Streaming-Probleme bei Italiens Fußball: Tifosi in Geiselhaft
In Italien macht die Streamingplattform DAZN Negativschlagzeilen: Sie liefert nicht die Fußballbilder, die sie versprochen hat.
Die Ergebnisse des ersten Spieltags in Italien dürften viele so auf dem Tippschein abgegeben haben, wie sie dann auch hochoffiziell in die Tabelle eingetragen wurden – die Favoriten gewannen allesamt. Überraschend war, dass viele sich nicht per Livebild über die Ereignisse informieren konnten. Landesweit hatten Abonnenten der Streamingplattform DAZN Probleme, sich einzuloggen. Bei anderen blieb nach wenigen Spielszenen der Bildschirm dunkel.
Stattdessen erschien die Nachricht: „Etwas funktioniert nicht. Leider hat sich ein Fehler auf DAZN ergeben. Bitte wiederholen.“ Auch das führte für viele nicht zum Erfolg. Glücklich konnte sich noch schätzen, wer die Nachricht mit einem Link erhielt, über den Abonnenten nur mit ihrer Mail, aber ohne Log-in in die Übertragung einsteigen konnten. Viele erreichte die Nachricht aber nicht. Und so ergab sich die drollige Situation, dass mancher TV-Kommentar zwar den Link zum Alternativzugang erwähnte – davon erfuhren aber nur die, deren Übertragung stabil war und die überhaupt erst aufgrund dieser Info vom Chaos jenseits des eigenen Monitors wussten.
Zugleich schadete sich DAZN damit selbst. Denn der Hinweis war garniert mit dem Zusatz, dass es strafbar sei, den Link an Nichtabonnenten weiterzugeben. Wie viele es doch taten, aus Protest oder aus Prinzip, ist nicht bekannt. Paradox ist, dass der Ligaverband der Serie A zum Saisonstart eine Kampagne gegen Piraterie beim TV-Empfang lancierte. Nichts wirkte lächerlicher, weil zugleich der offizielle Anbieter seinen Service nur über einen freien Link aufrechterhalten konnte.
Die Ausfälle lösten einen Sturm auf Social Media aus. Betroffen war schließlich das gesamte Land. Über 7.000 Fehlermeldungen von Nutzer*innen gingen allein am vergangenen Sonntag bei der Plattform Downdetector für DAZN in Italien ein, knapp 2.000 waren es am Samstag bei den ersten Spielen der Saison. Und dass es bei den Montagsspielen besser war, lässt sich auch nicht behaupten. 970 Störungsmeldungen gingen ein.
Begrenztes Wachstum
Schnell nahm sich die Politik des Themas an. Ob Matteo Salvini von der rechten Lega Nord, Mitte-links-Politiker Benedetto Della Vedova oder der linksliberale Carlo Calenda – sie alle klagten DAZN der Unfähigkeit an. Der aktuelle Außenstaatssekretär Della Vedova sah Italiens Tifosi gar in Geiselhaft des Streaminganbieters. Calenda beklagte, dass der technisch seriöser aufgestellte Kontrahent Sky beim letzten Bieterstreit um die TV-Rechte gegenüber DAZN verloren hatte. 840 Millionen Euro zahlt DAZN pro Saison für die alleinigen Übertragungsrechte. 29,99 Euro kostet das monatliche Abo. Bei derzeit etwa 2,5 Millionen Abonnenten sind diese Kosten zumindest gedeckt. Fraglich indes ist, ob das auch für die komplette technische Infrastruktur und die Gehälter der Angestellten gilt.
Das Wachstum insgesamt ist begrenzt. Zwar gibt es laut dem Marktforschungsunternehmen Ipsos etwa 25 Millionen Fußballfans in Italien, darunter allein acht Millionen für Serienmeister Juventus. Sky, lange Zeit der Platzhirsch bei den Übertragungsrechten im Fußball, konnte sein Sportpaket in Italien aber auch nur an etwa 2,4 Millionen Abonnenten verkaufen. Dort immerhin war die Übertragung stabil. Sie läuft über Satellitenempfang.
Viele Kunden von DAZN nutzen aber ihr nicht immer gut ausgebautes WLAN zum Streaming mit DAZN. Das erklärt einen Teil der Probleme. Auffällig war auch, dass viele Nutzer*innen, die erst kurz vor Spielbeginn den Log-in-Prozess starteten, draußen blieben. Das deutet auf Systemüberlastung wegen zahlreicher paralleler Zugriffsversuche hin.
Weniger Probleme hatten offensichtlich Nutzer*innen, die über TIMvision zugriffen, das Streamingportal des Telekommunikationskonzerns TIM. TIM beteiligte sich an der Finanzierung der Rechte durch DAZN – eine Art Parallelkrieg gegen den Rivalen Sky, der TIM seit Jahren bei den Sportrechten ausbootet.
Nach Intervention der Aufsichtsbehörde Agcom hat DAZN Italia seinen Abonnenten aufgrund der Ausfälle zumindest einen Rabatt von 25 Prozent angeboten – ein erster Schritt zur Besänftigung. Der Streamingdienst bekam das sogar hin, obwohl die Position des Chefs für das Kundenmanagement weiterhin unbesetzt ist. Sowohl für den Standort Mailand wie für den Standort München werden neue Chefs für diese Abteilung gesucht. Eine gute Gelegenheit für Kritiker*innen, einen Schlüsseljob im Inneren eines selbst ernannten Disrupters zu ergattern. Eine Neigung zum Masochismus könnte bei der Berufsausübung helfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund