Strafen für spanische Universitäten: Ein Hauch von Trump
Den Madrider Unis drohen bei Protesten auf dem Campus drakonische Strafen. Ein geplantes Gesetz sieht Bußgelder von bis zu einer Million Euro vor.

Der Entwurf, der Ende Mai auf der Transparenzplattform der Regionalverwaltung im Internet veröffentlicht wurde, führt auf sechs Seiten leichte, schwere und sehr schwere Verstöße gegen den ordnungsgemäßen Universitätsbetrieb sowie die jeweiligen Strafen auf. Es geht dabei vor allem um Proteste jedweder Form.
So sieht das Gesetz Geldstrafen zwischen 15.000 und 100.000 Euro für „schwere Verstöße“ vor. Dazu gehören „nicht genehmigte Demonstrationen, die die freie und friedliche Durchführung sehr wohl ordnungsgemäß genehmigter oder angekündigter Demonstrationen auf dem Campus behindern“, oder „die Genehmigung der Besetzung von Campusflächen oder der Behinderung des Zugangs oder der Nutzung von Universitätseinrichtungen“.
Der Gesetzentwurf sieht außerdem Geldstrafen zwischen 300 und 15.000 Euro für weniger schwere Verstöße vor, etwa das „unerlaubte Anbringen oder Entfernen von Bannern oder Symbolen“.
Ein Dutzend Fälle aufgelistet
Die von Studierenden immer wieder aufgehängten Transparente und Plakate mit allerlei akademischen oder politischen Forderungen wären damit ebenso strafbar wie die Protestcamps gegen den israelischen Feldzug in Gaza vergangenes Jahr oder Sitzstreiks auf dem Campus. Schuldig machen sich laut Gesetzesentwurf nicht nur die Teilnehmer der Proteste, sondern vor allem die Universitätsverwaltung, wenn sie nicht einschreitet.
Die Strafen können in „besonders schweren Fällen“ sogar bis zu eine Million Euro betragen. Der Text listet ein Dutzend Fälle auf, die als schwere Verstöße gelten. Darunter etwa die „Nichtgewährleistung von Pluralität und Freiheit auf dem Campus, insbesondere der Meinungs- und akademischen Freiheit, durch Handeln oder Unterlassen“.
Das gilt etwa, wenn Protestierende Veranstaltungen verhindern. So geschehen etwa Anfang des Jahres an der größten spanischen Universität Complutense in Madrid, als dort ein EU-Abgeordneter der rechtsextremen Vox reden wollte. Auch Regionalpräsidentin Ayuso selbst wurde immer wieder von Protestierenden empfangen. Vor zwei Jahren etwa an der Fakultät für Journalismus, an der sie einst selbst studierte. Solche Proteste gelten künftig als „Form von Zensur, Diskriminierung oder Verfolgung aufgrund von Geburt, Nationalität, Rasse, Geschlecht, Religion, Alter, Meinung“.
Zudem soll die Universitätsleitung das Hausrecht und damit die Unabhängigkeit weitgehend verlieren. Die Polizei hingegen soll jederzeit Zugang zum Campus haben. Dies zu verweigern, gilt dann als „Behinderung des legitimen Handelns staatlicher Sicherheitskräfte und -korps auf dem Universitätsgelände“.
Rektoren pochen auf Hochschulautonomie
Bis Ende des Jahres soll das neue Gesetz in Kraft treten. Madrid hätte damit das mit Abstand restriktivste Hochschulgesetz in Spanien. Dozenten und Studierende haben bereits Proteste ankündigt. Ob die Madrider Rektorenkonferenz juristisch gegen das Gesetz vergehen wird, ist noch unklar.
In einem Treffen diese Woche mit Vertretern des regionalen Bildungsministeriums haben die sechs Unirektoren auf eine Mitsprache bei dem geplanten Gesetz gepocht – und auf die verfassungsrechtlich garantierte Hochschulautonomie verwiesen.
Die Unis halten den Einmischungsversuch von Regionalpräsidentin Ayuso für verfassungswidrig. „Ich befürchte, dass damit versucht wird, das kritische Denken der Universität einzuschränken“, sagte etwa Julio González, Professor für Verwaltungsrecht an der Universität Complutense und seit acht Jahren Generalsekretär der Universität, in der größten spanischen Tageszeitung El País. Das Gesetz schränke ganz klar zwei Grundrechte ein: die Meinungsfreiheit und das der politischen Kritik. Es sei damit „ein Gesetz, das gegen alle Prinzipien verstößt“.
Trotz der Kritik hält das regionale Bildungsministerium an den geplanten Maßnahmen fest: „Sie verstoßen nicht gegen die Unabhängigkeit der Universitäten und die Lehrfreiheit, sondern sie gewährleisten sie sogar“, heißt es in einem Kommuniqué, herausgegeben, nachdem El País überregional mit dem universitären Bußgeldkatalog aus Madrid aufmachte. Die Strafen seien „ein Werkzeug für die Universitäten“, um ebendiese „Unabhängigkeit und die Grundrechte zu verteidigen“.
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