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Streit der WocheWählen wir zu oft?

Ständig wird gewählt. In Europa, im Bund und den Ländern. Regierungen scheuen unliebsame Entscheidungen, droht dafür doch stets die Abstrafung bei der nächsten Wahl.

Die Qual der Wahl. Ständig müssen wir uns entscheiden, ständig stellen wir der Politik ein Zeugnis aus. Das lähmt. Bild: dpa

BERLIN taz | Dass die Steuersenkung doch nicht kommt, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) genau einen Tag nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Bis dahin wirkte die schwarz-gelbe Koalition wie vor Angst erstarrt. Auch über das ganze Ausmaß der Griechenland-Krise und die Konsequenzen für den deutschen Steuerzahler schwieg sich Merkel so lange wie möglich aus. Man wollte den Wähler kurz vor einer so wichtigen Wahl ja nicht verschrecken.

„Ein Stimmungstest für die Regierung“ - tönt es vor beinahe jeder Landtagswahl. Es lähmt die Politik, wenn alle paar Monate ein Zwischenzeugnis ausgestellt wird. Wenn sich nach der Wahl dann noch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat verschieben, geht es meist gelähmt weiter. Echte Regierungsarbeit scheint unmöglich.

Altbundespräsident Roman Herzog forderte vor zwei Jahren, Termine für Europawahl und Landtagswahlen zusammenzulegen und die Legislaturperiode im Bund auf fünf Jahre zu erhöhen. Ähnliche Forderungen gibt es seit Jahren von Politikwissenschaftlern und Verfassungsrechtlern. Ein weiteres Argument für sie: Der Dauerwahlkampf der Parteien und die Aufforderung an die Bürger, ständig zu entscheiden, führe nach und nach zur Politikverdrossenheit und Wahlmüdigkeit.

Bild: taz

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Auf der anderen Seite wird argumentiert, dass die Wähler in Deutschland froh sein müssen, demokratisch wählen dürfen. Ein nicht selbstverständliches Recht. Dass Politiker unliebsame Entscheidungen vor Wahlen scheuen, liege zudem nicht an der Vielzahl der Wahltermine sondern an den führungsschwachen Politikern.

Was meinen Sie – Wird in Deutschland zu oft gewählt?

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19 Kommentare

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  • J
    jan

    In einer echten, also in einer direkten Demokratie könnte man die Wahltermine problemlos zusammenlegen. In unserer unvollkommenen Parteiendemokratie jedoch ist das laufende Plebiszit der Landtagswahlen ein wirkungsvoller und extrem sinnvoller Schutz, der sicherstellt, dass die Interessen des Souveräns von diesem furchtbaren Parteiensystem nicht noch mehr mit Füßen getreten werden.

  • J
    Jooooooo

    Erhöhte Transparenz und mehr Verantwortung bei Entscheidungsträgern wären wünschenswert. Die Wahltermine für Bundestags-, Landtags- und Europa innerhalb eines sehr kurz bemessenen Zeitraum zu legen könnte ein Weg sein, genau das zu erreichen und wäre deswegen meinesachtens wünschenswert.

    ____________________________________________________

    Meinesachtens wäre es außerdem angebracht, Nichtwähler ebenfalls in das Parlament einzubinden, da eine Nicht-Beteiligung an einer Wahl ebenfalls eine politische Wahl sein kann. Ich habe mich zB bei der Bundestagswahl nach sehr langer Überlegung dazu entschlossen, nicht zu wählen, da ich mich von keiner ernst zu nehmenden Partei repräsentiert fühle. Was teilweise auch an dem komplett inhaltslosen Wahlkampf gelegen hat.

  • C
    claudia

    >>...als sich einfach mal auf ihre Aufgaben zu konzentrieren!

  • K
    Karl

    Das Problem ist, dass den Politikern die Macht und Prestige beim Volk wichtiger ist als sich einfach mal auf ihre Aufgaben zu konzentrieren!

  • C
    claudia

    >>Sie würden in den angestänkert

  • C
    claudia

    >>weniger auf Umfragewerte oder Lobbyisten Wert legen, sondern das tun, was jeder gute Arbeitnehmer tut: einen guten Job abliefern!

  • A
    Amos

    Je mehr Wahlen, desto mehr Mist. Nach der Wahl ist vor der Wahl. Aber eigentlich hat man ja gar keine Wahl mehr. Man bekommt ja nicht mal das was man wählt. Es geht nur darum,ob nach der Wahl die Karriere stimmt. Das Volk ist danach Nebensache. Geackert wird bis man oben ist.

    Dann kommt nichts mehr- außer Selbstversogung.

  • M
    Miguel

    Kommt eine Regierung an die Macht, geht der Wahlkampf wieder von vorn los. Die nächste Landtagswahl steht ja schon bevor. In Deutschland herrscht permanenter Wettbewerb. Gut für die PR-Manager und Polit-Werbeagenturen, schlecht für uns Wähler: Egal ob Rot-Grün oder Schwarz-Gelb, keiner schafft es deshalb, seine Reformen vollständig durchzubekommen, weil die Mehrheit im Bundesrat fast immer nach der Bundestagswahl Flötten geht. Wir Wähler wählen ständig – und haben nichts davon.

  • S
    Slobo

    Wir wählen zu oft ? So ein Quatsch. Ich kann mich meinem Vorredner nur anschließen: Politik muss transparenter werden. Dazu gehört, dass Entscheidungen getroffen werden, wenn es nötig ist. Wenn eine Regierung eine Wahl abwartet, um erst danach "negative" Ergebnisse oder Entscheidungen zu veröffentlichen, dann ist das ziemlich hinterhältig und feige. Anders kann man das nicht ausdrücken. Würden wir seltener wählen, könnten die Politiker ja machen was sie wöllten, weil sie keine Konsequenzen fürchten müssten. Das darf nicht sein.

     

    Es fehlt der aktuellen Regierung wirklich an Führungsqualität wie es im Artikel bereits angeklungen ist. Ein Politiker mit Transparenz, Mut und Vision, der diesen Staat leitet und vorwärts bringt (so gut es geht), den wünsche ich mir lieber Weihnachtsmann :D

  • J
    Julia

    " Nur so käme Deutschland entlich mal vorran. Unser Föderalismus und die 100 Wahlen jedes Jahr schaden nur unserem Land!"

    Ich bin entschieden anderer Meinung: Ich denke, dass der Föderalismus Deutschland gut tut und demokratische Strukturen fördert. Ich bin auch nicht genervt davon öfter als 1 Mal in 4 Jahren wählen gehen zu müssen -

    im Gegenteil. Außerdem denke ich nicht, dass eine Kommunalwahl besonders große Auswirkungen auf die Bundespolitik hat. Und wenn eine Landtagswahl bewirkt, dass sich die Bundeskanzlerin plötzlich für eine andere Steuerpolitik entscheidet, find ich das super.

  • V
    vic

    Bundes-und Landtagswahlen müssen am gleichen Termin stattfinden. Wahlkampfkosten müssen gedeckelt und Wahlkampflügen Konsequenzen haben.

    Evtl. Prüfung per Volksabstimmung über die Regierungspolitik alle zwei Jahre.

    Kein Sponsoring mehr.

    Politik hinter verschlossenen Türen muss ein Ende haben, ebenso geheime Untersuchungsausschüsse.

    Konzerne oder deren Lobbyisten haben in weitem Umfeld der Politk nichts verloren.

  • S
    Stephan

    Das Problem liegt wohl eher darin, dass wichtige Entscheidungen über die Köpfe der Bürger hinweg getroffen werden. Die Kanzlerin interpretiert den Wahlausgang in NRW so, dass der "Bürger" keine Steuersenkungen wolle. Dabei wurde doch nur in NRW gewählt. Wenn sie wirklich wissen will, ob der "Bürger" Steuersenkungen will oder nicht, warum führt sie dann keine Volksabstimmung durch? (Vermutlich, weil sie das Ergebnis ohnehin schon kennt) Überhaupt müsste der eigentliche Souverän viel häufiger befragt werden. Das würde (hoffentlich) auch mehr Menschen motivieren, sich mit den gesellschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen. Derzeit bekommt man bei einer Wahl aber nur eine Handvoll Pakete angeboten, die man so nehmen muss, wie sie sind.

  • J
    Jörn

    Ich stimme Vorredner Andi H. voll und ganz zu. Nicht die Wahlen sind das Problem, sondern die Politiker. Sie stehen nicht zu ihren Wahlversprechen / Parteiprogrammen / usw. sondern drehen sich bei näher rückenden Wahlen nach dem Wind. Wenn die nächsten Wahlen in etwas weiterer Ferne liegen wird oftmals gnadenlose Lobbypolitik auf Kosten der Bürger / Verbraucher / Kinder / Umwelt betrieben.

     

    Deshalb begrüße ich es ausdrücklich, wenn sie die Politiker bei den häufigen Wahlterminen öfter nach dem Bürgerwind drehen müssen. Ansonsten hätten wir doch schon längst die Laufzeitverlängerung der AKWs, die Kopfpauschale und weitere von der Mehrheit der Bürger abgelehnte Ideen.

     

    Das Problem der Politikverdrossenheit begründet sich meiner Ansicht nach darin, dass es für den Wähler immer unübersichtlicher wird, welche politischen Entscheidungen gut oder schlecht für ihn sind. Die meisten Medien klären nicht auf, sondern verwirren mit belanglosen Meldungen nur oder verbrieten lieber die Lügen der Politiker und Lobbyisten.

     

    Das man nicht mehr weiß, wem man glauben soll, hat sich doch am Besten bei der Schweinegrippe gezeigt. Da haben sogar renommierte Institute das Lügenlied der Pharmaindustrie gesungen. Nur wer sich die Mühe gemacht hat, alle Meldungen miteinander abzugleichen und kritische Meldungen zu sammeln, konnte sich ein halbwegs objektives Bild machen (siehe auch http://www.youtube.com/watch?v=h1oFDkdUbM0 ).

     

    Wir brauchen mehr Aufklärung und weniger Volksverdummung. Wir sind "overnewsed but underinformed"

     

    Mein Vorschlag: Den letzen Monat vor einer Wahl sollte man anstatt Nachrichten lieber alle Videos von Volker Pispers ansehen. Dann weiß man welche Parteien man auf keinen Fall wählen wird.

  • M
    mcbrx

    Das liegt doch wohl eher daran, daß der Bürger durch Wahlen kaum Möglichkeiten hat, entscheidende Dinge zu beeinflussen. Die Politik ist selten ehrlich, macht letztendlich was sie will, stellt ihre Koalitionen teils entgegen dem Wählerwillen zusammen oder läßt sich durch "Zwänge" leiten - und das im Falle des Scheiterns ohne Folgen für die Politiker.

     

    Insofern wählen wir noch viel zu selten, es gibt keine Volksentscheide oder eine Form von Internetdemokratie.

     

    Natürlich würden zB die "Rettungspakete" der letzten Zeit, die wohl unsere Zukunft und die unserer Kinder verbrennen, kaum dem Volkswillen anheimgestellt werden - und welcher Anteil der Bevölkerung interessiert sich denn (derzeit) wirklich dafür?

  • DS
    Detlef Sax

    Die verschiedenen Wahlen möglichst auf einige wenige Termine zusammenzufassen ist keine schlechte Idee.

    Dann aber bitte auch ein jährliches Scherbengericht wo das Volk über die sog. Entscheidungsträger abstimmt und Versager in die politische Wüste schicken kann. Bei den ganzen Parteien fällt mir immer das Peter-Prinzip ein. Das die Unfähigsten parteiintern in Positionen gewählt werden.

    Ich möchte keine Parteien sondern Persönlichkeiten wählen oder zumindest unfähige, zynische oder korrupte Minister abwählen können.

    Sorry kein Recall.

     

    Gruß

    D.S.

  • JS
    J. Seaman

    Vielleicht wählen wir insgesamt zu selten!

    In der heutigen Zeit der schnellen Informationen entspricht eine Wahl, die an einem Tag statt findet, aber eine Entscheidung für 4-5 Jahre fällt, eher einer Lotterie als einem Meinungsbildungsprozeß. Gut platzierte Pseudoskandale bewirken kurzfristige Meinungsumschwünge, die für die Zeit der Legislaturperiode eingefroren werden.

    Da eine Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit (Vermeidung schneller Informationen) nicht in Betracht kommt, muß man das System gegen die Auswirkungen dieser schnellen Informationen puffern.

    Hier könnte ein Konzept einer dynamische Stabilität helfen. Jedes Jahr wählen z.B. ein Viertel der Wahlberechtigten ein Viertel der Abgeordneten des Bundestags neu. Dadurch verändern sich die Mehrheitsverhältnisse nicht schlagartig, sondern kontinuierlich. Natürlich kann man sich auch andere Spielarten der gleichen Art vorstellen.

  • E
    end.the.occupation

    >> Echte Regierungsarbeit scheint unmöglich.

     

    Genau. Es ist eben viel schwieriger die Interessen und die Zukunft des angeblichen Souveräns - des gemeinen Volks - an die Finanzindustrie auszuverkaufen, wenn man den Pöbel andauernd an die Urnen lässt.

     

    Also - lasst uns den Souverän fesseln und knebeln - und ihm dabei die Ergüsse Stefan Reineckes vorlesen, damit er auch begreift - warum das für ihn das Beste ist.

  • AH
    Andi H

    "Der Dauerwahlkampf der Parteien und die Aufforderung an die Bürger, ständig zu entscheiden, führe nach und nach zur Politikverdrossenheit und Wahlmüdigkeit."

     

    Das glaube ich nicht! Die Feigheit der Politker, das Interesse selbiger einzig und allein an Umfragewerten und die Heuchelei führen zur Politikverdrossenheit und Wahlmüdigkeit.

     

    Die Damen und Herren der Politelite sollen sich mal zusammen reißen und "Tabubrüche" wagen - frei nach dem Motto: "Jetzt wird regiert; ohne Rücksicht auf Verluste."

     

    So wie ich das sehe, sind nicht die vielen Wahlen ein Problem; diese zeigen wenigstens, dass keine Parteigenossen im politischen Leben hin und wieder eine hörbare Stimme für die Spitze haben. Das Problem sind die divergenten Glaubensgrund- und Leitsätze der Parteien, die sich damit in ihrer Arbeit selbst blockieren.

    Wenn jemand in der Politik erfolgreich sein und bleiben will, sollte er/sie weniger auf Umfragewerte oder Lobbyisten Wert legen, sondern das tun, was jeder gute Arbeitnehmer tut: einen guten Job abliefern! Und ganz nebenbei vielleicht auch noch die Tugenden hoch halten, die von den Kirchen und Ethikern gepriesen werden. Oder zum Fehlen selbiger stehen und ein bischen Humor zeigen, wenn man deswegen durch den Dreck gezogen wird.

  • M
    Martin

    "Auf der anderen Seite wird argumentiert, dass die Wähler in Deutschland froh sein müssen, demokratisch wählen dürfen. Ein nicht selbstverständliches Recht. Dass Politiker unliebsame Entscheidungen vor Wahlen scheuen, liege zudem nicht an der Vielzahl der Wahltermine sondern an den führungsschwachen Politikern."

     

    Blödsinn, wir wählen dann doch nicht mehr oder weniger? Sondern wir wählen die verschiedenen Ebenen an einem Tag anstatt jedes Jahr irgendwas wählen zu gehen. Eine Bündelugn der Wahltermine würde unserer Demorkatie gut tun und die Bundesregierungen egal ob Rot-Grün oder Schwarz-Gelb könnten die dringenden Reformen angehen ohne Angst zu haben 1 Jahr später wieder alle Wahlen zu verlieren. Nur so käme Deutschland entlich mal vorran. Unser Föderalismus und die 100 Wahlen jedes Jahr schaden nur unserem Land!