Stefan Alberti ist nur anfangs enttäuscht vom ersten Ausschussbesuch des Holm-Nachfolgers: Auch ohne Krawatte ein bisschen Edelsozialist
Ein Edelsozialist war angekündigt. So hatte die Sächsische Zeitung jedenfalls den Mann bezeichnet, der nun in Berlin der neue Holm sein soll, also Nachfolger von Staatssekretär Andrej Holm – bloß ohne Stasi. Und der Zweireiher und die goldgewirkte Krawatte von seinem Foto am Dresdner Landtags-Rednerpult, wo er über 12 Jahre Abgeordneter war, hatten wirklich auch was hergemacht, genau wie die leuchtend blaue auf dem Wikipedia-Bild (rechts).
Insofern ist es etwas enttäuschend, dass Sebastian Scheel (41) bei seinem ersten Auftritt im Stadtentwicklungsausschuss des Berliner Parlaments im schlichten grauen Einreiher, im kleinkarierten Hemd und ganz ohne Krawatte daherkommt. Doch der lila Schal um den Hals, der hat etwas von Exfinanzsenator Ulrich Nußbaum, früher in der Landesregierung in Sachen Stil das Maß der Dinge. Würde ja passen: In Dresden war Scheel auch Finanzpolitiker. Und zugegebenermaßen heben sich die Schuhe, laut Sächsischer italienischer Machart und damit eher teuer, ebenfalls von üblicher Fußbekleidung ab.
An der Eingangskontrolle zum Ausschusssaal 311 muss man sich noch an ihn gewöhnen, den Ausweis hätte man dort gern gesehen, wie bei allen, die nicht Abgeordnete, Mitarbeiter oder Senatspersonal sind. Er sei der Staatssekretär, sagt Scheel, ohne dass das angeberisch klingt – und darf passieren und rein in den Saal.
Katrin Lompscher, seine Senatorin und Linkspartei-Kollegin, weist ihm dort am Kopfende den Platz rechts von ihr zu. Es ist jener, auf dem bis Dezember einer als sein Vorvorgänger saß, mit dem Scheel schon um die Jahrtausendwende zu tun hatte, im Leipziger Kommunalparlament: Engelbert Lütke Daldrup, jetzt auch mit neuem Job als Flughafenchef, war schon dort in der Stadtregierung fürs Bauen zuständig.
Ob er sich denn schon vertraut gemacht habe mit der aktuellen Gemengelage um die Käufe der Deutsche Wohnen, will die taz noch kurz vor Sitzungsbeginn von ihm wissen. Scheel grinst erst mal und sagt dann, er habe ja schon gelernt, „dass die Deutsche Wohnen hier persona non grata ist“. Das passt dann doch schon wieder zum Edelsozialisten, mit diesem bourgeoisen Latein um sich zu werfen …
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen