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■ StandbildGesprächsersatz

„Schreinemakers“, Donnerstag, 21.15 Uhr, RTL

Nichts hat sich geändert. Die Kulisse ist die alte, dieses naiv nachtblaue Pappkleinstädtchen, in dem jedes zweite Fenster erleuchtet ist, als säße dahinter ein kleiner Wicht und gucke Fernsehen.

Und wo in den alten Farben „Schreinemakers TV“ draufsteht, ist immer noch „Schreinemakers live“ drin: Margarethe, die Gästebegrabscherin, ständig von sich redende Egomanin, „eine von uns“, die es geschafft hat, in einer Selbstinszenierung als Hausfrau und Mutter berühmt zu werden. Trotz Mumpsgesicht, trotz eines Haarschnitts, der auch vor 15 Jahren ein Problem bedeutet hätte, und Anziehsachen, vor denen sich ein Ausstatter von David-Lynch-Filmen fürchten würde.

Viele Themen hat sie wieder für uns „im Sack“: Wenn Mütter am Ende sind, Autoenteisungsproblem, kalte Füße und „nicht schön, aber sexy“.

Und wie immer ist es eigentlich pupsegal, wie das Motto der nächsten zehn Minuten lautet, sind doch die Überleitungen und dauernden Verabschiedungen der eigentlich Clou. Da wird dem Mann, der eine Kollegin versehentlich zu Klump gefahren hat und wegen eines strittigen Alkoholtests nun obendrein noch arbeitslos ist, mit einem zynischen Lapsus – „Wir alle sind froh darüber, wie es gekommen ist“ – die Hand an der falschen Stelle gedrückt.

Und dem sprechenden Schattenriß hinter dem Sichtschutz, eine illegale Waffenbesitzerin und erfolglose Selbstmörderin, suggeriert Margarethe intimste Seelenkennerschaft: „Die Waffe hat Ihnen Ihr Leben versaut. Ich verstehe, daß Sie darüber nicht reden wollen.“ Die Monsterschau von Schreinemakers ersetzt das Gespräch, füllt nur den Atemzug zwischen Hallo und Danke.

Da wird dem abwesenden Biedenkopf für irgendwelche Erziehungsgelderabsichten ein „wählbarer Mann“ verliehen und Gérard Depardieu unter affigem Prusten und mädchenhaftem Gealbere gefragt, ob seine Nase denn wie sein Johannes sei. Eine Dämlichkeit, die Depardieu gut pariert: „Nein, der ist normal.“

Doch egal, wozu sich Schreinemakers entblödet, solange die Fernsehnation den Eindruck bekommt, Suizid und Amoklauf wären die häufigsten Todesarten, kann sie uns ungerupft mit einem „Bis nächste Woche“ drohen. Wurscht, auf welchem Kanal. Birgit Glombitza

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