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Streit an Waldorfschule in MindenLehrer soll rechte Gesinnung haben

Einem Lehrer wird Nähe zum Nazi-Milieu nachgesagt. Die Schule vertraut ihm weiter. Die Eltern sind mit der Art der Aufklärung unzufrieden.

Die politische Einstellung des Lehrers an der Waldorfschule wird aus ganz unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Foto: dpa

HAMBURG taz | Gegensätzlicher könnten die Einschätzungen zu einem Waldorflehrer nicht sein. Die Verstrickungen von Wolf-Dieter Schröppe in die rechtsextreme Szene seien zu stark, sagt Franz Glaw vom Bund der Freien Waldorfschulen e. V. (BdFWS). Er folgert: „Mit sofortiger Wirkung sollte sich von dem betreffenden Kollegen getrennt werden.“

Ein Schulsprecher hält dagegen: „Wir sind davon überzeugt, das unser Kollege keinerlei rechtsextreme oder völkisches Gedankengut pflegt.“ Was stimmt? Seit rund 20 Jahren unterrichtet Wolf-Dieter Schröppe an der Freien Waldorfschule in Minden, Nordrhein-Westfalen. Schröppe, wohnhaft im niedersächsischen Uchte, ist bei Schülern und Kollegen beliebt, aber über seine politische Einstellung ist ein Streit entbrannt.

Die Geschichte beginnt am 23. April. Zwei Schülerinnen wiesen die Schule auf Aktivitäten des Lehrers hin. Sie waren über einen Artikel und einen Fernsehbericht zur Ahnenstätte Conneforde gestolpert. Auf dem Friedhof bei Oldenburg lassen sich gerne Altnazis beerdigen. Schröppe ist der Vorsitzende des Trägervereins der Ahnenstätte. Den Posten übernahm er 2008 von dem Rechtsextremen Alfred Mahnke, der 1972 für die NPD bei der Bundestagswahl kandidierte.

Dies ist nicht die einzige Verbindung des Waldorflehrers ins rechte Milieu. Schröppe war beim rechten „Bund Deutscher Unitarier – Gemeinschaft Europäischen Geistes“ aktiv, dessen Vermögen bei Auflösung an die besagte Ahnenstätte geht. Er schrieb für die Monatsschrift des Unitarier-Bundes Glauben und Wirken. Ebenso veröffentlichte er in einer Zeitschrift des rechten Bundes für Gotterkenntnis namens Mensch und Maß, welche im rechtsextremen Verlag Hohe Warte erscheint. In dem von den extrem-rechten Politikern Otto Scrinizi und Jürgen Schwab herausgegebenen Sammelband „1848 – Erbe und Aufklärung“ schrieb er eine Biografie über Hoffmann von Fallersleben. In dem Beitrag spekuliert er über den Einfluss der Hochfinanz, zu der der Bankier Rothschild gehöre. Erschienen ist der Band im rechten Aula-Verlag.

25-seitige Studie über die Vorwürfe

Die Schule prüfte die Vorwürfe. In mehreren Gesprächen soll sich Schröppe mit dem Kollegium, Elternvertretern und Oberstufenschülern dazu verhalten haben. „Er erklärte uns ganz offen, wie es zu den Kontakten und Veröffentlichungen kam“, sagt der Schulsprecher. Mit zwei Kolleginnen verfasste er eine 25-seitige Studie über die Vorwürfe, in der es unter anderen heißt, dass Schröppe einen Artikel in dem rechtsextremen Verlag Hohe Warte veröffentlichte. Jener enthielte aber „keinerlei rechtsextreme Positionen“.

Die Autoren kommen – auch unter Berücksichtigung seines gesamten schulischen Wirkens – zu dem Schluss, dass sie „keine Zweifel“ daran haben, dass Schröppe keine rechtsextreme Einstellung habe. Das knapp 30-köpfige Kollegium stehe hinter ihm: „Wir vertrauen ihm.“

In der Studie wurde jedoch kaum berücksichtigt, dass laut dem Thüringer Amt für Verfassungsschutz Schröppe mit Familie 2005 an einem Treffen der rechtsextremen „Arier“-Sekte „Artgemeinschaft“ teilnahm. Mit dem Verlauf der Aufklärung sind einige Eltern und Schüler unzufrieden. „Es scheint, als wenn unbedingt Entlastendes gesucht wurde“, sagt eine Mutter. In Klassen sollen Lehrer den Schülern nahegelegt haben, dem Ruf eines guten Lehrers nicht zu schaden.

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26 Kommentare

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  • Interessante Beiträge (http://www.ruhrbarone.de/geschichte-in-der-waldorfschule-atlantis-und-die-rassen/49644 ) und Einschätzungen.

     

    Auf jeden Fall sollte mit der Mindener Schule weiter kritisch kommuniziert werden. Sicher: für alle, die nicht dort in Klassenzimmern waren, ist das schwer zu beurteilen.

    Aber Schulbehauptungen sind leider meistens die erste Reaktion.

    Die Stuttgarter Erklärung 2007 ist ein eine Seite langer Disclaimer. Wirkt so von außen. Geht da auch noch mehr?

     

    Klar sollte unterschieden werden:

    SchülerInnen und LehrerInnen an Waldorfschulen im Allgemeinen, ihr Interesse an Geschichte und Politik, Mut zu kritischer Aufarbeitung - den ja alle brauchen,

    und diese spezielle Art, wie sich Unitarier und Ludendorffer für Waldorfschulen zu interessieren.

     

    Wäre zu hoffen, dass die heutige Praxis an Waldorfschulen und anderen anthroposophischen Einrichtungen ihre Steiner-Treue lockert.

  • Es ist ja nicht das erste Mal, dass die Waldorfschulen im Zusammenhang mit "rechten" Waldorflehrern etc. auffällig werden. Erinnert sei hier nur an den Fall "Andreas Molau" ...

     

    Statt sich an "Einzelfällen" abzuarbeiten, ist vielleicht aber einmal ein Blick auf die Ideologie, die hinter der Waldorfpädagogik steht, sinnvoller, siehe:

     

    "Geschichte in der Waldorfschule: ‘Atlantis’ und die ‘Rassen’"

    http://www.ruhrbarone.de/geschichte-in-der-waldorfschule-atlantis-und-die-rassen/49644

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Es lebe die deutsche Gründlichkeit!

     

    Als jemand, der die Blütezeit des so genannten Radikalenerlasses der 1970er Jahre bewusst miterlebt hat, kann ich mich über die Debatte im vorliegenden Fall nur wundern.

     

    Die Mitgliedschaft in welcher Vereinigung auch immer kann kein Massstab einer Bewertung sein. Einzig und allein ist die Frage zu beantworten, ob sich Herr Schröppe im Umgang mit Schülern, Kollegen und Eltern Dinge zu Schulden hat kommen lassen, die eine disziplinarische Massnahme notwendig erscheinen lassen.

     

    Im vorliegenden Fall scheint dies nach den bisher bekannten Äußerungen Beteiligter sehr unklar zu sein.

  • Aller Schulen unterliegen der Schulaufsicht des Staates. Hier sollte die Schulaufsicht einfach mal ermitteln, wenn die Waldörfler keinen Bock haben. Und dann mal abwarten, was rauskommt. Verfassungsfeinde dürfen nicht unterrichten.

  • Und? Hannah Arendt nennt Marxens Schrift "Zur Judenfrage" ein „klassisches Werk“ des „Antisemitismus der Linken“. Auch in Steiners Werk finden sich solche Stellen, auf ca. 89.000 Druckseiten insgesamt 62 Stellen um genau zu sein. Das wurde 1996 in einer Kommission unter der Leitung des Menschenrechtsanwaltes Ted A. van Baarda untersucht: die Kommission kam zu dem Schluss: "Das anthroposophische Menschenbild Rudolf Steiners steht auf der Grundlage der Gleichwertigkeit aller menschlichen Individualitäten und nicht auf einer vermeintlichen Überlegenheit der einen Rasse gegenüber einer anderen."

     

    So mancher spielt das Spielchen der Gleichsetzung von Nationalsozialismus mit Sozialismus. Mit den Waldorfschulen und den Anthroposophen wird das gleiche Spiel getrieben. Zumeist kommt dieses Spiel aus der Ecke Dithfurth und co., die auch die Grünen schon in der Schmuddelecke verortet haben.

     

    Die Standpunkte, das öffentliche Engagement von Linken, Grünen und auch von Waldorfschulen sind bekannt und sprechen eine andere Sprache. Der Standpunkt der Waldorfschulen zu diesem Thema ist in der Stuttgarter Erklärung von 2007 nachzulesen: http://www.waldorfschule.de/fileadmin/downloads/erklaerung/StuttgarterErklarung.pdf Auch die taz wird genau wissen, mit wem Sie es zu tun hat, wenn sie regelmäßig ihre mehrseitige Anthroposophenbeilage der Samstagsausgabe der taz beilegt.

     

    Zum konkreten Fall. Selbst wenn man wieder einen Rechten unter den Waldorfschul-Lehrern aufgestöbert hat. Was soll das bedeuten? Rechte wurden und werden immer wieder auch in linken Gruppierungen (Grüne, SPD, LINKE, Piraten ...) gefunden. Mit Antirassismusarbeit hat das Hyphen dieser Funde nur marginal etwas zu tun. Es artet regelmäßig in Instrumentalisierung durch politische Gegner aus.

  • Ich würde meine Kinder sofort von dieser Schule nehmen.

    „Wehre den Anfängen! Zu spät wird die Medizin bereitet, wenn die Übel durch langes Zögern erstarkt sind.“ (Ovid)

  • Hier der inhaltlich treffender Link zu Ludendorffern in Niedersachen, der Ahnenstätte Hilligenloh, und

    Minden (NRW, an der Grenze zu Nds): http://rechte-jugendbuende.de/?p=1855

  • Erinnern Sie sich an Hans-Jürgen Krahl? Er kam auch aus einer braunen Gegend Niedersachsens und führte in seiner Verteidigungsrede an, vom „Ludendorffschen Bundes für Gotterkenntnis“ zu demokratischeren Denkweisen gekommen zu sein, vor seiner Teilnahme an der 68er Revolte.

    Das Christentum wurde von Sigrid Hunke als „artfremd“ und „orientalistisch“ bzw. „jüdisch“ abgelehnt. Auf der Webseite der deutsche-unitarier.de/ bekennt sich dieser Bund zu Sigrid Hunke und ihrer Teilnahme an der Nazi-Bewegung.

    In der anthroposophischen Lehre gibt es die Vorstellung von „Wurzelrassen“ und die Theosophin Helena Blavatsky integrierte einiges vom um die Jh-wende verbreiteten Arierkult und Rassendenken. Hier allerdings in eine spirituell-esoterische Lesart.

    Insbesondere die Vorstellungen Blavatskys waren es, die dazu führten „spirituellen Eingebungen“ zu folgen, und in der Anthroposophie die Kreativität zu fördern. Aber genau wegen dieser Vorstellung des Künstlers als Spiritmedium und wegen der Lehre der „sozialen Dreigliederung“ ist die Anthroposophie sehr unangenehm.

     

    Der Lehrer sollte auf jeden Fall nicht länger unterrichten.

  • Im Zweifel für den Antifaschismus und nicht für die Anthroposophie.

     

    Offenbar wird von den Leuten, die bisher kommentiert haben, die Problematik nicht verstanden oder bewusst verharmlost.

    Es ist dieses völkische Arierdenken, das zu den Morden des weit verzweigten NSU und dem Attentat in Charleston führte.

     

    völkisch heißt: Primat des Volkes vor allen politischen Zielen und besondere Betonung der Zugehörigkeit zu einem Volk. Strenge Auslegung nach biologischen und kulturellen Kriterien.

    Also nicht = "volksbezogen".

     

    Die Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft (wiki) kann von der 1989 abgespaltenen Bund Deutscher Unitarier – Religionsgemeinschaft europäischen Geistes e.V. (BDU)

    unterschieden werden.

    letztere ist völkisch-rechtsextrem, erstere hatte auch viele Nazis als Mitglieder, wie z.B. die bekannte die Lehre formulierende Publizistin Sigrid Hunke wiki.

     

    Es ist nicht neu und kein Einzelfall, dass Personen aus dem rechtsradikalen Milieu mit esoterisch-unitarischen Germanenglauben zu Waldorfschulen finden.

    Darüber wurde von unterschiedlichen Autoren seit den 80ern publiziert.

     

    Es ist jedoch immer wieder skandalös, wie sich die Waldorfschulen dazu verhalten.

  • Lehrer haben nicht nur Wissen zu vermitteln sondern die Leistung ihrer Schüler fair zu bewerten. Es sind leider nicht die Fächer benannt worden in denen er unterrichtet, es wäre nett wenn diese Informationen nachgereicht werden könnten.

     

    Nicht alle Fächer sind wie Mathe wo es ein richtig und ein falsch, dementsprechend gibt es viel Ermessungsspielraum bei Benotungen, speziell im mündlichen Bereich.

     

    Wer glaubt dass ein rechter Lehrer in diesen Fächern die Ermessungsspielraum zulassen Kinder von Migranten fair benotet und seine rechten Ansichten in einen eventuellen Geschichtsunterricht nicht einfliesse lässt glaubt auch an den Weihnachtsmann bzw. steht ihm politisch nahe und erhofft sich das sogar.

  • ich finde es schlecht, wenn ein Lehrer rechts ist. Es ist viel besser, wenn er links ist.

  • Es ist sicher ein schmaler Grad als Lehrer, sich an die gebotene Neutralität auch in seinem Privatleben so exakt zu halten, das Vermutungen und Verdächtigungen nicht in den berufll. Bereich hineingelangen. Gerade an einer Wdof-Sch. aber ist aufgrund des elterl. Engegementes diese Bedingung f.d. Lehrpersonal sensibel.Zumal in einem ländlichen Raum. Es sollte hier aber die Unschuldsvermutung gelten, solange hier keine Unvereinbarkeit mit d. berufl. Pflichten eines Lehrers klar zu Tage treten. Rechtsradikale haben als Lehrperson. an Schulen nichts zu suchen.

    • @norbert prien:

      Linksradikale aber auch nicht!

  • Hat der Lehrer nun etwas Rechtsextremes von sich gegeben oder wird hier nur aufgrund der Nähe zum Rechtsextremen Milieu jemand beschuldigt? Es wundert mich schon das der Autor des Artikels hier im Endeffekt nur Gerüchte weitergibt aber keinerlei Anhaltspunkte. Wenn der Lehrer für Zeitschriften etc geschrieben hat müsste doch entsprechendes Material vorhanden sein, welches gesichtet werden kann?

     

    War bei dem Artikel Herr Röpke zu faul zum recherchieren?

    • @Dideldidum:

      So ein Artikel soll ja nicht informieren, sondern mobilisieren.

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Offenbar kann nicht sein, was nicht darf. Der Lehrer wurde entlastet, es wurde ihm das Vertrauen ausgesprochen, seine Tätigkeit untersucht. Dennoch sind einige Eltern und Schüler nicht zufrieden. Was wäre jetzt Lösung? Man spricht einen Generalverdacht aus und suspendiert den Lehrer wider besseren Wissens?

    • @738 (Profil gelöscht):

      Nun derartige Verbindungen sprechen eine eindeutige Sprache.

  • Völkisch war bereits Rudolf Steiner. Die Menschen seiner Zeit, auch außerhalb Deutschlands, dachten eben völkisch. Damals war Volk kein Schimpfwort, das Volk nicht verachtet und kein Gegner. Auch Sozialisten argumentierten völkisch: "Proletarier der Welt vereinigt Euch" um sich an die kleinen Leute, das Volk zu wenden. Was dem Lehrer jetzt genau anzulasten ist? Hat er irgendetwas Verbotenes getan? Hat er Schüler indoktriniert? Oder soll er von der taz nur in die Nähe von Springerstiefel, Glatze und Baselballschläger gerückt werden?

    • @Andreas Molzer:

      Man sollte sich erstmal informieren, was unter "völkisch" und Volk in diesem Zusammenhang zu verstehen ist, da geht es eben nicht um "die kleinen Leute":

      ""Das Volk" ist geografisch und ethnisch, also biologisch bestimmt. Zu einem Volk gehört, wer eine bestimmte biologische Abstammung hat und in einer bestimmten Region wohnt." http://www.kontextwochenzeitung.de/debatte/197/wer-ist-das-volk-2649.html

    • @Andreas Molzer:

      Die Menschen zur Zeit von Rudolf Steiner "dachten eben völkisch", das mag sein. Hier geht es allerdings nicht um Steiner, sondern um einen Lehrer von 2015.

       

      Steiner und seinen Zeitgenossen kann man durchaus zugute halten, dass sie nicht wissen konnten, wohin das "völkische" Denken führt. Das ist heute jedoch etwas anders. Insofern müssen sich wohl Leute, die man im "braunen Sumpf" erwischt, schon die Frage gefallen lassen, was sie denn da treiben und ob sie womöglich die letzten 100 Jahre komplett verpennt haben.

       

      Im letztgenannten Fall wären sie als Lehrer wohl tatsächlich einigermaßen untragbar. Die Schüler von heute werden schließlich nicht für die Zeit von Rudolf Steiner ausgebildet, sondern für ein Morgen, das ein wenig anders aussehen sollte als das Gestern, das auf das völkische Denken seiner Zeitgenossen folgte.