Streit der Woche: „Autofreie Städte! Wunderbar!“
Sollten Autos aus der Stadt verbannt werden? Fernsehköchin Sarah Wiener ist dafür. Sie will zu Fuß auf der Straße laufen und dabei die Hände frei haben.
„Sicher müssen Autos raus aus der Stadt. Ich habe seit 33 Jahren keins mehr“, schreibt der Grünen-Abgeordnete Michael Cramer in der aktuellen Wochenendausgabe der taz. Cramer sitzt für die Grünen im Europaparlament und weist darauf hin, dass seine Partei schon 1984 die Idee der autofreien Städte propagiert habe.
„Die Große Koalition wollte daraufhin den Autoanteil auf 20 Prozent senken.“ Und heute? Führe die autofixierte Stadtentwicklungspolitik ins Chaos. Bus und Bahn seien zu teuer, die Parkgebühren dafür zu billig.
Eine Innenstadt ohne lautes Hupen, ohne Abgase, die stinken, und ohne den Machtkampf zwischen Auto- und Radfahrern? Dafür mit viel Platz für Kinder, Spaziergänger und Blumenbeete?
Den Streit der Woche und viele spannende Texte lesen sie in der aktuellen sonntaz vom 24./25.3.2012. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz. http://www.facebook.com/sonntaz
Für die Sicherheit der Bürger wäre eine Einschränkung des Verkehrs wohl besser. Mehr als 3.500 Menschen sterben jährlich in Deutschland im Straßenverkehr, insgesamt gab es im Jahr 2010 knapp 2,5 Millionen Unfälle mit motorisierten Fahrzeugen, die volkswirtschaftlichen Kosten betragen laut der Bundesanstalt für Straßenwesen 31 Milliarden Euro.
„Ich kann meinen Mann küssen, ohne ihm ins Lenkrad zu greifen“
Also Kraftfahrzeuge verbannen – und alles wird gut? Nein, schreibt die Rennfahrerin Ellen Lohr. Allerdings nicht, weil sie mit ihrem Lamborghini unbedingt durch die Stadt rasen will. „Ich habe drei Kinder“, sagt sie. „Jeden, der von einer autofreien Stadt träumt, würde ich gern mit dem Maxi Cosi in der Hand zum Kinderarzt schicken, während zwei andere Kids rumnerven.“ Lohr hofft, dass die Zukunft uns eben nicht Ideen wie in London oder Turin beschert, wo die Innenstadt beispielsweise Maut kostet.
Die österreichische Köchin und überzeugte Fußgängerin Sarah Wiener sieht das ganz anders. Sie schreibt: „Autofreie Städte! Wunderbar!“ Wiener glaubt, die Menschen würden so automatisch gesünder, agiler und bewegungsfreudiger. In Italien und Südfrankreich gebe es doch schon autofreie Dörfer und Kleinstädte.
Die Erfahrung dort – wie auch in autofreien Stadtteilen in Münster oder Freiburg: Die Lebensqualität steige schlagartig. Wiener ist überzeugte Fußgängerin, das „Schlendern, Hüpfen, Eilen“, schreibt sie, sei ihre einzige Verschnaufpause in einem sonst durchgetakteten Tagesablauf. Und: „Ich kann meinen Mann küssen, ohne ihm ins Lenkrad zu greifen.“
Die Fahrradkurierin Anja Rillcke aus Köln hält eine autofreie Stadt für keine so gute Idee. Dann wäre doch der alltägliche Machtkampf – Auto gegen Rad – vorbei. Außerdem diskutieren Mikael Colville-Andersen, Fahrrad-Blogger aus Kopenhagen, die FDP-Politikerin Petra Müller und die taz.de-Leserin Renate Kerntopp.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett