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Steven Cherundolo von Hannover 96Der brave Mann aus Amerika hört auf

15 Jahre war er bei Hannover 96. Steven Cherundolo hat nie für einen anderen Profiverein gespielt. Jetzt beendet er seine aktive Karriere und wird Co-Trainer.

Zieht selten zurück: Steven Cherundolo (l.) im Duell mit Franck Ribery Bild: dpa

HANNOVER taz | Zum Abgang gab es gleich mehrere Krönungen. Steven Cherundolo duzte den Präsidenten und schloss Martin Kind wie einen guten Kumpel in seine Arme. Statt eines Abschiedsspiels, das es nicht geben kann, durfte er noch einmal zehn Minuten lang mittrainieren und den Kollegen Szabolcs Huszti mit dem allerletzten Ballkontakt tunneln. Dann war’s das. Nach drei Knieoperationen und nicht enden wollenden Beschwerden hat der Amerikaner seine Karriere beendet.

Cherundolo war 15 Jahre und zwei Monate lang Fußballprofi, vom ersten bis zum letzten Tag bei Hannover 96. „Es gibt für jeden Spieler den perfekten Verein. Ich habe meinen gleich im ersten Versuch gefunden“, sagt der 35-Jährige. Der Blick zurück auf die Laufbahn eines Mannes, dem angesichts seiner positiven Art niemand böse sein kann, fördert Erstaunliches zu Tage. Als Cherundolo im Januar 1999 in Hannover mit der Referenz anheuerte, Universitätsspieler in Portland gewesen zu sein, spielte 96 noch im guten alten Niedersachsenstadion. Sein künftiger Arbeitgeber stieg gerade in die 2. Bundesliga auf und näherte sich dem finanziellen Ruin.

„Du warst ein junger Kerl, hast kein Wort Deutsch gesprochen und die Herausforderung angenommen. Ich habe das damals sehr bewundert“, sagt Kind. Wenn er über Cherundolo spricht, klingt der erfolgreiche Unternehmer und stets resolute Klubchef so, als gehe es um einen guten Freund.

In seinen anderthalb Jahrzehnten bei Hannover 96 hatte Cherundolo insgesamt 415 Einsätze für die Niedersachsen. Erst als absoluter Novize und dann auch als Kapitän durfte er miterleben, wie Kind nicht weniger als zehn Trainer verschlissen hat. Dass er als Spieler nie gescheitert ist und immer wieder einen Folgevertrag erhalten hat, beweist: Stagnation war für den Rechtsverteidiger ein Fremdwort.

Kein Freund rührseliger Momente

Beim Eishockey würden sie das Trikot eines solch verdienten Spielers unter das Hallendach hieven und ihm damit ein textiles Denkmal setzen. Beim Fußball wäre ein Abschiedsspiel mit viel Tamtam üblich. Cherundolo hat bei seinem Abgang am Mittwochabend den Eindruck erweckt, als sei ihm ganz recht, dass es keine rührseligen Momente mehr geben wird. Sein Knie spielt nicht mit. Und nach langer Zwangspause ist er entschlossen, gleich sein neues Glück zu versuchen.

Cherundolo wird Co-Trainer der U23-Mannschaft von Hannover 96 und möchte sich schnell einer Rolle als Cheftrainer im Profibereich annähern. Seine Vorbilder? Mirko Slomka nennt er, auch Ewald Lienen, Ralf Rangnick und Tayfun Korkut. Keiner der Genannten hatte jemals Streit mit Cherundolo oder die Sorge, dass es Ärger geben könnte.

Es sieht nicht danach aus, als ob sich dieser Typ jemals von Hannover 96 lösen wird. Dass Cherundolo den Wandel der „Roten“ vom Chaosklub zur etablierten Bundesliga-Adresse prägen konnte, hat tiefe Spuren hinterlassen. „Ich bleibe immer Amerikaner, aber ich bin auch Hannoveraner. Hier bei 96 habe ich alles“, sagt Cherundolo. Er lebt mit seiner deutschen Frau in Großburgwedel bei Hannover in einem Haus, das selbst der vermögende Klubchef Kind sehr beeindruckend findet. Sein Herz schlägt weiter für seine Heimat San Diego, in die es ihn immer wieder zieht.

Ein Mann von Ehre

Die vierte Teilnahme an einer WM wird es für Cherundolo nicht geben. Bei dem im Sommer anstehenden Turnier zu fehlen, tut ihm besonders weh. Das abrupte Ende spornt aber auch irgendwie an. Er will seinen Karriereplan konsequent in einer Branche fortsetzen, die sich aus seiner Sicht nicht nur zum Vorteil entwickelt hat. Dass junge Spieler sich heute mit der Aussicht auf mehr Geld an einen Verein binden, um diesen während der vereinbarten Vertragslaufzeit vorzeitig zu verlassen, empfindet er als Unding.

Auf die neue Aufgabe bei Hannover 96 haben sich Cherundolo und Kind per Handschlag geeinigt. Beiden war klar: Sie besiegeln damit vorab einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Auf die Frage, welche Rolle der Präsident dem angehenden Trainer noch zutraut, kann es nur eine Antwort geben. „Er hat diese positive Art. Ich traue ihm zu“, sagt Kind, „dass Stevie eines Tages Bundesligatrainer von Hannover 96 sein wird.“

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