Steuersenkungen beschlossen: Kabinett beschenkt Reiche

Union und FDP haben Entlastungen von insgesamt 8,5 Milliarden Euro beschlossen - von den Änderungen profitiert aber vor allem die eigene Klientel.

Umverteilung von unten nach oben. Bild: Ruby Ran - Lizenz: CC-BY-SA

BERLIN taz | Ausgerechnet der erste FDP-Wirtschaftsminister seit elf Jahren entdeckt jetzt die Lehren des britischen Ökonomen John Maynard Keynes. "Wir müssen ja konjunkturell Gas geben", verteidigte Ressortchef Rainer Brüderle das Konvolut von Steuersenkungen und Kindergelderhöhung, das die Bundesregierung am Montag auf einer außerordentlichen Kabinettssitzung beschloss. "Es wäre falsch, den Haushalt runterzufahren, das würde die Krise verschärfen", sagte Brüderle mit Bezug auf die Sparpolitik des damaligen Reichskanzlers Heinrich Brüning in der Weltwirtschaftskrise der frühen 1930er-Jahre.

Bei den Beschlüssen handelt es sich um eine Reihe von Wahlversprechen für die eigene Klientel, deren sofortige Umsetzung Union und FDP bei ihren Koalitionsgesprächen vereinbart hatten. Vor allem soll der Kinderfreibetrag bei der Einkommensteuer von jetzt 6.024 Euro auf künftig 7.008 Euro steigen. Davon profitieren Besserverdienende ab einem Jahreseinkommen von rund 63.000 Euro, weil erst dann die Steuerersparnis das alternativ gezahlte Kindergeld übersteigt. Das Kindergeld selbst soll sich um 20 Euro pro Kind und Jahr erhöhen.

Für Unternehmen werden die zuletzt eingeschränkten Möglichkeiten wieder ausgeweitet, Verluste steuermindernd geltend zu machen. Das gilt insbesondere für Zinszahlungen. Um einen Familienbetrieb beim Tod des Inhabers steuerbegünstigt übernehmen zu können, müssen die Erben die Firma nur noch fünf Jahre fortführen und dürfen über den gesamten Zeitraum 20 Prozent der zuvor gezahlten Löhne und Gehälter einsparen.

Generell kommen bei Erbschaften Geschwister sowie Nichten und Neffen künftig in den Genuss einer günstigeren Steuerklasse. Außerdem sinkt die Mehrwertsteuer für Übernachtungen in Hotels, Pensionen oder Gaststätten von bisher 19 auf nur noch 7 Prozent. Experten rechnen allerdings nicht damit, dass die Wirte die Ersparnis an die Kundschaft weitergeben.

Alles in allem summieren sich die Mindereinnahmen und Mehrausgaben für die Staatskasse auf rund 8,5 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist fast das 30-fache jener 0,3 Milliarden Euro, die das neue Kabinett für die großspurig angekündigte Erhöhung des Schonvermögens von Hartz-IV-Empfängern aufbringen will. Weil sich die Bundesländer den üppigen Wahlgeschenken widersetzen, hat Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereits angekündigt, dass der Bund den größeren Teil der Kosten alleine trägt.

Das Paket soll noch an diesem Donnerstag im Bundestag eingebracht und am 4. Dezember beschlossen werden. Die Verabschiedung in der Länderkammer ist für den 18. Dezember geplant, so dass die Steuernachlässe bereits am 1. Januar in Kraft treten können.

Weiter uneins sind Bundes- und Landespolitiker von Union und FDP dagegen über eine große Steuerreform, die laut Koalitionsvertrag "möglichst" im kommenden Jahr beschlossen werden soll. Hier hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Unions-Ministerpräsidenten vorgeschlagen, eine Kommission unter Federführung Schäubles einzusetzen. Sie soll auf der Basis der großen Steuerschätzung im Mai 2010 Vorschläge erarbeiten. Damit wäre das Thema bis zur wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen neutralisiert. Schäuble hatte wiederholt deutlich gemacht, dass er die FDP-Wünsche nach umfassender Entlastung für unrealistisch hält. Ähnlich äußerten sich auch zahlreiche Landespolitiker von Unionsparteien und FDP, die von den Plänen untragbare Belastungen für ihre eigenen Landeshaushalte befürchten.

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