: Stiftung Wohnliche Stadt soll bluten
■ Finanzressort will Spielbank-Gelder für „Wohnliche Stadt“einkassieren / Ulrich Nölle (CDU) bricht sein Wort von 1995 / Welche Interessen vertritt der Stiftungsratsvorsitzende Nölle?
Horst Heise, ein pensionierter treuer Staatsbeamter, der sich auch nach dem Ende seines Arbeitslebens noch für den guten Zweck der „Stiftung Wohnliche Stadt“als geschäftsführender Vorstand aufreibt, ist an eine Grenzen gekommen: „Es wird sehr schwierig am Montag“, sagte er vergangene Woche zur taz. Heute trifft sich der Stiftungsrat, und da will der Vorsitzende dieser Stiftung, Ulrich Nölle, gut zehn Prozent der jährlichen Mittel wegkürzen. Denn Ulrich Nölle ist gleichzeitig Finanzsenator. Und alles, was von den Spielbank-Gewinnen nicht an die Stiftung geht, kassiert der Finanzsenator.
„Weg“ist das Geld dann für den Stifter Heise, irgendwo verschwunden in den schwarzen Haushaltslöchern. Wo die Stiftung doch so viel für gute Zwecke der Stadtgestaltung tut: Kaum ein öffentliches Bauwerk, kaum eine Grünanlage, die nicht irgendwann einmal zur Stiftung gekommen ist und Gelder beantragte, Glocke, Kunsthalle, Cinemaxx, Güldenkammer, Mühle Oberneuland, Spielhäuser Bürgerhäuser – in einem eindrucksvoll dicken Bildband hat Heise kürzlich eine Zwischenbilanz seiner Stiftung fotografisch festgehalten.
Als der Finanzsenator nach dem Antritt der großen Koalition im Jahr 1995 zum Vorsitzenden des Stiftungsrates gewählt wurde, war die Grüne Lisa Wargalla schon dagegen: „Da wird der Bock zum Gärtner gemacht“, protestierten die Grünen damals. Denn der begehrliche Blick des Finanzsenators auf die ca. 15 Millionen Mark Stiftungagelder jährlich war seit seinem Amtsvorgänger Volker Kröning (1993) aktenkundig. Einstimmig hatte die Bürgerschaft beschlossen, daß die Gelder der Stiftung tabu sein sollten. Auch die CDU hatte mitgestimmt. Nölle als Stiftungsvorsitzender kann die Interessen der Stiftung gegen den Finanzsenator nicht vertreten, befürchteten die Grünen. In der Sitzung des Stiftungsrates am 30.8.95 schwor Nölle heilige Eide, daß er sich als Finanzsenator nicht an den Stiftungsgeldern vergreifen würde. „Niemand braucht zu befürchten, daß das Finanzressort unter seiner Führung Hand an die Finanzausstattung der Stiftung legen könnte“, zitiert das Protokoll den Finanzsenator: „Die diesbezügliche Diskussion ist beendet.“Ein Mann, ein Wort.
Die übrigen Mitglieder des ehrenamtlichen Stiftungsrates glaubten ihm und stimmten 1995 für den Finanzsenator als Stiftungsvorsitzenden. Nur die Grünen blieben mißtrauisch. Zu Recht, wie sich jetzt herausstellt. 1,3 Millionen Mark sollen von den Spielbank-Überschüssen der Stiftung abgezogen werden. Die Begründung: Diese Summe sei die Häfte der Kosten der Spielbank-Aufsicht. Aber bis 1982, erinnert sich Stiftungs-Mitgründer Heise, bekam die Stiftung alle Spielbankgelder. Das war bei der Stiftungsgründung schon ein Kompromiß gewesen: Ohne die Festlegung auf den guten Zweck hätte es für eine neue Spielbank in Bremen keine politische Mehrheit gegeben. 1982 war also der erste Sündenfall. Damals fand sich Heise widerwillig damit ab, daß die Stiftung auf 50 Prozent der Spielbank-Gelder gekürzt wurde.
Und heute soll von der Stiftung das nächste Scheibchen abgeschnitten werden. „Unglücklicherweise“sei der Vorsitzende der Stiftung der Mann, der gleichzeitig Finanzsenator ist, formuliert Heise heute. Wird der Stiftungsrat die Interessen der Stiftung vertreten? Wenn nicht, dann ist für Heise das Ende der Fahnenstange erreicht. Heise hatte sich damals schon erhebliche Vorwürfe anhören müssen: „Das lasse ich mir nicht noch einmal sagen“. Mehrere Gutachten lägen vor, deutet er an, nach denen das ganze Spielbank-Geld der Stiftung zukommen muß. Ansonsten sei das Finanzressort sogar „schadensersatzpflichtig“. K.W.
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