Steiners Pädagogik in staatlicher Schule: „Ein bisschen Waldorf geht nicht“
In Hamburg soll 2014 eine staatliche Schule mit Waldorfelementen starten. Kritiker warnen vor Esoterik und Anti-Aufklärung.
HAMBURG taz | In Hamburg soll es ab Sommer 2014 eine staatliche Schule geben, die Elemente der Waldorfpädagogik aufnimmt.
SPD-Schulsenator Ties Rabe will auf diese Weise in dem ehemaligen Arbeiterstadtteil Wilhelmsburg die Gründung einer weiteren Privatschule verhindern und das Quartier für bildungsorientierte Eltern attraktiv machen. Denn ursprünglich wollte die „Interkulturelle Waldorfinitiative“ in dem im Umbruch befindlichen Viertel eine Schule gründen.
„Es geht uns nicht um eine staatliche Waldorfschule“, sagt Rabe. Es gehe darum, Kindern mit Lernschwierigkeiten die besten Voraussetzungen zu bieten und einer „sozialen Separierung bewusst entgegenzuwirken“.
Die Kooperation zwischen Staat und Waldorf findet in Form eines auf acht Jahre ausgelegten Schulversuchs an der Grundschule Fährstraße statt. Die Schule hat derzeit 270 Schüler, davon 90 Prozent mit Migrationshintergrund. Die neue Schule soll künftig staatliche Lehrer mit zusätzlicher Waldorfausbildung einstellen.
Außerdem soll es ihr erlaubt sein, größere Klassen zu bilden, um mehr Doppelbesetzung zu ermöglichen. Und sie soll in Epochen unterrichten, das sind sechswöchige Phasen, in denen ein Fach gründlich durchgenommen wird. Eurythmie ist nicht Pflicht, aber als Kurs im Angebot. Auch von Noten werden die Kinder befreit.
Das Projekt ist hochumstritten. Der Bremer Grundschullehrer André Sebastiani lehnt den Schulversuch „aufs Schärfste ab“. Er hat im Namen der „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften“ (GWUP) in einer Onlinepetition rund 2.300 Unterschriften gegen den Schulversuch gesammelt.
"Esoterisch statt wissenschaftlich"
Er warnt davor, „esoterische und wissenschaftsfeindliche Ideen ins staatliche Schulwesen einzuführen“. Alles in der Waldorfpädagogik, auch der Kunst- und Musikunterricht, fuße auf der anthroposophischen Lehre von Waldorf-Vater Rudolf Steiner.
Auch ein Brief von 22 Wissenschaftlern des GWUP-Wissenschaftsrats sei leider „völlig ignoriert“ worden, so Sebastiani. Darin heißt es, die anthroposophische Lehre enthalte ein Sammelsurium von antiaufklärerischen Ideen. So solle der Waldorf-Klassenlehrer „Künstler, Priester und höchste Autorität“ sein und das angebliche „Karma“ seiner Schüler durch „Hellsicht“ erkennen.
Die grundsätzliche Sorge der Kritiker: Es sei nicht möglich, nur die positiven Aspekte der Waldorfpädagogik herauszupicken. „Ein bisschen Waldorf geht ebenso wenig wie ein bisschen schwanger.“
Das sieht die Hamburger Behördenleitung anders. Man sei bei den gemeinsamen Konzeptionsgesprächen „nicht mit Esoterikgehabe überschwemmt worden“, sagt Landesschulrat Norbert Roosenboom.
Die Schulaufsicht werde eine Auge auf Lehrmaterialien und Inhalte haben, versichert Schulsenator Ties Rabe (SPD). „Es wird an einer staatlichen Schule künftig nicht entlang des Karmas unterrichtet.“ Dies sei übrigens auch an normalen Waldorfschulen nicht so, ergänzt Christiane Leiste vom Verein Interkulturelle Waldorfpädagogik.
Rabe warnte davor, den Schulversuch für einen „Glaubenskrieg“ zu missbrauchen. Und: „Die Kritik kommt weder aus Hamburg noch aus Wilhelmsburg.“ Zudem gebe es in der Stadt mit der Albert-Schweitzer-Schule seit 62 Jahren eine staatliche Schule mit Waldorfprägung.
Roosenboom bot Sebastiani an, in einem Jahr bei der neuen Schule mit ihm gemeinsam zu hospitieren.
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