Stefan Reinecke zur Wagenknecht-Partei BSW: Bündnis für Überforderte
Die Wagenknecht-Partei BSW ist ein doppeltes Novum. Sie verbindet linke Sozialpolitik mit rechtem Kulturkonservativismus. Das gab es bisher so wenig wie die Fokussierung auf eine Person. BSW ist vor Ort bislang kaum verankert. Aber der Parteitag in Sachsen zeigte, dass man mit der Partei rechnen muss. Die handverlesene Truppe von ein paar Dutzend Parteimitgliedern ging diszipliniert ans Werk. Keine Debatte. Alles top down, zentriert um den Star.
Wagenknecht bedient eine pazifistischen Rhetorik, die Putins Aggression verdrängt. BSW will wieder russisches Gas kaufen und Kiew keine Waffen liefern – also den russischen Imperialismus mitfinanzieren und die Ukraine zur Kapitulation zwingen. Diese Haltung verrät einen brutalen, materiellen Egoismus. Germany first, mit Friedenslyrik nur umrankt. Daran ändern auch pflichtschuldige Hinweise nichts, dass man Putins Krieg verurteile.
Aber es gibt auch andere Töne. BSW versucht eine Balance zwischen populistischer Wutbewirtschaftung und Realpolitik, eine Kombination von etwas Linkspartei-Gerechtigkeit und viel Sehnsucht nach gestern.
Denn die Zukunft, die BSW entwirft, ähnelt der Vergangenheit. Es ist eine Welt mit weniger Migranten und mit Grundschulen ohne Laptops, in denen noch Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt wird. Auf den Straßen fahren auch in Jahrzehnten noch solide deutsche Verbrennerautos.
BSW leugnet, anders als die AfD, den Klimawandel nicht, findet ihn aber nicht so dringlich. Das schürt die Illusion, dass man sich die Zumutungen des gigantischen, klimaneutralen Umbaus der Gesellschaft vom Leib halten kann. Dieses nostalgische Versprechen ist der Kern von BSW. Es ist ein Angebot an Milieus, die sich im Selbstverwirklichungskapitalismus abgehängt fühlen. Der Mix aus Elitenverachtung, nationalistischen Tönen und Verteidigung des Normalen zielt auf die Veränderungsmüden, die sich überfordert fühlen. Das hat etwas Regressives. Und etwas Entlastendes. Zukunftstauglich ist das nicht. Für den Moment erfolgreich aber vielleicht schon. inland
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