Stichwahl um die Präsidentschaft in Peru: Ein knappes Rennen
Die Stichwahl um das Präsidentenamt spaltet Perus Regionen. In den Anden und im Amazonas wählen die Menschen links, in den Städten rechts.
„Der eine Kandidat ist ein Kommunist, und die andere korrupt“, benannte der 27-jährige Arbeiter Brian Casaflores in Lima das Dilemma. Er hatte sich entschieden, für keinen zu stimmen. Damit war er in der Minderheit.
In allen Gebirgsdepartements und in fast allen der dünn besiedelten Amazonasgebiete hat Castillo jetzt haushoch gewonnen. Es sind die Gebiete mit einer mehrheitlich indigenen und mestizischen Bevölkerung. Es sind auch die Gebiete, in denen der Reichtum Perus – früher wie heute – abgeschöpft wird in Form von Gold, Kupfer, Zink und Erdgas. In diesen Gebieten steht Castillo für einen Systemwechsel, für einen heiß ersehnten Neuanfang und für den Wunsch nach Aufwertung der ländlichen und indigenen Identität.
Ob der Lehrergewerkschafter, der noch nie ein Wahlamt gewonnen hat und auf dem Ticket einer marxistischen Regionalpartei fährt, der geeignete Mann für diesen Wechsel ist – daran darf man aber zumindest Zweifel haben.
Marxistischer Lehrer versus neoliberaler Diktatorentochter
Der andere Teil Perus, namentlich die Küste mit ihrer Hauptstadt Lima, wo ein Drittel der peruanischen Bevölkerung lebt, dagegen hat mehrheitlich für Keiko Fujimori gestimmt.
Dabei war die Tochter des ehemaligen Präsidenten Alberto Fujimori politisch auf dem absteigenden Ast und sieht sich einem Gerichtsverfahren wegen Geldwäsche gegenüber. Doch die Aussicht, dass mit Castillo ein Marxist Präsident werden könnte, mobilisierte sogar bis dahin als glühende Fujimori-Gegner bekannte Leute wie den peruanischen Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa dazu, Wahlwerbung für Keiko Fujimori zu machen.
Die städtische Mittel- und Oberschicht, das Establishment der Hauptstadt, sieht in Keiko Fujimori die Garantin dafür, dass Peru das in ihren Augen erfolgreiche neoliberale Wirtschaftssystem weiterführt und nicht den Weg Venezuelas beschreitet.
Wer immer das Präsidentenamt am 28. Juli antreten wird: Er oder sie wird ein zutiefst gespaltenes Land regieren müssen. Nach ersten Hochrechnungen führte Castillo hauchdünn mit 0,4 Prozent Vorsprung vor Fujimori. Die laufende Auszählung zeigte dagegen beständig Fujimori als Siegerin an.
Ihr Vorsprung von rund 53 gegen rund 47 Prozent nach Auszählung von knapp der Hälfte der Stimmen aber schrumpfte am Montagmorgen Ortszeit immer weiter: Als etwas über 92,5 Prozent der Stimmen ausgezählt waren, lag ihr Stimmanteil noch bei 50,13 Prozent gegenüber 49,87 Prozent für Castillo, ein Unterschied von knapp über 40.000 Stimmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär