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Strategien der SekteScientology macht auf divers

Sängerin Emily Armstrong steht wegen mutmaßlicher Scientology-Nähe in der Kritik. Die Sekte hat ihre Blütezeit zwar hinter sich, bleibt aber gefährlich.

Hat sich nie von Scientology distanziert: Sängerin Emily Armstrong Foto: Christian Charisius/dpa

Eine Frau mit langem blondem Haar geht durch die Reihen eines dunklen Konzertsaals. Sie betritt die Bühne, nimmt das Mikrofon in die Hand, die Lichter blenden auf. Aus voller Kehle singt sie den neuen Song der US-Band Linkin Park. Nachdem sich Frontmann Chester Bennington im Juli 2017 suizidierte, feiert die Band nun mit der Sängerin Emily Armstrong ihr Comeback. Dieser weibliche queere Zugang dürfte der rein männlichen Band guttun. Doch es hängt ein Damoklesschwert über ihr. Man sagt Armstrong nach, Mitglied in der Sekte Scientology zu sein. Dadurch würde sie in einer Reihe mit Hollywood-Stars wie Tom Cruise, John Travolta, Michael Peña und Danny Masterson stehen.

Kurz nach Armstrongs Debüt im September sprachen Fans und Medien sie an, warum sie auf Bildern einer Scientology-Gala zu sehen sei und Kontakte zu Mitgliedern pflege. Öffentlich distanziert hat sich Arm­strong von der Sekte nie. Zwar ist diese nicht mehr in ihrer Blütezeit wie noch in den 1990er Jahren, doch die Organisation ist weiterhin eine Gefahr für die Gesellschaft – auch in Deutschland. Besonders in Krisenzeiten locken extremistische Vereinigungen mit simplen, manipulativen Lösungen.

Auf den ersten Blick ist Scien­tology nur eine von vielen neuen religiösen Bewegungen des 20. Jahrhunderts. Dahinter aber steht ein hierarchisches, autoritäres System, das Leute durch ein Schneeballsystem finanziell ausbeutet und körperlich wie seelisch misshandelt. Mitglieder erhalten für ihre Arbeit in der Sekte niedrige Löhne, müssen aber selbst Tausende Dollar in Kurse investieren, um in der Organisation aufzusteigen.

Seit über 70 Jahren baut Scientology auf diesem klassistischen System seinen Reichtum auf. In vielen Ländern ist die Organisation als eingetragene Religion von Steuerabgaben befreit. Durch Mitgliedsbeiträge und ein enormes Immobiliengeschäft beläuft sich das Kapital der Sekte nach Schätzungen auf zwei Milliarden US-Dollar. Offizielle Zahlen, darunter Anzahl und Alter der Mitglieder, hält die Organisation geheim. 2023 schätzte der Scientology-Aussteiger Aaron Smith-Levin die Mitgliederzahl auf maximal 35.000 Mitglieder weltweit.

Expansion im Immobiliengeschäft

Der Verfassungsschutzbericht von 2023 zählt etwa 3.600 deutsche Mitglieder. In Deutschland hat die Sekte als eingetragener, steuerpflichtiger Verein Immobilien und Kirchengebäude in Hamburg, München, Berlin, Hannover, Düsseldorf, Stuttgart, Frankfurt, Karlsruhe und Wiesbaden. Obwohl die Mitgliederzahlen stagnieren, vergrößert die Sekte ihre Finanzen durch eine Expansion im Immobiliengeschäft. Auch ihr Medienauftritt hat sich professionalisiert.

In aufwendigen Werbevideos gibt sich die Organisation divers und inklusiv. Diese strahlt sie auf prominenten Werbeplätzen wahrend des Superbowls aus und verbreitet ihre Anzeigen auch in den deutschsprachigen Medien. Wie perfide die Sekte inzwischen vorgeht, zeigt ein Bericht des bayerischen Verfassungsschutzes. Während der Fußball-EM 2024 machte Scientology mit der Tarnorganisation „Sag Nein zu Drogen – Sag Ja zum Leben“ verstärkt Werbung. Eine Verbindung zu Scientology ließ sich bewusst nicht erkennen. Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass man mit dem Infomaterial eine junge Zielgruppe gewinnen wollte. Auch Tarnorganisationen wie „The Way To Happiness“ und „United for Human Rights“ lassen auf den ersten Blick keine Rückschlüsse zur Sekte zu.

Bewusste Verschleierung

Besonders für Menschen mit geringer Medienkompetenz stellt das ein Risiko dar. Die Social-Media-Strategie von Scientology ist zum einen die bewusste Verschleierung. Gleichzeitig präsentiert sich die Organisation in offiziellen Medienauftritten als seriöse, harmlose Gemeinschaft und lockt mit kostenlosem Infomaterial und dem eigenen Sender Scientology Network. Die Plattformen Facebook, Youtube, X und Instagram bespielt die Organisation nur sporadisch. Die dortigen Kommentare zeigen, dass dort nur undifferenzierte Echokammern von Mitgliedern sind.

Auf taz-Anfrage, warum die Sekte in Deutschland seit 1997 beobachtet wird, sagt der Verfassungsschutz: „Die Scientology-Organisation beabsichtigt, weltweit eine ‚scientologische Gesellschaft‘ zu etablieren. In einer solchen Gesellschaft – basierend auf den Schriften des Gründers Lafayette Ron Hubbard – würden wesentliche Grund- und Menschenrechte verletzt werden.“ Der Psychotherapeut Michael Utsch präzisiert das weiter: „Scientology hat ein sehr hierarchisches Modell vom Menschen, wo letzten Endes nur Scientologen das Wahlrecht haben, weil die restlichen Menschen einer niederen Gattung angehören. Im Grunde sind das rassenideologische Anklänge.“

„Es geht um eine Erfolgsideologie“

Utsch ist wissenschaftlicher Referent der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) und beschäftigt sich seit 1997 mit Scientology: „Ich sehe nicht, dass es um eine Religion geht. Es geht im Grunde um eine Erfolgsideologie und darum, glücklich und reich zu werden. Scientology sagt, dass dieser Weg für jeden möglich ist, wenn man nur den Anweisungen ihrer Kurse folgt. Die Organisation ist nicht mehr als ein moderner Psychokurs-Anbieter.“ Dazu sagt die EZW in ihrem ABC der Weltanschauungen: „Aussteiger berichten von Plänen der Scientology, die gesamte deutsche Wirtschaft zu infiltrieren, ihren politischen Einfluss zu vergrößern und in der gesamten deutschen Gesellschaft die Macht zu übernehmen. Selbst wenn das maßlos übertrieben sein sollte, so unterstreicht die Idee jedoch den politischen Anspruch der Scientology-Organisation.“

Der Science-Fiction-Autor L. Ron Hubbard gründete die Sekte mit Weltherrschaftsfantasien 1954. Anfangs ging es in seinen Lehren noch um das Gemeinwohl und das Potenzial einer unsterblichen Seele. Erst ab dem „OT III“-Level, für das man mehrere hunderttausend Dollar investieren muss, erfährt man vom vorgeblichen Weltraumherrscher Xenu, der vor 75 Millionen Jahren als Anführer einer galaktischen Föderation die Erde und Menschen erschuf. Über diese Geschichte à la „Star Wars“ haben sich inzwischen viele Aus­stei­ge­r:in­nen und Medien wie „South Park“ lustig gemacht.

Zieht Menschen an, die überfordert sind

Doch wenn Leute in Scientology einsteigen, begrüßt man sie nicht mit Weltraummärchen. Die Sekte zieht Menschen an, die eine Gemeinschaft suchen, die vom Alltag, der Politik und der Weltlage überfordert sind. Sie werden aufgenommen und finden einen Sinn im Kollektiv. Durch die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen schätzt Referent Utsch das Potenzial für extremistische Organisationen wie Scientology besonders hoch ein: „Gerade in Krisenzeiten sind die Leute anfällig für simple Lösungsvorschläge und Gruppenangebote. Mit den Kriegen und der Klimakatastrophe leben wir momentan in großen Krisen und vieles ist unsicher.“

Während Scientology besonders in Hollywood prominente Namen anzieht, gibt es in Deutschland keine bekannten Scientologen. Laut Utsch hat die Organisation aber „auch hierzulande einen Expansionsgedanken. Es ist eine weltweit operierende Firma, die ihre Kurse verkaufen möchte. Aber die Deutschen sind da relativ hartnäckig und wenig empfänglich dafür.“ Laut dem Verfassungsschutz stagnieren die Mitgliederzahlen seit 2021. Doch für extremistische Organisationen ist Stagnation nicht zwingend schlecht. Sie zeigt, wie ideologisch gefestigt die Basis ist.

Ohnehin kommt es bei Scientology nicht primär auf die Anzahl der Mitglieder an, sondern vielmehr auf die Größe und Reichweite des Einzelnen. Wenn Tom Cruise mal wieder von Gebäuden springt wie zuletzt bei der Schlusszeremonie der Olympischen Spiele, profitiert auch die Sekte von dieser Publicity.

Die britische Autorin Catherine Bennett nannte es den „besten Scientology-Stunt aller Zeiten“. Und wenn Emily Arm­strong sich als neue Frontfrau einer der beliebtesten Bands nicht von der Sekte distanziert und Kontakte zu ihr pflegt, verharmlost sie damit eine zutiefst menschenfeindliche Organisation.

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14 Kommentare

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  • Die Frage bleibt, was zahlt Scientology seinen erfolgreichen Aushängeprofis fürs Marketing. Oder andersrum, womit können die so erfolgreich Prominente erpressen?

  • Der Hauptvorwurf ist die Behauptung, ihre Eltern seien beim "Geheimdienst" der Sekte (OSA) - sie ist wohl in der Sekte groß geworden, da ihre Eltern langjährige Mitglieder sind.



    Ob sie selbst Anhängerin ist bleibt im Dunkeln - allerdings hat sie sich an der Kampagne zur Unterstützung von Masterson beteiligt, mutmaßlich auf Bitten der Sekte.

  • Wir haben im Westen frei Religionswahl, freie Wahl der Arbeitgeber, Sportvereine etc. Die Kriminalisierung und Skandalisierung nicht wegen einer umstrittenen Handlung sondern allein wegen einer Mitgliedschaft finde ich unangebracht

  • Kein Zweifel, Scientology ist eine üble Truppe. Aber wenn man die Organisation, die in Deutschland nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt wird, mal mit so manchen allgemein anerkannten und staatlich hofierten Religionen vergleicht, wird man doch nachdenklich. OK, Scientology will Geld scheffeln und Macht ausüben. Aber wollen die anerkannten Religionen (außer dem Judentum, das nicht missioniert und Nichtjuden nicht seinen Gesetzen unterwerfen will) das nicht? Man gucke sich z. B. mal an, welche Reichtümer die christlichen Kirchen angehäuft haben und mit welchen Mitteln, solange sie die Möglichkeit dazu hatten (ja, ist lange her, aber niemand bestreitet, dass das Christentum auch im Mittelalter eine "echte" Religion war, und an ihren Reichtümern halten die Kirchen selbstverständlich auch heute noch fest). Und wenngleich der Umgang von Scientology mit Aussteigern unakzeptabel ist, steht bei der Organisation auf Apostasie, anders als in der Scharia, nicht die Todesstrafe. Und das "hierarchische Modell" vom Menschen, in dem die Nicht-Scientologen "einer niederen Gattung angehören", wird in entsprechender Weise in zahlreichen islamischen Ländern gegenüber Nichtmuslimen praktiziert.

  • Warum ist es gleich ein queerer Zugang, wenn ein toter Sänger durch eine lebende Frau ersetzt wird?



    Wenn dies eine dumme Frage ist, bitte trotzdem beantworten, es interessiert mich wirklich.

    • @0 Substanz:

      Kapiere ich ehrlich gesagt auch nicht. Wenn Frau Armstrong früher mal ein Mann gewesen wäre, sich eigentlich als Mann fühlt oder irgendeine andere Verbindung zur Thematik hätte würde ich es ja verstehen.

    • @0 Substanz:

      Der "Zugang" (Neuzugang) ist Emily Armstrong. Und die hat sich als queer geoutet. Deshalb ist Emily Armstrong der queere Zugang der Band Linkin Park. Hat nix damit zu tun dass Chester männlich und Emily weiblich ist.

    • @0 Substanz:

      Emily Armstrong identifiziert sich selbst als queer. Was es an sich nahezu unmöglich macht, ein aktives Mitglied von Scientology zu sein.

    • @0 Substanz:

      Aus der englischen Wikipedia:



      "In 2016, Armstrong was in a relationship with model Kate Harrison. She identifies as queer."

    • @0 Substanz:

      Einen Sänger durch eine Sängerin ersetzen, ist nichts Normales. Es heißt, die Songs transponieren zu müssen etc.



      Das überflüssige Wort queer verstand ich aber auch nicht. Es ist auch eigentlich beschreibend als 'anders', nicht wertend als ööschtgeiley zu gebrauchen.

  • Leider ist Scientology in seinem Zerfall durch den Mainstream aufgesogen worden.



    Der Glaube an "Erfolg". Die Rücksichtslosigkeit dabei. Spinnerte Wirklichkeiten. Pyramidenmodell-Abzocke. Das geht alles auch ohne Ron Hubbards Märchenmeute.

    • @Janix:

      Richtig, den Irrsinn, den Scientology verkörpert leben heute viele Menschen. Arschigkeit gehört dabei zum guten Ton, die FDP könnte problemlos geschlossen zur Scientology Church wechseln, keine ideologischen Hürden.

      • @Bambus05:

        De FDP hatte ja auch zumindest in Hamburg langjährig gute Kontakte zum Hubbardclub, wenn ich mich recht entsinne.