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Stellenabbau bei Enercon800 Wind-Jobs auf der Kippe

Der Kraftwerkshersteller Enercon kündigt mangels Aufträgen Stellenstreichungen an. Der Windenergie-Verband fordert mehr Ausschreibungen.

Rotorblätter in einer Fabrik des Windkraftanlagenherstellers Enercon in Haren (Niedersachsen) Foto: dpa

BERLIN taz | In Deutschland werden weniger Windkraftwerke als früher neu gebaut. Weil das den Anstieg des Strompreises gebremst habe, wertet das Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) als Erfolg. Doch es zeigen sich negative Begleiterscheinungen. Mehr als 800 Arbeitsplätze sollen demnächst wegfallen, teilte der norddeutsche Windanlagenbauer Enercon am Donnerstag mit. Als Grund gibt das Unternehmen in Aurich „fehlendes Auftragsvolumen am Heimatmarkt“ an.

Enercon ist einer der größten einheimischen Produzenten von Windrädern. Nun würden „Arbeitsplätze in eigenen Unternehmen“ gestrichen, wie Heiko Messerschmidt, Sprecher der Gewerkschaft IG Metall Küste, in Hamburg sagte. Betroffen sind Gesellschaften wie WEC Turmbau Emden, WEC Turmbau Magdeburg und die Aero Ems GmbH. Der Windradhersteller will sich stärker auf internationale Märkte konzentrieren. Unter anderem nennt er Frankreich, Schweden, Türkei, Südamerika und Südafrika.

Die IG Metall spricht von einem „Kahlschlag auf Kosten der Beschäftigten“. Das Unternehmen dürfe jetzt nicht versuchen, Entlassungen von Hunderten Mitarbeitern und die Schließung von Standorten innerhalb kürzester Zeit durchzuziehen. Die Industriegewerkschaft bittet die niedersächsische Landesregierung um Hilfe und Vermittlung. Das Verhältnis zwischen Enercon-Geschäftsführung und Gewerkschaft gilt traditionell als schwierig.

Gleichzeitig machen beide die Bundesregierung verantwortlich. Mit seiner Energiepolitik gefährde Altmaier „Investitionen, Standorte und Arbeitsplätze in der Windenergiebranche“, sagte Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste. Enercon mahnte „geeignete und faire Rahmenbedingungen“ an. Die grüne Bundestagsabgeordnete Julia Verlinden erklärte: „Hunderte wegfallende Arbeitsplätze allein in Norddeutschland sind das dramatische Ergebnis der falschen Energiepolitik dieser Bundesregierung.“

Kahlschlag auf Kosten der Beschäftigten

IG Metall

Weil ihr die Kosten für Wind- und Solarkraftwerke, die die Stromkunden bezahlen, zu stark stiegen, hat die Große Koalition den Neubau begrenzt. Während dieses Jahr Windanlagen mit einer maximalen Leistung von 2.800 Megawatt (MW) genehmigt werden, kamen früher pro Jahr fast 5.000 MW dazu. Außerdem führte die Regierung Ausschreibungen ein: Nur die billigsten Bieter dürfen bauen. Das führt zu einem harten Preiswettbewerb.

Diese Entwicklung bedroht nach Ansicht der IG Metall nun die Arbeitsplätze in der Windenergie-Branche. Rund 2.500 Stellen seien seit Anfang 2017 verlorengegangen, sagte Messerschmidt. So gab zum Beispiel der Windanlagenhersteller Senvion auf. Genaue Zahlen, die den Zustand der Branche 2017 und 2018 abbilden, gibt es jedoch noch nicht. Trotzdem fürchtet die IG Metall, dass der Wind­industrie dasselbe Schicksal droht wie der Solarwirtschaft. Diese ist im globalen Wettbewerb untergegangen. Hiesige Kraftwerkshersteller gaben reihenweise auf.

Der Bundesverband Windenergie fordert Minister Altmaier nun auf, die angepeilte Sonderausschreibung für zusätzliche Windkraftwerke zügig in die Wege zu leiten. Sie würde ermöglichen, den Ausbau-Deckel von 2.800 MW anzuheben. Das Bundeswirtschaftsministerium lässt sich allerdings Zeit, was auch die SPD im Bundestag kritisiert.

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6 Kommentare

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  • zu Punkt 2:



    momentan ist die Sättigung, was Fläche aber auch ( und besonders) bessere Flächenausnutzung durch Repowering betrifft noch nicht erreicht, im Ausland noch viel weniger.



    Es gäbe noch jede Menge Wachstumspotential.



    Die gewollte Ausbremsung beim Zubau, getarnt durch vermeintliche Marktzwänge, ( die Konstruktion der EEG Umlage, die bei günstiger werdenen Erzeugerpreisen bei Ökostrom zu einer höheren EEG Umlage führt und damit unmittelbar zu steigenden Endkundenpreisen, verdeutlicht das) und zusätzliche Planungsbestimmungen ist leider der Grund für den Rückgang in der Branche. Der Markt ist noch nicht gesättigt, das käme unweigerlich auch irgendwann und dann wären die Probleme ähnlich, nur ist dies momentan noch nicht der Fall.



    Auch Windkraftanlagen müssen gewartet und erneuert werden, da gäbe es auf Dauer auch noch genug Arbeitsplätze und damit bezahlte Menschen, die das Geld bekommen und nicht Börsenhändler. Momentan sind die gesetzlichen Bestimmungen der Grund für die verlorenen Arbeitsplätze.

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Ich finde es schade, dass hier drei Diskussionen beliebig vermischt werden:



    1. versucht ein Unternehmen, seine Kosten durch Abbau von Mitarbeitende in den Griff zu bekommen. Das ist ein Standardreflex der Wirtschaft, ebenso falsch wie töricht.



    2. gibt es keinen steigenden Markt für Windkraftanlagen. Das kann man schlecht finden - ist vielfach aber auch ein reines Flächenproblem. Windmühlen lassen sich nicht grenzenlos in die Landschaft pflastern und für Windparks gibt es gute Untersuchungen, wieviele Mühlen eine definierte Fläche im Sinne der Stromausbeutung verträgt.



    3. geht es immer wieder um die seit Jahren völlig fehlgeleitete Energiepolitik einer praktisch planungslosen und gestaltungsfreien Bunderegierung.



    Jedes einzelne Thema läßt sich gut und kritisch bearbeiten, durchmischt birgt es die Gefahr, dass falsche Allgemeinplätze kommuniziert und zu fehlerhaften und -sorry- inkompetenten Einschätzungen führen.

  • Paradox ist wertfrei, das trifft es nicht genau.



    Es ist der reine Wahnsinn.

    Der Strom kann gern über die Börse gehandelt werden.



    Das funktioniert. Sieht man auch an den teils negativen Preisen für Strom.



    Aber die Kette zum Verbraucher wird vom Staat gestört.



    Dort muß angesetzt werden.

    Ich wechsel jedes Jahr meinen Stromanbieter, damit ich von den



    kranken Boni profitieren kann. Eigentlich hätte ich auch gern



    meine Ruhe mit eine lokalen Anbieter. Ein paar Cent heben mich



    nicht an, aber bei 200€ weniger Jahr hört der Spaß.

    • @rollef:

      Aber ist der Handel über die Börse nicht das Problem? Die Gewinne aus den vermeintlich niedrigen Preisen dort, verbleiben bei den Zwischenhändlern und werden nicht an den Kunden weitergereicht. Statt dessen bezahlt der Kunde die Differenz um die niedrigen Preise auszugleichen. Für die Händler und Produzenten ist das kein Verlust, sondern neutral.



      Als Rechnung: wenn der Windkraftstrom mit angesetzten 4,87 ct / kwh (Anlage mit Baujahr 2012) vergütet wird, an der Börse aber nur 3,2 ct /kwh erzielt (Ende 2017, vorher war er noch niedriger) wird die Differenz von 1,67 ct / kWh durch die EEG Umlage ausgeglichen, sprich vom Endkunden direkt und zwar nur von denen, die sich nicht befreien lassen können.



      Wenn der Endkunde aber durchschnittlich 29,16 ct / kWh (Durchschnitt 2017) bezahlt ist da viel Luft.



      Bei einem Direktverkauf oder aber bei einer Direktversorgung durch einen Versorger ohne Börse würde der Preis um 1,67 ct / kWh niedriger sein können.



      Was da alimentiert wird ist der Börsenhandel und nicht die Ökostrombranche. Die ist in den Erzeugerpreisen mittlerweile konventionellem Strom ebenbürtig, nur schlägt sich das nicht im Endpreis nieder.



      Sündenbock ist sie trotzdem.

  • ist das paradoxon nicht, das gerade niedrige strompreise an der börse eine hohe eeg umlage zur folge haben und eine begrenzung des zubaus, die eine weitere angebotserhöhung, sprich einen sinkenden börsenpreis verhindert maximal keine auswirkung auf die eeg umlage hat evtl. aber (wenn auch unwahrscheinlich) steigende Börsenpreise generieren könnte, damit zwar die eeg umlage senken würde, gleichzeitig den strom für den kunden aber nicht verbilligen würde.



    wahrscheinlich ist es einfach nur schon spät, es erscheint mir aber doch nur maximal eine fixierung des preisniveaus für den endverbraucher möglich, aber keinesfalls eine senkung.



    vielleicht sollte der strom nicht an der börse gehandelt werden, sondern direkt verkauft an die abnehmer, zum selben preis für den endverbraucher würde der erzeuger einen höheren preis erzielen, evtl. keine eeg umlage benötigen. die börsenhändler und zwischenverkäufer schauen dabei jedoch in die röhre, evtl. liegt ja das problem teilweise an der marktfixiertheit der politik?



    wer dazu etwas sagen kann, nur her damit!

  • Das alte Problem: Solarzellen und Windanlagen sind relative low-tech und damit leicht kopierter, billiger anderswo herzustellen. Selbst wenn man, wie die deutsche Windbranche, jahrelang wieder Steinzeitkapitalismus ohne Betriebsräte und Sozialleistungen gefahren hat.