piwik no script img

Stockende Digitalisierung in HamburgMit Vollgas in den Wartungsmodus

Das Hamburger Wohngeldportal sollte Anträge vereinfachen und Verfahren beschleunigen. Zur Premiere ist es direkt wieder abgestürzt.

Schöne neue Welt: ein Blick in Hamburgs digitalisierte Zukunft Foto: Daniel Karmann/dpa

Hamburg taz | Hamburg hätte gewarnt sein müssen: „Wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, eine Aufgabe zu erledigen“, prophezeit Murphy’s Law, „und eine davon in einer Katastrophe endet oder sonst wie unerwünschte Konsequenzen nach sich zieht, dann wird es jemand genau so machen.“ Das Gesetz, seit Jahrzehnten eine Legende in der Welt der unfreiwilligen Komik, warnt vor Fehlerursachen, wenn zu viele Details im Spiel sind. Gerade Informatiker kennen das gut.

Und so kam es, wie es kommen musste: Wer im Netz „Hamburg, Wohngeld“ suchte, und sich dann zum „Online-Antrag, Serviceportal“ durchklickte, bekam bei der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) zu lesen: „Aktuell finden Wartungsarbeiten statt und der Online-Antrag ist nicht erreichbar. Wir bitten um Geduld.“ ERROR. Systemfehler. Kein Durchkommen.

Dabei ist das System brandneu. Es kommt von Dataport, dem IT-Dienstleister der öffentlichen Verwaltung. Und der steht nicht zum ersten Mal für Fehlleistungen in der Kritik. Hamburgs Behörden sollen und wollen sich grundsätzlich digitalisieren. So aber gelingt das vorerst nicht.

Mehr Geld für mehr Menschen

Dabei hätte alles so schön sein können: Seit dem 1. Januar 2023 ist das Wohngeld-Plus-Gesetz in Kraft. Vergangenen Montag sollte die Sache mit dem Online-Antrag in Hamburg starten. Dann wäre es mit dem Antrag schneller gegangen als mit den alten Methoden, auf die jetzt viele nach dem geplatzten Portalstart zurückgriffen: Papiere ausfüllen und zur Post bringen, PDF downloaden, Nachweise einscannen, hochladen, E-Mail schicken.

In Hamburg haben seit Kurzem dreimal mehr Menschen Anspruch auf den Zuschuss: bis zu 37.500. Das ist natürlich gut. Sogar noch besser ist, dass es auch mehr Geld gibt: bis zu doppelt so viel. Online war der Weg dahin allerdings versperrt. BSW-Sprecher André Stark ist anzumerken, wie peinlich ihm dieser „unsägliche Zufall“ ist.

Das sei zwar kein Weltuntergang, sagt er der taz. „Aber ärgerlich ist das natürlich schon.“ Der Fehler habe die Behörde überrascht. Eine Benachrichtigung von Dataport habe es nicht gegeben. Die Folge: Die BSW wollte am Montag mit einem Tool an den Start, dessen Funktionsuntüchtigkeit schon Tage zuvor entdeckt worden war.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Da werden Bürger, die finanziell nicht auf Rosen gebettet sind, endlich höhere Zuschüsse eingeräumt, und dann können sie sie nicht geltend machen – zumindest nicht auf halbwegs zeitgemäße Weise, sondern nur auf Papier, was der bearbeitenden Behörde wiederum noch mehr zusätzliche Arbeit machen dürfte.

Prüfung auf Herz und Nieren

Immerhin hat die BSW angesichts der digitalen Panne am Papierberg ziemlich rangeklotzt, um wenigstens der ausgedruckten Flut Herr zu werden. Erste Entscheide ergingen schon wenige Stunden nach Inkrafttreten von Wohngeld-Plus. Übrigens war nicht nur Hamburg betroffen. Auch Schleswig-Holstein ging in den Wartungsmodus.

Dataport, 4.400 MitarbeiterInnen groß und rund eine Milliarde Euro Umsatz schwer, macht auf seiner Website derweil vollmundig Versprechungen: „Mit uns gelingt die Digitalisierung“, steht da. „Neue Technologien prüfen wir auf Herz und Nieren. Und optimieren sie für den Einsatz im öffentlichen Sektor.“

Man entwickle „innovative IT-Services, die Verwaltungsprozesse für Behörden und Bür­ge­r*in­nen einfach machen“. Einfacher ist gut, für alle Beteiligten. Aber dafür müsste es dann natürlich auch funktionieren.

Hinweis: Inzwischen seien die Probleme behoben und das Portal freigeschaltet, teilte Dataport mit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!