Streik in der US-Filmbranche: Hoffnung auf weniger Ausbeutung
In den USA streiken Drehbuchautor*innen und Schauspieler*innen gemeinsam und die Stars machen mit – mit guten Chancen auf Veränderung.
N ennt mich idealistisch, aber ich glaube an die Durchsetzungsfähigkeit des Kollektivs. Ich habe hier schon mal darüber geschrieben, dass Fangruppen, wenn sie sich organisieren, Erstaunliches leisten können – K-Pop-Stars beispielsweise eine Trump-Rally sabotieren, indem sie Hunderte Tickets buchen und nicht auftauchen –, heute geht es um die Macht von Gewerkschaften.
Es geht um den Streik der Drehbuchautor*innen und Schauspieler*innen. Ich werde nicht detailliert auf die Forderungen eingehen, die kann man überall nachlesen (kurz: Autor*innen wie Schauspieler*innen verlangen eine fairere Entlohnung und verbindliche Regulierungen, wie künstliche Intelligenz zukünftig eingesetzt wird; zum ersten Mal seit 1960 streiken beide Gewerkschaften zusammen).
Was ich viel spannender finde, ist, dass man mit der Screen Actors Guild (SAG-AFTRA) sieht, wie wichtig gewerkschaftliche Organisation ist, und dass es in den USA immer mehr kollektive Bestrebungen von Arbeiter*innen gibt, ihre prekären Zustände zu verbessern.
Dass ich in dieser Kolumne so oft in die USA schaue, hat zwei Gründe: Weil dort ein Großteil des Entertainments herkommt, das wir hierzulande konsumieren, und weil Deutschland sehr oft diese Bewegungen und Diskurse einige Monate später kopiert.
Aber zurück zu SAG-AFTRA. Sie vertritt 160.000 Medienschaffende. Wenn man sich diese Zahl anschaut, wird deutlich, dass es bei den Forderungen um mehr Gehalt nicht um die Tom Cruises und Meryl Streeps dieser Welt geht, sondern um die, die in einem Film im Hintergrund auftauchen und nur ein, zwei Sätze sagen.
Zur Solidarität zwingen
Wie auch die Drehbuchautor*innen sind die meisten Schauspieler*innen komplett unterbezahlt und müssen weitere Jobs annehmen, um ihre Schauspieljobs überhaupt finanzieren zu können. Da die reichen Hollywoodstars Teil dieser riesigen Gewerkschaft sind, sind sie quasi dazu verpflichtet, die No-Names zu unterstützen. Manchmal muss man die Leute zur Solidarität zwingen, das ist schon okay so.
Der Ausgang von alldem ist natürlich ungewiss. Die Filmstudios glauben, sie säßen am längeren Hebel (Berichten zufolge wollen sie den Streik durchziehen, bis den Streikenden das Geld ausgeht und sie ihre Wohnungen verlieren), aber ich denke, sie irren.
Spätestens ab Herbst wird auch bei den Konsument*innen ankommen, dass es keine neuen Staffeln ihrer Lieblingsserien und keine schicken Red-Carpet-Fotos gibt. Wenn sich dieser Unmut gegen die Studios richtet, haben diese nicht mehr viele Ausreden. Dieser Streik kann Vorbild sein für viele weitere (in den USA etwa steht einer von 340.000 UPS-Fahrer*innen unmittelbar bevor), gerade wenn er lange und disruptiv sein wird.
Die Arbeiter*innen wurden lange genug ausgenutzt. Es ist Zeit, dass sie sich vereint Gehör verschaffen. Power to the people!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts