Strategie der Rechtsextremen: Wie die AfD die CDU ersetzen will
Derzeit greift die AfD vor allem das links-grüne Milieu an. Bei den langfristigen und grundsätzlichen Themen zielt sie auf das konservative Milieu.
D ie Hamburger AfD hat Bernd Baumann erneut zu ihrem Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gewählt. Am 7. Dezember stellte die Partei ihre Landesliste auf – mit einem klaren Ergebnis: Über 95 Prozent der Mitglieder stimmten für Baumann. Gegenkandidaten gab es keine.
Baumann, der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, bemüht sich seit Jahren, die AfD als vermeintlich konservative und bürgerliche Kraft darzustellen. Dies schließt jedoch scharfe Angriffe und gezielte Provokationen nicht aus. „Wir sind bereits die zweitstärkste Partei. Wir werden übernehmen und dieses Land retten!“, rief Baumann seinen Parteimitgliedern am Samstag zu.
In seiner Bewerbungsrede erklärte er, dass die AfD in Hamburg unter dem Motto „Hart für Hamburg“ die CDU ablösen wolle. Baumann bezeichnete die Christdemokratische Partei als „verschlagen, hohl und innerlich ausgebrannt“ und kündigte an, dass die AfD die Union langfristig schlagen werde. Zum dritten Mal strebt Baumann einen Sitz im Bundestag an.
Bei den gegenwärtigen politischen Themen greift die AfD zwar weiterhin vor allem das links-grüne Milieu an, indem sie Einwanderungs- und Klimaschutzpolitik beklagt. In den langfristigen und grundsätzlichen Themen aber zielt die AfD insbesondere auf das konservative Milieu.
Leerstellen besetzen
CDU und CSU hätten ihre eigenen konservativen Werte verloren oder verraten, so die Botschaft. Diese angeblichen Leerstellen möchte Baumann besetzen – so zumindest kann man seine Reden verstehen, die das „NDR Hamburg Journal“ zusammenfasste.
Dieser Strategie folgend, versucht die AfD auch in anderen Nord-Bundesländern die CDU vor sich herzutreiben, indem sie sich als Koalitionspartner für eine „bürgerliche Mehrheit“ anbietet. Das langfristige Ziel ist, dass die radikaleren Kräfte in der CDU solch eine Koalition ebenfalls befürworten, während die moderateren Kräfte verstummen.
Die Folge wäre ein sich radikalisierender Konservatismus. Der ehemalige Europa-Spitzenkandidat der AfD, Maximilian Krah, gab offen zu, eine solche Zersetzung der Union anzustreben.
Der Politikwissenschaftler Thomas Biebricher warnt davor, dass sich konservative Parteien zwischen verschiedenen Positionen im Umgang mit extrem rechten Parteien zerreiben. Biebricher spricht schon länger von einer „internationalen Krise des Konservatismus“.
Felix Krebs, Hamburger Bündnis gegen Rechts
Im erneuten Wahlsieg von Donald Trump in den USA sieht der Politikwissenschaftler ein Beispiel für die Radikalisierung konservativer Strömungen. Eine klare Einordnung der AfD durch den Verfassungsschutz auf Bundes- und Landesebene könnte dieser Entwicklung entgegenwirken.
In Hamburg profitiert die AfD davon, dass das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) die Partei im aktuellen Bericht nicht erwähnt. Einen Rechtsstreit über eine frühere Erwähnung der rechtsextremen Verstrickungen der Hamburger AfD hatte das Landesamt verloren.
Der Grund: Vor dem Verwaltungsgericht wollte das LfV seine Quellen schützen. Die Quelle zu den Verbindungen zum „Flügel“ war laut einer Drucksache des Senats allerdings keine Undercover-Person, sondern ein publizierter Bericht der Antifa-Initiative „AfD-Watch“ – gegen den die AfD nicht klagte.
„Schon der NSU-Komplex hat gezeigt, dass den Geheimdiensten Quellenschutz vor Aufklärung geht“, sagt Felix Krebs vom Hamburger Bündnis gegen rechts. „Nun verlor das LfV lieber vor Gericht, als seine Quellen offenzulegen“. Wie groß das rechtsextremistische Potenzial des Flügels in Hamburg ist, bleibt offen. Baumann kann sich weiterhin als bürgerlich-konservativ präsentieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken