Strategien für Langzeitarbeitslose: Wirklichkeit der Bürgergeld-Reform
Höhere Freibeträge, Prämien für Abschlüsse, ganzheitliche Betreuung: Klingt gut, wäre da nicht die Personalknappheit in den Jobcentern.
150 Leistungsbezieher:innen pro Vermittler:in? Tatsächlich sei die Zahl der Betreuten höher Foto: Carsten Koall/dpa
Die Worte klingen ebenso wohlig wie abstrakt, und das stimmt misstrauisch. Langzeitarbeitslose sollen mit einer „ganzheitlichen Betreuung“ unterstützt werden, die Förderung soll sich mehr an der „individuellen Lebenslage“ ausrichten. So heißt es bei der Bundesagentur für Arbeit, wo jetzt die zweite Stufe der Bürgergeld-Reform vorgestellt wurde, die ab nächster Woche gilt. Es gibt höhere Freibeträge für erwerbstätige Leistungsbezieher:innen. Wer einen Berufsabschluss nachholt, bekommt eine monatliche Zusatzprämie von 150 Euro. In den Jobcentern sollen Vermittler:innen und Arbeitslose einen „Kooperationsplan“ zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt schmieden.
Den begrüßenswerten Vorhaben steht allerdings die traurige Realität in den Jobcentern gegenüber. Kürzlich schickte ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin des Jobcenters Dortmund anonym einen offenen Brandbrief an Politik und lokale Presse, in dem er oder sie die angespannte Personalsituation im Jobcenter anprangerte. Eigentlich sehe der Personalschlüssel ein Verhältnis von eineR Vermittler:in auf 150 Leistungsbezieher:innen im Jobcenter vor, in Wirklichkeit aber sei die Zahl der Betreuten pro Mitarbeiter:in dreimal so hoch.
Von ganzheitlicher und individueller Betreuung kann daher keine Rede sein. Also läuft es wie früher auch, als das Personal vor allem möglichst gute Zahlen für die Statistik produzieren sollte, ohne auf den Langzeiteffekt von Maßnahmen zu achten. Man hatte sich schon länger gefragt, wie denn die Jobcenter mit der gestiegenen Zahl an Klient:innen zurechtkommen – allein aus der Ukraine sind Hunderttausende Geflüchtete im Bürgergeld-Bezug. Also: Sie kommen nicht klar.
Deswegen ist es richtig, dass die Kommunen und die Bundesagentur für Arbeit jetzt von der Bundesregierung mehr Geld für die personelle Ausstattung der Jobcenter fordern. Und es war keine gute Idee des Bundesarbeitsministers, bei den Verwaltungsausgaben für die Jobcenter zu kürzen. Neue Gesetze mögen gut sein, aber wenn die Umsetzungsmöglichkeiten gar nicht vorhanden sind, wirken sie unglaubwürdig. Dem Problem muss sich Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) stellen.
Strategien für Langzeitarbeitslose: Wirklichkeit der Bürgergeld-Reform
Höhere Freibeträge, Prämien für Abschlüsse, ganzheitliche Betreuung: Klingt gut, wäre da nicht die Personalknappheit in den Jobcentern.
150 Leistungsbezieher:innen pro Vermittler:in? Tatsächlich sei die Zahl der Betreuten höher Foto: Carsten Koall/dpa
Die Worte klingen ebenso wohlig wie abstrakt, und das stimmt misstrauisch. Langzeitarbeitslose sollen mit einer „ganzheitlichen Betreuung“ unterstützt werden, die Förderung soll sich mehr an der „individuellen Lebenslage“ ausrichten. So heißt es bei der Bundesagentur für Arbeit, wo jetzt die zweite Stufe der Bürgergeld-Reform vorgestellt wurde, die ab nächster Woche gilt. Es gibt höhere Freibeträge für erwerbstätige Leistungsbezieher:innen. Wer einen Berufsabschluss nachholt, bekommt eine monatliche Zusatzprämie von 150 Euro. In den Jobcentern sollen Vermittler:innen und Arbeitslose einen „Kooperationsplan“ zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt schmieden.
Den begrüßenswerten Vorhaben steht allerdings die traurige Realität in den Jobcentern gegenüber. Kürzlich schickte ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin des Jobcenters Dortmund anonym einen offenen Brandbrief an Politik und lokale Presse, in dem er oder sie die angespannte Personalsituation im Jobcenter anprangerte. Eigentlich sehe der Personalschlüssel ein Verhältnis von eineR Vermittler:in auf 150 Leistungsbezieher:innen im Jobcenter vor, in Wirklichkeit aber sei die Zahl der Betreuten pro Mitarbeiter:in dreimal so hoch.
Von ganzheitlicher und individueller Betreuung kann daher keine Rede sein. Also läuft es wie früher auch, als das Personal vor allem möglichst gute Zahlen für die Statistik produzieren sollte, ohne auf den Langzeiteffekt von Maßnahmen zu achten. Man hatte sich schon länger gefragt, wie denn die Jobcenter mit der gestiegenen Zahl an Klient:innen zurechtkommen – allein aus der Ukraine sind Hunderttausende Geflüchtete im Bürgergeld-Bezug. Also: Sie kommen nicht klar.
Deswegen ist es richtig, dass die Kommunen und die Bundesagentur für Arbeit jetzt von der Bundesregierung mehr Geld für die personelle Ausstattung der Jobcenter fordern. Und es war keine gute Idee des Bundesarbeitsministers, bei den Verwaltungsausgaben für die Jobcenter zu kürzen. Neue Gesetze mögen gut sein, aber wenn die Umsetzungsmöglichkeiten gar nicht vorhanden sind, wirken sie unglaubwürdig. Dem Problem muss sich Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) stellen.
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Kommentar von
Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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