Stimmung vor der Fußball-WM: Soccer? Nein danke!
Durch schlechte Leistungen der Nationalmannschaft und des Managements verliert Fußball in Südafrika an Popularität. Viele sorgen sich um die WM-Stimmung.
Es gibt keinen Zweifel. Fußball ist die populärste Sportart in Südafrika. Und doch gibt es nicht wenige, die nicht mehr als nur eine leichte Ahnung vom Soccer haben. Viele Weiße haben nicht viel am Hut mit dem Fußballsport, vor allem nicht die Afrikaans sprechenden Buren. Sie müssen vorbereitet werden auf die Fußball-WM. In der Redaktion der Tageszeitung Die Burger in Kapstadt, die in der Kapregion über eine Auflage von 90.000 Exemplaren verfügt und damit die viertgrößte Tageszeitung Südafrikas ist, hat man ein Konzept für die Berichterstattung erarbeitet. Auch ein Blattlinie wurde formuliert. Stolz sollen die Leser sein auf ihr Land. Jeder soll sich als Gastgeber der WM fühlen.
Doch dazu müssen sie erst noch einiges lernen. Das Verlagshaus Media24, in dem Die Burger erscheint, hat einen Berater engagiert, der die WM-Berichterstattung vorbereiten soll. Es ist George Dearnaley. Der war früher einmal Fußballprofi und hat es sogar zu einigen Nominierungen für die Nationalmannschaft Südafrikas gebracht. Jetzt muss er den Lesern von Die Burger erst einmal die Fußballregeln erklären, ihnen beibringen, wie das Spiel funktioniert und auf welche Stars es zu achten gilt. Das Interesse der sportinteressierten Leser gilt vor allem dem Rugbysport. Ihre Liebe gehört dem Weltmeisterteam der Springboks, wie die Rugbynationalmannschaft genannt wird, oder einem der Klubs in der von den großen Wirtschaftsunternehmen des Landes generös unterstützten Profiliga.
Rainer Zobel kann das überhaupt nicht verstehen. Der deutsche Fußballlehrer, der als Spieler in den 70er-Jahren Erfolge mit dem FC Bayern feiern konnte und seit mehr 1997 als Trainer in Afrika und dem Nahen Osten unterwegs ist, arbeitet seit Juli in Südafrika. Er betreut die Moroka Swallows, einen Erstligaklub aus Johannesburg. "Ich finde es eine Ungerechtigkeit ohnegleichen, dass der populärste Sport im Lande nicht besser unterstützt wird." Jeden Tag im Training sieht er, wo es den südafrikanischen Fußballern fehlt. "Die können den Ball um die Schultern kreisen lassen, aber schießen können sie nicht." Für Zobel liegt das an der Ausbildung der Kicker. "Weich wie Gummi" seien die Kicker aus Südafrika im Fußgelenk.
"Es ist versäumt worden, den Fußball zu entwickeln." George Dearnaley, der für Media24 Kolumnen über den englischen Ligafußball schreibt, sitzt in einem Konferenzraum bei Die Burger und erinnert sich an das Jahr 1996. Es war die Blütezeit des südafrikanischen Fußballs. Die Nationalmannschaft, die Bafana Bafana, gewann im eigenen Land den Africa Cup of Nations, kletterte in der Weltrangliste des Internationalen Fußballverbandes auf den 16. Platz. "Alle dachten damals, das geht von alleine so weiter", sagt Dearnaley. Doch Sponsorengelder, die Mittel, die die Fifa dem Verband zur Verfügung gestellt hat, kamen nie an der Basis an. Die Fußballbosse des Landes - allen voran Multifunktionär Irvin Khoza - haben sich in dieser Zeit schamlos bereichert. Für Dearnaley ist es kein Zufall, dass Südafrika in der Weltrangliste nur noch auf Platz 86 steht - einen Platz hin- ter Haiti. Die Auslosung der WM-Gruppen (bei Redaktionsschluss noch nicht beendet) hat man im Gastgeberland auch deshalb mit großer Spannung erwartet, weil die Angst, schon in der Vorrunde zu scheitern, allgegenwärtig ist.
Mit dem sportlichen Niedergang ist auch der Traum, die WM könnte dazu beitragen, das Land zu einen, für viele ausgeträumt. Ein nationales Weiheerlebnis, wie es der Gewinn der Rugby-Weltmeisterschaft 1995 war, als Nelson Mandela im Springbok-Trikot auch von den weißen Fans mit Sprechchören gefeiert wurde, ist nur möglich, wenn sich auch der sportliche Erfolg einstellt. Davon ist auch Dearnaley überzeugt. Die südafrikanischen Fahnen, die an den Schulen verteilt werden, die Programme, mit denen der Text der Nationalhymne bekannter gemacht werden soll, sie nutzen nichts, "wenn die Nationalmannschaft gegen Island mit zwei defensiven Mittelfeldspielern aufläuft und dann auch noch verliert", so Dearnaley. Die 0:1-Niederlage im Oktober markierte den absoluten Tiefpunkt in der südafrikanischen Fußballgeschichte. Sie kostete Joel Santana den Job. Richten soll es nun dessen brasilianischer Landsmann Carlos-Alberto Parreira. Doch Dearnaley denkt, dass sportlich ohnehin nicht mehr viel zu bewegen ist. Jetzt brauche man einen großen Motivator, so einen wie Jürgen Klinsmann, der die Gastgeber der WM 2006 zum dritten Platz gepusht hat. Er kann sich sogar Jake White - den Trainer, der die Springboks 2007 zum WM-Titel im Rugby geführt hat - im Trainerstab der Fußballnationalmannschaft vorstellen.
Weil die Bafana Bafana gar so miserabel gespielt hat, gab es sogar die Idee, dass jede Provinz während der WM ein anderes Nationalteam unterstützen sollte. Doch die Aktion "adopt a team" war zu absurd und versandete. Dennoch gibt es durchaus die Sorge, dass sich nicht genügend Fans für die WM begeistern könnten. Bei der Turniergeneralprobe im Juli, dem Confederations Cup, wurden massenweise Freitickets vergeben, um die Stadien zu füllen. Obwohl Fußball im Straßenbild omnipräsent ist, beinahe überall kickende Kinder meist kaputte Bälle über die Plätze treiben und sich junge Männer, wenn sie sich schick machen wollen, ein Fußballtrikot überstreifen, bleiben die Stadien auch bei den Spielen der Profiliga oft leer. Rainer Zobel fühlt sich bisweilen an seinen Zeit als Trainer in Abu Dhabi erinnert. Am vergangenen Wochenende wollten gerade einmal 7.000 Zuschauer das Kapstadter Lokalderby zwischen dem FC Santos und Ajax Cape Town sehen. Die riesigen Stadien, die für die WM errichtet worden sind, dürften nach der WM nur noch schwer zu füllen sein - zumindest mit Fußball.
"Wir wollen Rugby!" Das fordert unverblümt Alf Oschatz, der als Projektmanager den Bau der WM-Arena in Durban mitorganisiert hat. Die Entwicklungsgesellschaft BKS, für die er arbeitet, will das Stadion nach der WM selbst betreiben. Profit kann sie nur machen, wenn es ihr gelingt, das Rugbyteam der Sharks ins Stadion zu holen. Deren Spiele sind mit 52.000 Zuschauern im Kings Park Stadium, das direkt neben der neuen WM-Arena liegt, oft ausverkauft. Immer wenn es um die WM geht, werden die neuen Stadien als Resultat der Entwicklung des Fußballs in Südafrika bezeichnet. Nach der WM könnte der Rugby darin regieren. Rainer Zobel würde sagen: Das ist ungerecht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“