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Streit der WocheHaben wir das weltbeste Gesundheitssystem?

Wer in Deutschland krank ist, geht zum Arzt, wird behandelt – und muss als gesetzlich Versicherter keine Rechnung zahlen. Haben wir das beste System?

Nun wird das Gesundheitssystem operiert. Bild: dpa

Die Bundesregierung will das Gesundheitssystem reformieren. Deshalb kommt die Regierungskommission zur Gesundheitspolitik in der nächsten Woche zum zweiten Mal zusammen: Gesundheitsminister Philipp Rösler und sieben weitere Bundesminister suchen eine Lösung, wie man die Finanzen der gesetzlichen Krankenkassen in den Griff kriegen kann. Ziel ist es, die Versicherungsbeiträge vom Lohn zu entkoppeln.

Seit Jahren steigen die Krankenkassenbeiträge. Das deutsche Gesundheitssystem ist leistungsfähig, aber teuer - so beschreibt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die Lage. Deutschland gibt 1,5 Prozent mehr Geld für Gesundheit aus als der OECD-Durchschnitt. Gründe sind eine hohe Zahl an Krankenhausbetten, hohe Ausgaben für Medikamente, hohe Ärztehonorare und hohe Verwaltungskosten. Oder sind wir vielleicht selbst schuld? Studien zeigen: Kein anderes Volk geht so oft zum Arzt wie die Deutschen.

Der Bedarf an Ärzten steigt, denn die Menschen werden immer älter. Doch auf dem Land herrscht schon jetzt Ärztemangel. Nach Berechnungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung könnten auf dem Land 3.600 Stellen sofort besetzt werden. Gesundheitsminister Philipp Rösler hat Anfang April vorgeschlagen, den Numerus Clausus im Medizinstudium abzuschaffen.

Auf der anderen Seite sind fast 90 Prozent der Deutschen gesetzlich krankenversichert und somit vor den Folgen von Krankheiten geschützt. Wer ins Krankenhaus kommt, muss hierzulande keinen Kredit aufnehmen. Davon können andere Länder nur träumen. Rund 32 Millionen US-Bürger hatten bisher keine Krankenversicherung. Dies soll sich nun durch Obamas Gesundheitsreform ändern. Rund 60.000 Patienten kommen jährlich aus dem Ausland, um sich in Deutschland behandeln zu lassen. Selbst werdende Mütter fliegen ein, um sich zur Entbindung in die Hände der gut ausgebildeten Ärzte zu begeben.

„Wir haben in Deutschland schon das beste Gesundheitssystem der Welt, das hat seinen Preis und insofern ist der Nutzen hoch“, sagte Gesundheitsökonom Thomas Drabinski von der Uni Kiel im Deutschlandfunk-Interview zum Thema Kosten-Nutzen-Relation.

Laut der Deloitte-Studie „2010 Global Survey of Health“ ist die Mehrheit der Deutschen mit ihrem Gesundheitssystem zufrieden. Doch nur 17 Prozent geben ihm die Note „sehr gut“ oder „gut“: Aus Sicht der Befragten muss vor allem der Zugang zu und die Wartezeiten für Behandlungen verbessert werden.

Wir nörgeln über unser System, für das andere uns beneiden. Was meinen Sie – haben wir das weltbeste Gesundheitssystem?

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12 Kommentare

 / 
  • T
    TheJoke

    Ich lag mal eine Nacht und einen Tag auf einer "Inneren" Station mit Kassenpatienten, ich selbst bin privat versichert.

     

    Nun weiss ich: Das System taugt nichts.

     

    Kassenpatienten brauchen einen Anwalt an Ihrer Seite, damit sie nicht verarscht werden und die nötige Behandlung bekommen.

     

    Privatpatienten brauchen einen Anwalt an Ihrer Seite, damit sie nicht jede noch so abwegige Untersuchung verkauft bekommen und wenigisten mal ein paar Minuten Ruhe haben.

     

    Zumindest sind sich beide wieder sozial vereint, das Personal ist gleich inkompetent - unabhängig vom Versicherungsstatus.

     

    Ich kann das gerne mit ein paar Anekdoten hinterlegen.

  • ER
    Elsbeth Ruetten

    "Haben wir das beste Gesundheitssystem?"

    Aus welcher Sicht soll dies betrachtet, behauptet werden?

    Zumindest ist es ein Markt! Ein Markt mit steigenden, hohen Preisen, hohen Renditen und bereits jetzt vielen fleißigen SelbstzahlerInnen.

    Besonders im höheren Lebensalter.

    Bei Menschen mit kleinen Einkommen, knapp oberhalb der Grundsicherung.

    Aber auch dann, wenn beispielsweise nach einem Krankenhausaufenthalt der Genesungsprozess als Single allein zu bewerkstelligen ist.

    Wenn Familie oder Freunde keine Zeit haben, berufstätig sind, in der Welt unterwegs sind.

     

    Das erste halbe Jahr einer Erkrankung ist längst in vielen Situationen eine private, kostenintensive Angelegenheit, wenn keine Zusatzversicherung die anfallenden Kosten auffängt. Egal in welchem Lebensalter.

    Nicht minder spannend bleibt die Beantwortung der Frage: Ob der Genesungsprozess in einer ambulanten Gesellschaft noch zur Krankheit gehört.

    Nur (noch) wenige Kassen geben hier angemessene Antworten, in Form einer Satzungsleistung.

     

    Erst vor knapp drei Wochen, am 24./25. März 2010 entschieden Petitionsausschuss und Deutscher Bundestag, dass die Petition "Häusliche Krankenpflege - Ambulante Nachsorge" in zukünftigen Gesetzeslagen Berücksichtigung finden sollte. Soviel zu einigen Symptomen unseres Gesundheits- oder Krankheitssystems.

    Elsbeth Rütten, Verein Ambulante Versorgungslücken e. V.

  • V
    vic

    Mir ist das Gesundheitssytem der ganzen Welt nicht bekannt.

    Ich kenne nur dieses und ich verfüge über sehr viel persönliche Erfahrung damit. Unterm Strich können wir zufrieden sein denke ich.

  • H
    hto

    "Gesundheitssystem" - angesichts von zeitgeistlichem Zynismus zunehmend ein Krankheitssystem!?

  • R
    Raven

    Haben wir das beste Gesundheitssystem der Welt? Wen juckt das?

     

    Wenn der Rest der Welt Kopfschmerzen mit Keulenhieben kuriert, "mein" Land hingegen mit der viel sanfteren "Sand auf den Kopf rieseln" Methode, habe ich das beste Kopfschmerzprogramm der Welt...und es ist trotzdem Murks.

     

    Daher halte ich nichts davon, Qualität durch Vergleiche zu bestimmen.

     

    Objektiv betrachtet macht das deutsche Gesundheitssystem schon eine Menge richtig.

     

    Wenn 90% der Bevölkerung krankenversichert sind (habe ich jetzt nicht überprüft), sind wir schon recht gut aufgestellt. Bleiben noch 10% zu klären, aber Verbesserungsmöglichkeiten gibt es immer.

     

    Das System kostet zu viel, heißt es. Nun, dass ist zum einen auch wieder so eine Vergleichssache ("Die Keulen sind viel billiger, weil wiederverwertbar!") zum anderen aber sicher auch richtig.

     

    Warum kostet es zu viel, dass sollte die eigentliche Frage sein. Bei einer so großen Abdeckung sollte man eigentlich erwarten, dass die Bevölkerung ziemlich gesund und somit "kostengünstig" ist, oder?

     

    Das liegt zum einen natürlich daran, dass derzeit viele Leute alt sind, die mit ziemlich schlechten Bedingungen aufgewachsen sind. Wer (als besonders krasses Beispiel) immer noch Granatsplitter mit sich herum schleppt, Körperteile oder gar Organe vermisst, der in der wichtigsten Entwicklungsphase hungern musste etc., der wird im Alter mehr kosten als jemand, der ein Leben hatte wie ich.

     

    An diesem Problem können wir nicht viel machen und sollten es auch nicht.

    Wo wir anpacken können ist bei der Prävention, z.B. der Diabetes Vorsorge.

    Ein noch so lückenloses Gesundheitssystem nutzt uns nichts, wenn der "normale" Lebensstil krank macht. So lückenlos kann ein Gesundheitssystem gar nicht sein, dass es damit klar kommen könnte 2/3 der Bevölkerung (Auf lange Sicht) chronisch zu therapieren.

     

    Dann wird immer wieder ins Feld geführt, dass viele Deutsche zum Arzt gehen, obwohl sie es nicht müssen.

    Kann ich für mich nicht nachvollziehen, aber wenn ich alle paar Jahre bei einem Arzt vorbei schaue sehe ich tatsächlich die immer gleichen meist älteren Menschen, die scheinbar nur zum Arzt gehen um nicht zu vereinsamen.

     

    Ein Schelm wer postuliert, dass hier das Gesundheitssystem die mangelnde Altenversorgung (nicht nur des Staates) ausgleicht ;-)

     

    Was gibt es noch zu bemäkeln, ah, Heilpraktiker. Auch so ein auslaufendes Problem. Nicht, weil der Beruf des Heilpraktikers ausläuft, sondern weil die Prüfung inzwischen erheblich besser geworden ist. Leider laufen in Deutschland tatsächlich eine Reihe Heilpraktiker herum, die der tatsächlich fähigen Mehrheit den Ruf verderben. Aber da die neue Prüfung solche Leute aussieben sollte, wird dieses Problem auch immer kleiner werden. Allgemein können Heilpraktiker sogar kostensenkend wirken, gerade im Bereich der Prävention von richtig teuren chronischen Leiden.

     

    Medikamentenkosten, auch so ein Thema zu dem schon viel gesagt wurde. Sind Medikamente zu teuer? Schwer zu beurteilen, zumal von außen, aber da Pharmakonzerne in einem begrenzten Markt jährliche Gewinnsteigerungen schaffen müssen, ist davon auszugehen, dass sie zumindest nicht billiger werden.

     

    Also einfach abwarten und Tee trinken?

    Kann man machen, muss man aber nicht. Gibt ja noch genug zu tun:

    - Krankmacher identifizieren und vermeiden. Gesunde Menschen sind die wirksamste Entlastung des Gesundheitssystems.

    - Gesundmacher identifizieren und fördern. Gleicher Grund wie bei den Krankmachern.

  • A
    artemidor

    1. Was ich bemängele, ist nicht die Qualität, sondern, daß der Patient nicht dazu angehalten wird, die Sinnhaftigkeit der Behandlung selbst zu beurteilen. Dies kann dadurch bewirkt werden, daß er zunächst einmal selber die Rechnung für die Kosten bekommt, die er nolens?/volens? verursacht. Solange er selber keine Kostentransparenz hat, ist der Gesundheitsmarkt für ihn ein Jahrmarkt mit Freifahrtschein. Daß dies zu hohen Kosten und Überangebot führt, scheint mit offensichtlich.

    2. Ein zweiter Schritt wäre dann, ob die Versicherungen alle Kosten übernehmen müssen oder bestimmte Pakete für Grundversorgung+diverse Zusatzversorgungen schnüren.

    Der Vorteil für den Patienten wäre, daß er entscheiden kann, welche Kosten die Versicherung schultern soll und welche Risiken er durch Eigenvorsorge selber schultern will.

    3. Bei den meisten Fällen medizinischer Versorgung steht nicht fest, welche Maßnahme die beste ist. Ärzte-Springen, Apparatemedizin, Medikamentisierung für alle möglichen Symptome und Syndrome führen nicht zwangsläufig zum Ziel. Das meinte ich mit meiner Eingangsbemerkung über die notwendigkeit eines eigenen begründeten Urteils. Dafür muß man aber Kostentransparenz und Kostenverantwortung haben.

  • M
    Meinungsäußerer

    @ Master of Public Health

     

    Wenn man keine Ahnung hat.... einfach mal Fresse halten. Wolltest Du doch sagen, oder?

     

    Hat sicher von Zeit zu Zeit was für sich, aber generell geht das nicht.

     

    Die meisten Journalisten sind selber natürlich keine Experten für die Themen, über die sie berichten (sondern eben Journalismus-Experten). Trotzdem berichten und beurteilen sie. Und das sollen sie ja auch. Teilweise leider mit katastrophal lächerlichen Resultaten. Teilweise aber auch hochhervorragend (darum lese ich die taz - da findet man immer so schön beides).

     

    Außerdem kann es auf keinen Fall angehen, die Beurteilung gewisser Sachverhalten und Themen immer nur "den Experten" zu überlassen. Die haben üblicherweise trotz großen Wissens sehr unterschiedliche Meinungen.

     

    Ich habe jedenfalls keine Lust, als Nicht-Experte immer schön die Klappe zu halten. Gesellschaftspolitisch wäre das sicher der GAU.

  • FR
    Florida Rolf

    hast kohle,wird dir nücht kalt....

  • MO
    Master of Public Health

    Um die Titelfrage angemessen und fundiert beantworten zu können, müßte der Leser wahlweise ein Experte für internationalen Gesundheitssystemvergleich sein oder an massiver Selbstüberschätzung leiden.

     

    Allein das deutsche Gesundheitssystem ist derart komplex, dass mittlerweile schon fast ein Public Health-Studium erforderlich ist, um seine Funktionsweise ansatzweise erfassen zu können.

     

    Es wäre sinnvoller zu fragen, ob wir ein gutes System haben. Ob es gleich das weltbeste sein muss...?

     

    Wenn man den primitiven Vergleich mit Ländern, die sich gar kein Gesundheitssystem leisten können, anstellt, liegt die Antwort wohl auf der Hand.

     

    Strebt man dagegen den Vergleich mit den Systemen Großbritanniens, der skandinavischen Länder, der Schweiz, Kanadas, Saudi-Arabiens, etc... an, dürfte es schon deutlich schwieriger werden.

     

    Mich interessiert jetzt vor allem, ob es gelingen wird, einen Leser zu finden, der zu dem Thema tatsächlich was vernünftiges zustande bringt...

    ich trau mir das - trotz abgeschlossenem MPH-Studium - auf keinen Fall zu.

  • N
    Name

    Teilweise Ja! Anderer seits. Sollte einfache Dinge wie Verbandlegen und Heilkunde von Kraeutern und Ernaehrung in der Schule eingefuehrt werden. Zuviel ist von Maenner Frauenr Pflegern Schwestern Aerzten Laboranten Proffessorn abhängig. Die Macht derrer ist zu groß.

     

    Der DIY Do it Yourself gedanke fehlt oft.

     

    hier muss in der Schule schon eingebildet werden. Schueler, sollten selber schauhen welche Gesundheitvorsorge gut fuer sie waere, und sie neben der Versicherungsabsicherung entwickeln.

     

    Die Alternative Heilpraktiker. Erstens isind die oft zu weit weg mit ihren Theorien. Teils hilft das auch nicht. Wichtig ist, Heilend Leute zu haben die Wunden und andere Wehwehchen heilen koennen ohne eine Krankneversicherung zu haben.

     

    Die vielen Nonsense Theorien auf dem ESO MArkt. UNd Geundheitsmarkt. Machen es schwer zu sagen wir haben ein gutes Gesundheitssystem. Eines unserer Prolbeme aber auch staerken ist die hohe Technologische Medizinische Anwendung. Das ohne Technik, High Tec nichts funktioniert.

  • P
    Peter

    Die Versorgung ist gut in Deutschland. Aber die Finanzierung der Versorgung von 90% der Bevölkerung ausschließlich aus den Arbeitseinkommen und gesetzlichen Renten ist sicherlich ungerecht.

  • M
    Marcus

    Das Sytem ist das "weltbeste" System der Welt...klar einige Punkte könnten verbessert werden, aber als Gesamtsystem ist es einfach Spitze...komischerweise sind die Nörgler meistens die, die es sehr häufig nutzen (nicht benötigen), keinen Vergleich kennen und nicht die super Einzahler sind...!