piwik no script img

Start des Emissionshandels in ChinaOhne Obergrenze fürs Klima

Der chinesische Handel mit Emissionsrechten hat begonnen. Er wird vorerst nur wenige Energiekonzerne zur Kasse bitten.

Insgesamt 2.225 Kohle- und Gaskraftwerke in China sind zur Teilnahme am Emissionshandel verpflichtet Foto: Xinhua/imago

Nach Jahren der Ankündigungen und regionalen Pilotversuche ist es so weit: China hat einen nationalen Emissionshandel aufgebaut, der am Montag gestartet ist. Bislang greift das Handelssystem nur für die Stromerzeugung. Insgesamt 2.225 Kohle- und Gaskraftwerke sind zur Teilnahme verpflichtet, und zwar rückwirkend für den Zeitraum ab 2019.

Die chinesische Regierung spricht in einer Mitteilung von „einem wichtigen Ausgangspunkt“ für die Umsetzung der Klimaziele. Auch Um­welt­schüt­ze­r:in­nen finden lobende Worte. „Der Emissionshandel ist essenziell für die Reduktion der Emissionen und die damit verbundenen Kosten“, sagt Zhang Jianyu vom Environmental Defense Fund China.

Die Wirksamkeit des Handelssystems ist aber umstritten. Den Vorwurf fehlender Wirksamkeit musste sich auch der europäische Emissionshandel lange gefallen lassen. Der hatte unter anderem über Jahre eine viel zu hohe Obergrenze für CO2-Emissionen gesetzt, was zu niedrigen Preisen bei den entsprechend vielzähligen Zertifikaten führte – und zu keinem nennenswerten Effekt für das Klima. Langsam zeigt sich eine Wirkung.

Der chinesische Emissionshandel funktioniert aber ganz anders. Eine Obergrenze gibt es überhaupt nicht, es geht nur um Energieeffizienz. Entscheidend dafür, ob ein Energiekonzern für sein Kraftwerk zahlen muss oder nicht, ist die sogenannte CO2-Intensität. Das ist die Menge an Kohlendioxid, die für eine Megawattstunde Strom in die Atmosphäre entweicht. Wird mehr Strom produziert, können die Emissionen also trotzdem ungebremst weiter steigen.

Großzügiger Grenzwert

Der Grenzwert sei zudem „großzügig“ angesetzt, warnt die Energieexpertin Qin Yan von Refinitiv, einem US-amerikanischen Dienst für Finanzmarktdaten. Er liegt nämlich in etwa beim Durchschnitt aller Kraftwerke im Jahr 2019. Nur wenige sehr alte oder kleine Kraftwerke liegen darüber.

„Der Fokus auf die CO2-Intensität macht mit Blick auf die erforderliche Emissionsminderung langfristig keinen Sinn“, sagt die Klimawissenschaftlerin Brigitte Knopf, Chefin des Berliner Forschungsinstituts MCC. „China hat ein Kohleproblem, will sowohl im Inland als auch im Ausland weiter in Kohlekraftwerke investieren, und das wird der Emissionshandel erst einmal kaum verhindern.“ Knopf erwartet aber, dass China das System noch weiterentwickeln wird. „Der Handel wird ja nach und nach auf andere Wirtschaftszweige ausgeweitet, und irgendwann wird sicher auch eine Obergrenze für CO2-Emissionen kommen.“

Beobachten müsse man allerdings, ob und wie stark die chinesische Regierung die CCS-Technologie einzusetzen gedenke, meint Knopf. CCS steht für Carbon Capture and Storage, also die Abscheidung von CO2 aus den Kraftwerksabgasen und dessen anschließende unterirdische Lagerung. „Die Emissionen der Stromgewinnung auf diese Art zu vermindern, statt Kohlekraftwerke abzustellen, dazu passt die Ausrichtung auf die CO2-Intensität wiederum“, so die Wissenschaftlerin. „Das wäre aber nur eine Scheinlösung, die China nicht auf den Weg zum Kohleausstieg bringt.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • China setzt also auf Effizienz gemessen am Durchschnitt. Das ist sehr lahm und kappt höchstens die Kohleberg-Spitze.

    Und wenn ich das richtig verstanden habe, können ineffiziente Produzenten statt sauber zu werden Zertifikate kaufen, was zwar die Gesamtkosten erhöht, aber zusammen mit günstigerer Produktion aufgrund alter Anlagen oder fehlenden Reinigungen können die Anlagen trotzdem weiter laufen - es können höchstens saubere Anlagen mehr verdienen durch den Ablasshandel und ihren Strom günstiger anbieten...oder den Preis gleich lassen und mehr einnehmen.

    Der Strompreis regelt sich doch vermutlich nicht frei marktwirtschaftlich, sondern zentral?

    Mit viel Optimismus kann man das immerhin als Anfang verbuchen.