■ Standbild: St.-Pauli-Schwestern
„Die Damen vom Eros-Lunch“, So., 23 Uhr, N 3
Gerda legt Wert auf Verpackung, sie fönt und cremt sich. Gila hat ein großes Herz, aber einen noch größeren Mund. „Mein Ex war hier – igitt, ist der häßlich geworden“, trompetet sie im Beisein etlicher Kunden.
15 Quadratmeter mißt der Imbiß der Schwestern Gila und Gerda auf der Reeperbahn. Gila hat ihren Ex mal geheiratet, weil der Seemann und ihr somit aus dem Weg war. Fünfmal waren die Schwestern insgesamt verheiratet, jetzt kommt es ihnen vor wie Dekor. Im Imbiß servieren sie Rouladen, Erbsensuppe oder Frikadellen, alles unter zehn Mark. Dennoch hat der „Eros-Lunch“ schon bessere Tage gesehen. 1988 wanderte mit der Schließung des ersten Großbordells Deutschlands nebenan verläßliche Kundschaft ab. Jetzt sind Huren, Freier und Zuhälter zwar wieder da, teilen sich aber die Portion Pommes zu dritt.
Anette Endes Doku ist, nun ja, fas-zi-nierend. Weniger des Milieus wegen – das kennt man. Vielmehr fesselt Enders soziologischer Auf-und Abbau eines strapazierten Arme-Leute-Idylls. Die Rollen (Anweisende Gerda/Ausführende Gila) sind klar; das Weltverständnis der Armut wegen bodennah. Gila trinkt morgens Sekt – „der Kreislauf!“; Gerda guckt zwischen wissend, scheel und ergeben. Die eine paßt auf die andere auf – der Kiez scheint diese Arbeitsteilung fortzusetzen. Man hilft sich, bezahlt manchmal und wurde noch öfter vom Leben enttäuscht.
Autorin Ende hat Finderklugheit und Herzensbildung bewiesen. Um eine solche Welt erstehen lassen und gleichzeitig in Frage stellen zu können, braucht es neben etlichen ausgeprägten Charakteren sehr wohl eigenen Takt. Anke Westphal
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