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Rechter Lehrer an WaldorfschuleDer „völkische Aktivist“ darf bleiben

Ein Lehrer steht im Zusammenhang mit Rassismus und NS-Akklamation. Die Freie Waldorfschule Minden will sich trotzdem nicht von ihm trennen.

Der umstrittene Lehrer unterrichtet Werken an der Waldorfschule Minden. Foto: dpa

Hamburg taz | In Minden muss der Lehrer für Werken und Kunstgeschichte an der Freien Waldorfschule vorerst nicht gehen. Am späten Mittwochnachmittag sprach sich auf einer Schulversammlung die Mehrheit für den Verbleib von Wolf-Dieter Schröppe aus – trotz seiner engen rechten Verstrickungen. „Er hat uns versichert kein Rechtsextremer zu sein und wir glauben ihm“, sagte ein Sprecher der Schule, der nicht namentlich genannt werden möchte.

Im April diesen Jahres begann der Konflikt, nachdem zwei Schülerinnen Berichte über die Ahnenstätte Conneforde aufgefallen waren: Der Vorsitzende des Trägervereines des Friedhofes bei Oldenburg, auf dem sich gerne Altnazis beerdigen lassen, ist Schröppe. Das Amt übernahm er 2008 von dem Rechtsextremen Alfred Mahnke, der 1972 für die NPD bei der Bundestagswahl kandidierte.

In der internen Auseinandersetzung über den Lehrer, der seit rund 20 Jahre an der Schule unterrichtet, fanden Gespräche mit dem Kollegium, Eltern und Schülern statt, eine interne Faktenanalyse folgte. Und die Schule gab bei der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Detmold“ eine Studie zu Schröppes Wirken in Auftrag.

Auf der Schulversammlung wurde die ausführliche Studie zu Schröppes Kontakten und Texten, die er bei verschiedenen extrem rechten Weltanschauungsgemeinschaften veröffentlicht hat, vorgestellt. Das schriftliche Fazit von Frederic Clasmeier und Karsten Wilke von der Mobile Beratung ist eindeutig: „In den von Schröppes verfassten Texten finden sich wesentliche Denk- und Argumentationsmuster der ‚völkischen Ideologie‘“. Hierzu gehörten „Dichotomien wie Ursprung/Zivilisation oder Gemüt/Intellekt“, damit einher gehen würden Rekurse auf Volk, Natur, Ursprünglichkeit und Kraft.

„Einer ihrer besten Lehrer“

Zudem stünden die Organisationen und Publikationszusammenhänge in denen Schröppe bewege, ganz eindeutig für Rassismus, Antisemitismus, Demokratiefeindlichkeit und NS-Akklamation. Es sei höchst ungewöhnlich, wenn ein „erwachsener Mann ‚zufällig‘ oder ‚unbewusst‘ in derartige Kreise“ gerate. Der 53-Jährige müsste als „Aktivist innerhalb eines extrem rechten ‚völkischen Netzwerks‘ gesehen werden“, so Clasmeier und Wilke.

Bei der Schulveranstaltung stimmten von 189 Anwesenden 78 für einen Verbleib an der Schule, 50 forderten eine Entlassung und 61 wollte ihn beurlauben und die Entscheidung verschieben. In der offenen Diskussion spiegelte sich die Zerrissenheit der Schule mit 250 Mädchen und Jungen wider: Die, die ihn seit Jahren kennen, traten vehement für ihn ein – er sei einer ihrer besten Lehrer. Andere warfen ihm vor, er strapaziere den Sympathiefaktor seit langem über. Zudem nun auch noch kurz vor der Versammlung öffentlich geworden sei, dass Schröppe auch bei der rechtsextremen Arier-Sekte „Artgemeinschaft“ involviert ist.

In einer persönlichen Erklärung versicherte Schröppe, auf dem „Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ zu stehen. Den Vorsitz bei der Ahnenstätte will er nicht abgeben. Henning Kullak-Ublick vom Vorstand des „Bund der Freien Waldorfschulen“ sagte, dass Gutachten der Mobile Beratung „bestätigte die Fakten“ und habe den Kollegen „nicht entlastet“. Bei allen nachvollziehbaren Verdiensten eines langjährigen Kollegen, müsse sich die Schule von ihm trennen, so Kullak-Ublick: „Die Schulleitung kann sich nicht vor einer Entscheidung drücken“. Im Laufe des Donnerstags soll die Schulkonferenz entscheiden.

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10 Kommentare

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  • "‘Töne wie aus einer undichten Gummizelle!’







    BERLIN. (hpd) Harry Rowohlt wird immer wieder öffentlich als “prominenter Waldorfschüler” genannt. Er hat aber nie eine Waldorfschule besucht. Sondern die “Walddörfer Schule” in Hamburg, was er in einem pointierten Leserbrief an die “taz” klar stellte. Bernd Durstewitz befragt Harry Rowohlt dazu in einem Telefoninterview.







    Durstewitz: “Haben Sie etwas dagegen, mit der Waldorfschule in Verbindung gebracht zu werden?”







    Rowohlt: “Alles. Wegen der ewigen Verwechselung habe ich mich mal mit den Schriften Rudolf Steiners beschäftigt. Da fand ich eine schöne Textstelle: ‘Der Blonde, Blauäugige ist dem Dunkelhaarigen, Braunäugigen intellektuell überlegen, weil bei Letzterem zuviel Geisteskraft in die Pigmentierung fließt’. Das wäre geeignet gewesen für ein Quellenverzeichnis von Hitlers ‘Mein Kampf’. Töne wie aus einer undichten Gummizelle!"



     

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  • Schon lustig, dass die ganzen rechten Vollhonks immer leugnen wollen, rechts zu sein. Schlimmer als ein Rechter, der zu seiner dummen Ideologie steht, ist nur noch ein Rechter, der sich einbildet, kein Rechter zu sein.

     

    Fängt schon mit den AfD-Fans an, die gerne behaupten, ihre stramm rechtspopulistische Truppe wäre keine rechte Partei. Die Pegida-Heinis wollen natürlich keine Ausländerhasser sein und rechts sowieso nicht. Ja nee, is klar. https://netzpolitik.org/2015/wer-pegida-mag-der-mag-auch/

    • @tazzy:

      Gott sei Dank, gibt es ja eine genaue Skala, auf der man messen kann, ab wann jemand als "Rechts" bezeichnet werden darf. 6 Punkte auf der Skala: konservativ; 7 Punkte: reaktionär; 8 Punkte: imperalistisch-faschistisch usw. Und der Einfachheit halber übernehmen Sie dann die Punktezuteilung für alle anderen.

      Genau wie bei den Richtungsangaben ist auch die politische Einordnung von Rechts und Links durchaus relativ. Aus Ihrer Sicht, bin ich wohl ein Rechter. Wenn ich mich einem eingefleischten CSU-Wähler unterhalten würde, wäre ich ne rote Socke.

      Und jetzt einfach mal alle AFD-Wähler (ca. 2 Mio. Menschen bei der letzten BTW) als "rechts" zu bezeichnen ist schon ziemlich undifferenziert, pauschalisierend., alles über einen Kamm scherend. Übrigens genau das, was man Rechten gerne vorwirft..

    • @tazzy:

      ... nur weil Anthroposophen hervorragend mit den Nationalsozialisten zusammengearbeitet haben, kann doch niemand sagen ...

       

      "Anthroposophie und Nationalsozialismus: ‘Die Waldorfschulen erziehen zur Volksgemeinschaft’

       

      (...)

       

      Anthroposophen arbeiteten in allen für sie wichtigen Praxisfeldern mit nationalsozialistischen Organisationen zusammen, im Überblick:

       

      – Waldorfschulen: „Das Motto der Waldorfbewegung im »Dritten Reich« lautete: »Die Waldorfschulen erziehen zur Volksgemeinschaft.«1 Ihrer Selbstdarstellung zufolge lieferte die anthroposophische Pädagogik einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau des neuen Deutschlands durch »die Pflege des völkischen Gedankens und die Betonung des Wesens und der Aufgaben des deutschen Geistes« und stand damit »im Einklang mit der Grundgesinnung des nationalsozialistischen Staates«.2“3

       

      – Anthroposophische Medizin: „Die Vereinigung anthroposophischer Ärzte stellte eine Hauptstütze der NS-treuen »Reichsarbeitsgemeinschaft für eine Neue Deutsche Heilkunde dar«.“4

       

      – „Biologisch-dynamische“ Landwirtschaft: „1935 wurde der »Reichsverband für biologisch-dynamische Wirtschaftsweise« korporatives Mitglied der nationalsozialistischen »Deutschen Gesellschaft für Lebensreform« (Motto: »Die Weltanschauung der Deutschen Lebensreformbewegung ist der Nationalsozialismus«).“5

       

      (...)"

       

      mehr: http://www.ruhrbarone.de/anthroposophie-und-nationalsozialismus-die-waldorfschulen-erziehen-zur-volksgemeinschaft/44449

  • Im Artikel heisst es: "»Er hat uns versichert kein Rechtsextremer zu sein und wir glauben ihm«, sagte ein Sprecher der Schule."

     

    Der Bund der Freien Waldorfschulen macht es im Zusammenhang mit dem Gründer der Waldorfschulen genauso. Er versichert einfach immer wieder, dass Rudolf Steiner kein Rassist war.

     

    Aber die "Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien" (BPjM) stellte das genaue Gegenteil fest. Sie attestierte 2 Büchern Rudolf Steiners, dass sie, Zitat BPjM, "zum Rassenhass anreizend bzw. als Rassen diskriminierend anzusehen“ seien.

     

    Mehr dazu hier: http://www.ruhrbarone.de/3-jahre-rudolf-steiner-ist-zum-rassenhass-anreizend-bzw-als-rassen-diskriminierend-anzusehen/16511

  • Die von den genannten Organisationen vertretenen Meinungen (ich musste erstmal nachsehen, da ich von denen noch nie gehört habe) sind vollkommen bescheuert und stehen nach kursorischer Prüfung am rechtsextremen Rand.

     

    Mit dieser Vorrede, die mir hoffentlich die Gedankenpolizei vom Hals hält, wage ich ein kleines Gedankenspiel:

     

    Was wäre, wenn der Lehrer in der IL oder Antifa organisiert wäre? Wenn er also Organisationen aktiv unterstützt, die Andersdenkenden (und ich meine hier zB CDU Landrat oder dergleichen) "Nazi Schwein" auf die Hauswand sprühen oder Polizeiautos samt Insassen versuchen in Brand zu stecken. Was wäre eigentlich dann? #aufschrei?

     

    Und zur taz: ich hatte keine Zeit, die Artikel in dieser Zeitung, die sich mit dem "Radikalenerlass" beschäftigen herauszusuchen - aber ich muss gar nicht suchen, um zu wissen, in welcher Form diese Regelung abgelehnt wurde von der taz Redaktion.

     

    Bleibt festzhalten: ein Lehrer trifft sich außerhalb seiner Arbeitszeit mit Vollidioten, vielleicht sogar gefährlichen/gewalttätigen Vollidioten. Er lässt sich in seiner Arbeit mit den ihm zu Schutz befohlenen nichts zu Schulden kommen (ich sehe keinen Hinweis hierauf im Text) und nun wird er gekündigt. Hierüber muss man diskutieren.

     

    Und jetzt: auf mich mit Gebrüll allenthalben.

    • @Realpolitiker :

      Na wenn Sie es so wollen....

       

      Als erstes habe ich mal eine Frage: WO und WANN haben Linke versucht einen Polizeiwagen MIT Insassen zu verbrennen?

      Es gibt sicherlich auch bei den Linken Idioten und gewaltbereite Arschlöcher, aber in der Regel zeigt sich das linke Spektrum doch deutlich menschlicher und weltoffener als das rechte Pöbelpack, bei dem Drohungen und Körperverletzungen ja zur Tagesordnung gehören.

       

      Würde der Lehrer zu Antifa gehören und sich nachweislich an gewalttätigen Aktionen beteiligen, dann müsste er auch gehen, dann das wäre für einen Lehrer unentschuldbar. Allerdings geht es hier um menschenverachtende Ideologien, die von Untermenschengeschwafel, Rassenwahn etc geprägt sind. Er ist Vorsitzender eines Trägervereins, der augenscheinlich der rechtsextremen Ecke zuzuordnen ist, er verkehrt auf Veranstaltungen von Rechtsextremen...erzählen Sie mir also bitte nicht, dass er nicht für dieses Gedankengut empfänglich ist. Und wer sagt, dass er sowas nicht an die Kinder, die er unterrichtet weitergibt? Lehrer prägen Kinder und menschenverachtende Ideologien haben in einer Schule nichts zu suchen.

       

      Bevor Sie jetzt ankommen und sagen: "Aber auch die linken Ideologien sind menschenverachtend", sage ich...nein das sind sie nicht. Ich bin noch auf keinen Linken getroffen, der einen anderen Menschen wegen seiner Herkunft oder Hautfarbe angegriffen hätte.

      • @Jan Berger:

        :) Ich beschwer mich jetzt nicht, denn ich hab ja förmlich darum gebettelt.

         

        Polizeiauto, samt Insasse: Blockupy Frankfurt, "schwarzer Block" (und bitte nicht mit agent provocateur kommen..)

         

        Es gibt keinerlei Beweis, dass er seine hier vermutete Gesinnung im Unterricht hat einfließen lassen. Das steht nirgends. Selbst die Kommission, die es aufklären soll und entsprechend Schüler, Eltern und Kollegen befragt hat, scheint hier nichts gefunden zu haben.

         

        Ich kenne den Menschen nicht. Daher verteidige ich auch nicht ihn persönlich, sondern mache -wie geschrieben- ein Gedankenexperiment.

         

        Bei linksextremen Überzeugungen sind es nicht Hautfarbe/Herkunft, sondern soziale Klasse und v.a. politische Überzeugung. Ich sprach hier nicht von der Realo-Abteilung der Linken oder einer Anti-Atomkraft Vereinigung aus dem Wendland. Ich sprach von IL und Antifa. Ich dachte an Podiumsdiskussionen besetzt mit verurteilten RAF-Mördern und Abgeordneten der Linkspartei, bei denen von der "Überwindung des Kapitalismus durch revolutionäre Maßnahmen". Ich dachte an Peter Fechter.

         

        Also: so ganz blütenweiss scheint mir die Weste nicht.

        • 1G
          19122 (Profil gelöscht)
          @Realpolitiker :

          Denken Sie der Vollständigkeit halber auch an die Sowjetunion, die Khmers rouges, Mao-China und die geliebten Führer Nordkoreas. Alles sehr gute Beispiele dafür, wie viel Faschismus im sozialistischen Klassenkampf steckt.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    >>„In den von Schröppes verfassten Texten finden sich wesentliche Denk- und Argumentationsmuster der ‚völkischen Ideologie‘“.