Stiko zur Impfung von Kleinkindern: Keine kleinen Erwachsenen

Die Ständige Impfkommission empfiehlt die Impfung von Kleinkindern nur in bestimmten Fällen. Das liegt – einmal mehr – an der schlechten Datenlage.

Portrait von Thomas Mertens.

Auch für Kleinkinder keine generelle Impf-Empfehlung: Thomas Mertens, Vorsitzender der Stiko Foto: David Young/dpa

BERLIN taz | Ende Oktober hat die Europäische Kommission erstmals einen Covid-19-Impfstoff für Kleinkinder zugelassen. Nun passt auch die Ständige Impfkommission (Stiko) ihre Impfempfehlung an. Demnach wird die Impfung in der Altersgruppe von sechs Monaten bis vier Jahren nicht generell, sondern nur für besonders gefährdete Kinder empfohlen. „In der Altersgruppe reift das Immunsystem erst aus, das sind keine kleinen Erwachsenen“, begründete Stiko-Chef Thomas Mertens die besondere Vorsicht.

Die Kleinkinderimpfstoffe wurden von den Herstellern Biontech/Pfizer und Moderna entwickelt. Es handelt sich dabei um eine im Vergleich zum Erwachsenenimpfstoff verringerte Dosis. In Deutschland wird zunächst nur der Impfstoff Comirnaty von Biontech/Pfizer verfügbar sein. Von diesem sollen laut Zulassung drei Dosen mit jeweils 3 Mikrogramm des Wirkstoffs im Abstand von drei bzw. acht Wochen geimpft werden. Zum Vergleich: Der Impfstoff für die 5- bis 11-Jährigen enthält 10 Mikrogramm, der für ab 12-Jährige und Erwachsene 30 Mikrogramm des Impfstoffs je Dosis.

Wie zuvor schon bei den Kindern zwischen 5 und 11 und den Jugendlichen zwischen 12 und 17 spricht die Stiko zunächst nur eine begrenzte Empfehlung aus. Hintergrund ist einmal mehr die unzureichende Datenlage. In den Zulassungsstudien der Hersteller Biontech/Pfizer und Moderna wurden nur wenige Kinder geimpft. Sowohl in der Impf- als auch in der Vergleichsgruppe, die ein Placebo erhielt, traten nur vereinzelt Infektionen auf, die kaum Rückschlüsse zulassen. In den USA wird der Kleinkinderimpfstoff bereits seit Monaten verimpft. Mittlerweile über eine Million Kinder haben dort eine Dosis erhalten. Daten dazu seien aber noch nicht verfügbar, sagt Stiko-Mitglied und Kinderarzt Martin Terhardt.

Die aktuelle Empfehlung stehe auch im Licht der Erkenntnisse zum Infektionsverlauf mit der inzwischen vorherrschenden Omikron-Variante, betonten Terhardt und Stiko-Chef Thomas Mertens in einem Pressegespräch am Mittwoch. So trete das Entzündungssysndrom PIMS inzwischen deutlich seltener auf als bei vorherigen Varianten, so Terhardt.

Krankheitslast durch Covid-19 bei Kindern gering

Die Komplikation, die erst mehrere Wochen nach der akuten Erkrankung auftritt und lebensgefährlich sein kann, sei inzwischen sehr gut beherrschbar in den Kliniken. In Deutschland sei noch kein Kind daran gestorben. Insgesamt sei die Krankheitslast durch Covid-19 bei den Kindern der Altersgruppe sehr gering. Von denen, die doch ins Krankenhaus müssen, würden gerade mal 2 Prozent intensivmedizinisch behandelt, so Mertens. Dabei handele es sich fast ausschließlich um Kinder mit Vorerkrankungen und Risikofaktoren.

„Deshalb raten wir hier auch zur Impfung“, sagt Kinderarzt Terhardt. Risikofaktoren für einen schweren Verlauf können zum Beispiel angeborene Immunschwächen, neurologische oder muskuläre Erkrankungen, bestimmte genetische Syndrome und Frühgeburtlichkeit sein. Rund 10 Prozent aller Kleinkinder brächten eine solche Impfindikation mit sich.

Für Kleinkinder, die engen Kontakt zu besonders gefährdeten Personen haben – beispielsweise wenn Eltern oder Großeltern Risikofaktoren für eine schwere Erkrankung mitbringen – spricht die Stiko keine explizite Impfempfehlung aus. Da die Impfung eine Ansteckung mit der Omikron-Variante nicht wie erhofft verhindere, relativiere sich die Schutzfunktion für Dritte, so Mertens.

Kinderarzt Terhardt betonte, dass auf Wunsch der Eltern und nach ärztlicher Aufklärung Kleinkinder auch ohne ausdrückliche Stiko-Empfehlung geimpft werden können. „Wenn ein Impfstoff zugelassen ist, kann er auch angewendet werden. Aus juristischer Sicht gibt es für einen Arzt keinen Grund, Nein zu sagen.“

Der nun zugelassene Kleinkinderimpfstoff ist noch nicht auf die Omikron-Variante angepasst. Für die Gruppe der 5- bis 11-Jährigen befindet sich ein solcher angepasster Impfstoff gerade im Zulassungsprozess. Die Frage nach dem zusätzlichen Nutzen im Vergleich zu den für den Wildtyp entwickelten Impfstoffen sei aber ohnehin noch nicht geklärt, so Mertens.

Einige Eltern hatten ihre Kleinkinder schon vor der aktuellen Zulassung impfen lassen. Insgesamt geht man bei der Stiko nicht von einer großen Nachfrage aus. Auch bei den 5- bis 11-Jährigen sind bislang nicht einmal 23 Prozent geimpft. Martin Terhardt appellierte an die Eltern, das Impfangebot noch wahrzunehmen. Zwar sei der überwiegende Teil dieser Altersgruppe bereits mindestens einmal infiziert gewesen, aber die Kombination aus Impfung und Infektion verbessere die Basisimmunität deutlich. Damit seien die Kinder im Herbst gut gerüstet.

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