■ Standbild: Rührendes no future
„Armes Deutschland?“, Sa., 19.20 Uhr, 3sat
Alte Journalistenregel: Nie Fragezeichen im Titel! Ein Titel muß prägnant sein. Fragezeichen verwässern die Aussage, offenbaren die Unentschlossenheit des Autors. Das gilt auch fürs Fernsehen. Doch die „Zeit TV“-Autorin Karin Rieppel nennt ihre 3sat-Reportage: „Armes Deutschland?“
Daß Armut ein Massenphänomen in Deutschland ist, wissen wir längst. Will Rieppel uns das Gegenteil beweisen? Nein. Sie möchte in ihrer Alltagsreportage das Abstraktum „Armut“ mit Menschen, die arm sind, konkret bebildern. Deshalb fährt sie nach Dortmund, Berlin und Guben – wie man das heute so macht: eine West-, eine Ost- und die Hauptstadt.
Rieppel filmt das Geschehen an einer Trinkhalle in Dortmund, Berliner Straßenkinder bei einem Theater- und Trommelprojekt und die Belegschaft der vor dem Konkurs stehenden Gubener Hutfabrik. Stellt schlichte Fragen und erhält banale Antworten: Die Zukunft ist vage, no future allenorts. Unentschlossen wird im Nebel des Elends gestochert. Dabei könnten solch divergierende Charaktere reizvolle Brüche schaffen, die gerade aus der Differenz eine Spannung, ja sogar Komik entstehen ließen. Doch auf dieser „berührenden Entdeckungsreise durch Deutschland“ entwickelt sich gar nichts. Es reicht nicht, eine Kamera draufzuhalten und Menschen Banalitäten zu entlocken. Und dann den Bildern eine triste, verflötete Fahrstuhl-Muzak zu unterlegen.
Warum wird hier nicht die entscheidende Frage gestellt, wer oder was nämlich verantwortlich ist für diese Armut? Beantwortet von Straßenkindern, Hutmachern und Trinkhallenstehern. Das wäre spannend und komisch. Aber war wohl ein Fragezeichen zuviel für die Autorin. Michael Ringel
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