Staudamm-Projekte in Birma: Entvölkerung für den Strom-Export
Ein großes Staudamm-Projekt in Birma droht zahlreichen Menschen die Lebensgrundlage zu entziehen. Viele wurden bereits ohne Entschädigung vertrieben.
FLÜCHTLINGSLAGER EI TU HTA ap | Für die Regierung Birmas sind sie Symbole für Fortschritt und wirtschaftliche Entwicklung; für Menschen ethnischer Gruppen wie den Karen oder den Shan dagegen bedeuten sie Not und Vertreibung: Entlang des Flusses Salween ist der Bau von sechs Staudämmen geplant. Der dort erzeugte Strom soll allerdings überwiegend in Nachbarländer wie China und Thailand verkauft werden. Bewohner der Dammbaugebiete werden nach Angaben von Aktivisten ohne Entschädigung vertrieben.
Der Salween erstreckt sich über gut 2800 Kilometer vom Hochland Tibets durch die chinesische Provinz Yunnan, Birma und Thailand, bis er schließlich im Indischen Ozean mündet. In Birma fließt er unter anderem durch Gebiete, in denen Karen und Shan wohnen, zwei von zahlreichen ethnischen Minderheiten des Landes, die zum Teil seit Jahrzehnten für mehr Autonomie kämpfen. Vor drei Jahren wurde mit einer Reihe der Gruppen ein Waffenstillstand vereinbart, der allerdings immer wieder gebrochen wird.
Ein Bau der Staudämme würde die Situation weiter verschärfen. „Es ist klar, dass der Damm Hut Gyi und andere Projekte den Friedensprozess gefährden“, sagt General Baw Kyaw Hei von der Nationalen Befreiungsfront der Karen. Hut Gyi liegt im Osten Birmas im Karen-Gebiet. Im Streit über das 2,6 Milliarden Dollar (zwei Milliarden Euro) umfassende dortige Staudamm-Projekt gab es bereits mehrere bewaffnete Auseinandersetzungen. Tausende Bewohner wurden vertrieben, wie Flüchtlinge und Hilfsgruppen berichten.
Betroffen ist auch das Lager Ei Tu Hta, in dem 4.000 Menschen leben, die wegen früherer Kämpfe ihre Heimat verlassen mussten. Sollte das Projekt Hut Gyi verwirklicht werden, müsste das Lager eventuell geräumt werden. Vertreter der Ethnien ebenso wie von Menschenrechtsorganisationen berichten, dass die Regierung in bestimmten Gebieten bereits Fakten schafft: Sie werden entvölkert, Bewohner werden zur Flucht gezwungen. Dann wird das Gebiet quasi besiedelt durch militärische Einrichtungen: Lager, Hubschrauberlandeplätze, Straßen werden gebaut.
Angst vor neuen Kämpfen
Seit Juni beispielsweise wird auf diese Art und Weise ein Gebiet rund um den geplanten Staudamm Nong Pha, ebenfalls im Osten Birmas, erobert, das von einer für Autonomie kämpfenden Gruppe der Shan kontrolliert wird. Auch im südlichen Teil des Shan-Staates, rund um das Staudamm-Projekt Tasang, wird Berichten von Umweltschützern zufolge ähnlich vorgegangen. 9.000 Soldaten, heißt es, seien inzwischen dort. Seit den ersten Planungen für das Projekt 1996 seien insgesamt 300.000 Menschen vertrieben worden, erklärten Menschenrechtsaktivisten.
Aus Sicht von Vertretern der verschiedenen Ethnien sollte zunächst eine politische Lösung der schwelenden Konflikte gefunden werden. „Zunächst brauchen wir einen wirklichen Waffenstillstand, dann eine politische Vereinbarung, und danach können wir über Staudämme und andere Großprojekte sprechen“, sagt Karen-General Baw Kyaw Hei. „Wenn die Regierung nicht mit den Rebellen über das Projekt (Tasang) verhandelt, könnten neue Kämpfe ausbrechen“, befürchtet Nang Wah Nu, einer Shan Vertreterin im Parlament Birmas.
Die Regierung des Landes arbeitet bei den Staudamm-Projekten mit chinesischen und thailändischen Unternehmen zusammen. Für den Großteil der Menschen, die umgesiedelt werden müssen, ist keinerlei Entschädigung vorgesehen. Es ist auch keine Regelung mit den Ethnien geplant, die ihr Siedlungsgebiet verlassen müssen. Sie leben größtenteils vom Fischfang.
„Die Menschen vor Ort werden nichts bekommen als Ausgleich für die Zerstörung des Flusses“, meint David Tharckabaw, einer der früheren Anführer der Karen-Autonomiebewegung. Um ein solches Projekt umzusetzen, wären Transparenz, Rechtssicherheit, eine zuverlässige Verwaltung notwendig, Korruption müsse unterbunden werden. „Wenn sie jetzt kommen, werden sich nur die Generäle und deren Spezis bereichern.“
„Wir leben bereits im Elend“
Auch Wissenschaftler beklagen mangelnde Transparenz bei den Staudammprojekten. Auf einem internationalen Treffen in Thailand im November, bei dem es um den Salween ging, berichteten Mitarbeiter der Moulmein-Universität, ihnen werde der Zugang zu Informationen über mögliche Auswirkungen auf die Umwelt verwehrt. Viele sprachen sich dafür aus, dass der Bau sämtlicher Staudämme am Salween unterbrochen werde, bis verlässliche Daten zu einer möglichen Umweltbelastung vorlägen und ausgewertet worden seien.
Die Regierung Birmas äußerte sich auf Anfrage nicht zu Konflikten rund um den Bau der Staudämme. Sie hatte stets argumentiert, die Bevölkerung vor Ort profitiere davon, und die Projekte ebneten den Weg zum Frieden.
Die Menschen in Ei Tu Hta aber sehen das anders. Sie haben Angst vor der Zukunft und davor, erneut die Heimat zu verlieren. „Wir leben bereits im Elend“, sagt Htine Soe Htoo, der mit seiner Familie seit 2009 im Lager wohnt. „Was wird passieren, wenn das Wasser kommt und wir wieder flüchten müssen?“
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