Stimmung gegen Gemeinschaftswährung: Henkel wirbt für Anti-Euro-Partei
Euro-kritische Parteien hatten es bisher nie leicht. Dennoch: Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel könnte sich an der Gründung einer Anti-Euro-Partei versuchen.
BERLIN taz | Im Parlament sind die Gegner der EFSF-Aufstockung eine kleine Minderheit: Neben den Abweichlern aus Union und FDP will lediglich die Fraktion der Linken geschlossen dagegen stimmen. In der Bevölkerung sind die Verhältnisse umgekehrt: Nach Umfragen des ZDF-Politbarometers befürworten 19 Prozent die Ausweitung des Rettungsfonds, 75 Prozent lehnen sie ab. Eine solche Zahl weckt Begehrlichkeiten.
Zwar waren eurokritische Parteien in Deutschland bisher nie erfolgreich; die Partei "Pro DM" löste sich 2007 nach dem Tod ihres Vorsitzenden Bolko Hoffmann auf. Doch nun häufen sich im Internet und bei Veranstaltungen die Rufe nach einer neuen Anti-Euro-Partei - und anders als viele andere Splitterparteien könnte diese auf prominente Unterstützung hoffen: Hans-Olaf Henkel, ehemaliger Präsident des Bundes der Deutschen Industrie (BDI) und im vergangenen Jahr zweithäufigster deutscher Talkshowgast nach Heiner Geißler, drängt sich geradezu auf.
"Es gibt einen wachsenden Spalt zwischen der politisch korrekten Elite und der Bevölkerung", sagte er kürzlich bei einer Veranstaltung in Berlin. Noch habe er Hoffnung, dass die FDP auf einen eurokritischen Kurs einschwenke. Aber: "Wenn es mit der FDP nicht klappt, brauchen wir eine neue Partei, und ich stehe dafür zur Verfügung."
Eine inhaltliche Grundlage hat Henkel bereits im vergangenen Jahr in seinem Buch "Rettet unser Geld - Wie der Euro-Betrug unseren Wohlstand gefährdet" gelegt. Im Oktober will er nun bei Großveranstaltungen in Münster, Hamburg und Berlin für seine Ideen werben. Trotz happiger Eintrittspreise von rund 20 Euro läuft der Vorverkauf nach Angaben der Veranstalter gut.
Verschwörungstheorien und Politik
Wie Henkel das Publikum in seinen Bann ziehen kann, demonstrierte er in der vergangenen Woche bei einem Auftritt mit dem FDP-Rebellen Frank Schäffler und dem Euro-Kläger Albrecht Schachtschneider: Er verbindet inhaltliche Forderungen wie die Einführung eines Nordeuro mit Verschwörungstheorien und Politik ("Das Rütteln am Einheitseuro ist in Deutschland mit einem Tabu belegt"), Medien ("Nichts davon steht bei uns in den Zeitungen") und Wirtschaftswissenschaft ("politikhörig wie unter der SED") - und weist dabei den Vorwurf, antieuropäisch zu sein, entschieden zurück: "Nicht die Kritiker spalten Europa, sondern der Euro."
Organisiert wurde der Auftritt vom Verein Zivile Koalition, der versucht, die Anti-Euro-Stimmung zu kanalisieren. Über die Webseite www.abgeordnetencheck.de bietet der rechtskonservative Verein die Möglichkeit, Anfragen an die Mitglieder des Bundestags zu senden. Fast 200.000 Mails sind nach eigenen Angaben bereits verschickt worden, die Antworten werden auf der Webseite veröffentlicht.
Mit einem Video, das bei Youtube bisher 100.000-mal angesehen wurde, mobilisiert der Verein gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der im Frühjahr zur Abstimmung steht. An einer möglichen Parteigründung wolle sich der Verein nicht beteiligen, sagte Pressesprecher Wolfgang Przewieslik der taz. Man sehe sich eher als überparteiliches Bündnis, das Politiker aller Parteien beeinflussen wolle.
Hoffnung auf FDP-Mann Schäffler
Entsteht dort eine deutsche Tea-Party-Bewegung? Unter den Zuhörern wie auf dem Podium war die Stimmung eindeutig: Die Anti-Euro-Stimmung müsse in die Parlamente getragen werden. Große Hoffnungen ruhen dabei neben Henkel auf dem FDP-Mann Frank Schäffler, der vom Publikum frenetisch bejubelt wurde. Nicht nur Henkel lobte ihn als "die einzige Opposition im Bundestag".
Auch Albrecht Schachtschneider, emeritierter Juraprofessor und mehrfacher Kläger gegen den Euro, äußerte die Hoffnung, dass sich Schäffler innerhalb der FDP durchsetze. Falls das nicht geschehe, müsse die Bewegung auf anderem Wege "parteilich verfestigt werden". Ob es dazu kommt, wird sich spätestens nach dem Mitgliederentscheid der FDP über den weiteren Eurokurs im Frühjahr zeigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus