfen. "Das Problem ist, dass Union und FDP die Zustände wie bei Schlecker zwar beklagen, doch die Durchsetzung der Gleichbehandlung von Leiharbeitern und Mindestlöhne in der Branche seit Jahren blockieren", schreibt DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach im "Streit der Woche" der sonntaz. Die Niedriglöhne, die die Drogeriekette Schlecker über eine Zeitarbeitsfirma gezahlt habe, seien kein Einzelfall. "Der Fall Schlecker zeigt, dass es sich oft um systematisches Lohndumping handelt, indem reguläre Arbeitsplätze durch schlecht bezahlte Leiharbeit ersetzt werden."

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) kündigte an, gegen Missbrauch von Leiharbeit vorzugehen: "Ich werde dafür sorgen, dass Versuche, das Gesetz zu umgehen und Zeitarbeit in Verruf zu bringen, scheitern", schreibt sie in der sonntaz. Leiharbeit sei eine gute Idee, die nicht diskreditiert werden dürfe. "Wir brauchen die Zeitarbeit, gerade weil sie für diejenigen Arbeit ermöglicht, die sonst kaum Chancen haben", erklärte sie. "Die Arbeit für eine Zeitarbeitsfirma ist allemal besser als Langzeitarbeitslosigkeit, Schwarzarbeit oder 400-Euro-Jobs."

Heinrich Kolb, stellvertretender Vorsitzender und Sozialpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, ist überzeugt vom Konzept der Leiharbeit: "Die Leih- oder Zeitarbeit ist ein sehr flexibles Instrument der Kapazitätsanpassung und für viele Unternehmen in Phasen unsicherer Umsatzerwartungen absolut unverzichtbar." Leiharbeit sei ein wichtiger Jobmotor: "In der Frühphase des letzten Aufschwungs sind bis zu 75 Prozent der neuen Arbeitsplätze in der Leiharbeit entstanden." Für viele sei Leiharbeit eine Brücke zur Festanstellung: "Viele zunächst entliehene Arbeitnehmer wurden in der Folge vom Entleiher übernommen und haben dort eine Festanstellung gefunden."

Bild: taz

Den ganzen "Streit der Woche" lesen Sie in der aktuellen vom 16./17.1.2010 entnommen - ab Sonnabend gemeinsam mit der taz am Kiosk erhältlich.

Auch der Arbeitssoziologe Hajo Holst von der Universität Jena hält Leiharbeit unter Umständen für ein "sinnvolles Flexibilisierungsinstrument". Er ist aber nicht überzeugt von der Umsetzung: "In ihrer jetzigen Form öffnet die gesetzliche Regulierung dem Missbrauch Tür und Tor." Mit dem Ersetzen von Stammbelegschaft durch Leiharbeit reduzierten die Betriebe die Lohnkosten und umgingen den gesetzlichen Kündigungsschutz. In der Folge seien die Leiharbeiter doppelt benachteiligt: "Auch bei gleicher Arbeit verdienen sie weniger als ihre festangestellten Kollegen und müssen zugleich einen Teil des unternehmerischen Risikos tragen."

In der sonntaz äußern sich in Kurzbeiträgen zur Leiharbeit Olaf Scholz von der SPD, Klaus Ernst von der Linken, ein Discounter-Anwalt, taz.de-User Hardy Klag, ein Betriebsrats-Anwalt und Ulrich Walwei, Vizedirektor des Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

15 Kommentare

 / 
  • A
    Amos

    Zeitarbeit wäre das richtige Instrument für die Politik. Politiker die zu lange im Amt, sind ohnehin nicht mehr zu gebrauchen.Und zu Ersetzen sind sie allemal. Die "Ackermänner" bestimmen sowieso was gemacht werden soll. Und Schulden machen, weil man zu feige ist, eine anständige Steuer-und Abgabenpolitik zu

    machen kann man jedem "Büttenredner" überlassen

  • S
    Stefan

    Was die Damen und Herren Politiker da von sich geben, klingt ja auf den ersten Blick gar nicht mal so schlecht. Leiharbeit als Einstieg in einen richtigen Job. Es ist durchaus lobenswert, wenn das Modell tatsächlich auf diese Art und Weise funktioniert. Doch leider vergessen die Macher dieser Beschäftigungsmöglichkeit, dass nicht jedes Unternehmen darauf aus ist, den armen Menschen zu helfen, die einen Job suchen. Es geht den meisten doch wohl eher darum, möglichst wenig Geld für gleiche Arbeit auszugeben. Und daran scheitert das Projekt Leiharbeit zutiefst.

    Denn allzu oft werden Leiharbeiter als schlichtweg billige Arbeitskräfte eingesetzt - und entsprechend auch behandelt. Oft werden solche Arbeitnehmer von den Arbeitgebern nicht anders als billige ABM-Kräfte angesehen.

    Was die Politiker und sonstigen Befürworter zudem oft vergessen oder es einfach nicht sehen wollen: Mit der Leiharbeit fallen viele Privilegien der Grundsicherung weg. Ich selbst befinde mich ebenso in einem solchen Arbeitsverhältnis. "Konzernleihe" nennt man das offiziell und hat das Ergebnis zur Folge, dass ich zwar die volle Arbeit abliefern soll, dafür aber weitaus schlechter bezahlt werden wie all jene, die exakt die gleiche Arbeit leisten. Wenn es um Absicherungen fürs Alter oder die einfachsten Versicherungen geht, muss ich komplett selbst schauen, wie ich das finanziert bekommen soll, während meine "Kollegen" wunderbar über entsprechende Institutionen abgesichert sind, in die ich aufgrund meines offiziellen Status' nicht aufgenommen werden darf. Hinzu kommt, dass es keinen Betriebsrat gibt, an den ich mich wenden kann, weil ich als Leiharbeiter von Außen ja eigentlich nichts mit dem Konzern zu tun habe. Die Firma, in der ich auf dem Papier tätig bin, wird zudem so klein gehalten, dass die Gründung eines eigenen Betriebsrates von Gesetzes Wegen nicht erlaubt ist. Darauf zu warten, dass ich bald mehr Kollegen dort habe, ist ebenso obsolet, da mal schnell eine neue Sub-Firma gegründet wird, ehe die Mitarbeiterzahl an die magische Grenze gelangt.

     

    So gesehen, liebe Damen und Herren Politiker: Auf den ersten Blick, in euren Akten, da sieht die Leiharbeit sicherlich gut aus und erfüllt ihren Zweck. Doch die Realität unterscheidet frappierend davon. Und darauf kommt es doch eigentlich an, oder nicht? Wobei... Realitätssinn vermisst man in der Politik ja nur all zu oft. Politiker müsste man sein. Das scheint der einzige Beruf in diesem Land zu sein, der krisensicher ist, solange man nur weiß, wie man Zweifler von sich fern hält.

  • MH
    Manfred Hilse

    Die ganze Diskussion über Lohndumping ist schon recht verlogen , zumindest was die Politik angeht.

    So lange die öffentliche Hand Aufträge nur an den billigsten Bieter vergibt , sind erstens Unternehmen , die vernünftige Löhne zahlen von vorne herein außen vor und zum 2. wird es am Schluss teuer. Billig kauft eben 2 mal.

    Mein Vorschlag ist , öffentliche Aufträge nur an Firmen ,die Tariflöhne zahlen, zu vergeben. Dann brauchten wir auch keine Mindestlöhne.

  • IS
    Ihr sven fäth

    das regt viele Politiker regt auf. Der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisiert, dass sie aber gleichzeitig strengere Regeln blockieren.

     

    mich regts auch auf .

     

    schönen Tag..

  • TR
    thomas rößner

    es ist doch immer das gleiche, auf breiter Fläche setzten sich Ausbeutertum und ungleiche Gewinnverteilung immer weiter durch. Warum? Weil das so gewollt ist! Die Aufgabe der verschiedenen Oppositionen besteht doch lediglich darin, den unterschiedlichen Schichten der Bevölkerung eine "Stimme" zu geben und sie so bei der Stange zu halten. Ich denke, dass ein Betrachten dieser Entwicklungen aus einer gewissen Distanz heraus ganz brauchbare Einsichten liefern kann. So ist das nun einmal im Kapitalismus! Wer also Zustände wie bei SCHLECKER kritisiert, sollte glaube ich immer auch versuchen die ursächlichen Zusammenhänge mit einzubringen. Ich will nicht urteilen, allerdings schmecken mir persönlich die "Früchte" unseres Wirtschaftssystems immer weniger und da bin ich einer unter vielen. Die Lösung ist ganz einfach, lass sein was uns nicht gut tut! Leider sind unsere Volksvertreter keine Volksvertreter deshalb wird sich auch unter den momentanen Voraussetzungen nichts ändern! schönen Tach noch...

  • J
    Jule

    ...das regt viele Politiker regt auf ????

    Anscheinend muss ich noch etwas lernen, bevor ich linke Argumentation verstehen kann.

  • W
    WeedWeed

    "das regt viele Politiker regt auf."

     

    und macht bitte die affenmaske mit dem telefon weg,

    ich kanns nicht mehr sehen, das alte desing war auch

    besser, strengt euch generell mehr an, danke!

  • M
    mary

    ich finde es ein unding das union/fdp immer wieder behaupten das leiharbeit eine festanstellung mit sich bringt,genau das ist in den meisten fällen eben nicht der fall,genausowie die lüge mindestlohn würde arbeitsplätze kosten,wenn gebäudereiniger einen mindestlohn hätten,müssten die gebäude doch noch genauso gereinigt werden müssen wie vorher auch u die arbeitgeber die leute nur aufgrund von mindestlohn rauschmeissen wie waren es dann auch nicht wert,es kann doch nich sein das man arbeiten geht u trotzdem nicht davon leben kann!

  • JK
    Jörg Krauß

    Dieser ganze scheinbare Bürokratieabbau staatlicherseits hat doch u.a. dazu geführt, das sich eine große Zahl von Personalagenturen und Zeitarbeitsfirmen Anfang des Jahrzehnts gegründet hat.

    Justamente fast zeitgleich Arbeitgeberverband Personalagenturen und Christliche Gewerkschaften,die das kapitalorientiert umgesetzt haben, was Ihnen die Politik (Rot-grün!!) als Gesetzesvorlagen zu HartzIV an die Hand gegeben hat.

    Wer bezahlt den die zusätzlichen Gewinne der beteiligten Unternehmen und der Agenturen? Die Differenz der Stundenlöhne der schlechter bezahlten Zeit- oder Leiharbeitskräfte werden aufgeteilt zw. Stat, Unternehmen, Christlichen Gewerkschaften und Personalagenten.

    Die Aussage von Frau Von der Leyen, das "Die Arbeit für eine Zeitarbeitsfirma allemal besser ist als Langzeitarbeitslosigkeit" zeigt mir nur, das Ministerhopping von Amt zu Amt auch nur einem System geschuldet zu sein scheint, bei dem es nicht mehr primär um den Menschen in einer Volksgemeinschaft geht, sondern um diese Tiraden von "Worthülsen-experten", denen der Erhalt der Macht des Kapitals über alles geht.

  • W
    Winfried

    war hier fehlt ist eindeutig das "Stoppschild"

  • M
    MacGuffin

    Diese Praxis läuft doch schon seit Anfang der 90er.

    Die Gewerkschaften haben sich doch ausmüllern lassen bzw. entweder weggeschaut oder es nicht gerafft, und die Arbeiter werden um ihren gerechten Lohn gebracht.Hurra Aktionär!Und Politiker...?

  • E
    egal

    das regt viele Politiker regt auf.

  • W
    Westberliner

    Leiharbeit gehört einfach nur abgeschafft.

     

    Man muss sich das einfach nur mal vorstellen. Es werden Menschen verliehen, egal ob mit akademischen Titel oder ungelernt. Wie pervers ist diese Gesellschaft geworden?

     

    Clement, Schröder und andere Sozialverbrecher sollten ein Jahr solch einer Tätigkeit nachgehen oder HartzIV beziehen.

     

    Weiterhin muss ich feststellen, dass es mit der Kranken- und Rentenversicherung nichts wird, da die Gesetzgebenden nicht in diesen Versicherungssystemen integriert sind. Die Gesetzgebenden haben eigene Sicherungssysteme, die mehr als üppig auszahlen.

     

    Macht kaputt, was euch kaputt macht.

  • N
    Nigredo

    Streit der Woche?

     

    Es ist bloße kapitalistische Logik, dass alle nur noch Leiharbeiter einsetzen, wenn diese nicht nur weniger Rechte haben, sondern auch noch weniger verdienen. Es ist doch angesichts der aktuellen Lage geradezu dämlich, keine Leiharbeiter einzusetzen, lediglich eine medial aufgehetzte pseudomoralische Meute kann da den Geschäftserfolg noch schmälern, aber Moral ist eben kein harter wirtschaftlicher Faktor.

    Wenn wir Arbeitnehmerrechte schützen wollen, müssen wir Leiharbeit drastisch verteuern, so dass diese wirklich nur ein Mittel ist, Produktionsspitzen abzufangen und nicht die gesamte Belegschaft darauf umzustellen (so wird es ja andernorts auch gemacht)

  • R
    Ravenbird

    Leiharbeit ist bis auf ganz wenige Ausnahmen in meinen Augen komplett abzulehnen. Bei diesen Ausnahmen handelt es sich um Leiharbeit von Spezialisten die dafür entsprechend entlohnt werden, sprich wesentlich mehr als fest angestellte Arbeitnehmer verdienen und auch andere Vergünstigungen bekommen. In diesem Fall macht Leiharbeit Sinn, ansonsten nicht!

     

    Leiharbeit außerhalb dieser Ausnahme hat in meinen Augen einzig und allein den Sinn feste Arbeitsplätze in Unternehmen abzubauen sowie die Löhne und Gehälter zu drücken.