Stammzellforscher zum Klonen: „Wir müssen breit forschen“

In den USA gelang es erstmals, menschliches Leben zu klonen. Stammzell-Biologe Daniel Besser erklärt, warum Wissenschaft frei sein muss.

Wer ist echt? Wer ist der Klon? Bild: dpa

taz: Herr Besser, die Kirchen sind empört, Ethiker laufen Sturm, und jetzt fordert der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück gesetzliche Grenzen für die Gentechnik: Rechtfertigt der Tabubruch Ihrer Stammzell-Kollegen aus den USA Konsequenzen für die Forschung hierzulande?

Daniel Besser: Die Forscher haben keinen Menschen geklont. Sie haben gezeigt, dass menschliche embryonale Stammzellen durch Klonen hergestellt werden können. Dass das möglich ist, wussten wir bislang nur für verschiedene Tiere. Diese Art von Zelltransfer ist bei uns verboten, und ich würde auch nicht sagen, dass wir ihn unbedingt bräuchten.

Trotzdem deutet einiges darauf hin, dass die Grenzen der umstrittenen Stammzellforschung hierzulande nochmals verschärft werden könnten.

Ich halte diese Dammbruch-Argumentation für schwierig. Forscher treibt das Wissenwollen an. Es geht ihnen in erster Linie darum, wissen zu erweitern, zum Beispiel ein neues Gen und seine Funktion zu entdecken oder auch eine neue Tierart zu beschreiben. Nun können wir sagen, dass von den 100 Prozent dessen, was wir in diesem Jahr erforschen, vermutlich ein Prozent sich in zehn Jahren in einer spezifischen Anwendung niederschlagen wird. Deswegen können wir doch aber nicht schon jetzt die Forschung auf dieses eine Prozent zusammenstreichen.

Warum nicht?

Dann haben wir in zehn Jahren nicht ein Prozent in der Anwendung, sondern 0,01 Prozent. Meine Sorge ist, dass die Politik nicht verstanden hat, dass es unerlässlich ist, dass wir breit forschen. Ich persönlich halte schon die bisherige Regelung für Doppelmoral, wonach in Deutschland in der Stammzellforschung nur Zelllinien verwendet werden dürfen, die vor einem bestimmten Stichtag hergestellt wurden. Wenn wir uns jetzt auch noch davon verabschieden, die verschiedenen Stammzellpopulationen, also die adulten, die embryonalen und die Krebs-Stammzellen, als eine ineinandergreifende Gesamtheit zu verstehen, dann verlieren wir den Anschluss an die Welt der Wissenschaft.

49, ist Stammzell-Biologe am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin Berlin-Buch und Koordinator des Deutschen Stammzellnetzwerks.

Nun haben sich die großen Hoffnungen in die embryonalen Stammzellen, Stichwort Heilung von Parkinson oder Multipler Sklerose, nicht bewahrheitet.

Was heißt hier nicht bewahrheitet? Es passiert, dass man Technologien anfangs überinterpretiert und dann merkt, wir brauchen einen längeren Atem.

Keine Selbstbeschränkung?

Glauben Sie’s oder nicht: Auch Stammzellforscher nehmen gentechnische Sicherheit ernst und haben ein ethisches Bewusstsein. Würde ich ein Virus mit einem gefährlichen Krebsgen produzieren, das potenziell in Menschen reingehen kann, dann würde ich mir gut überlegen, unter welchen Bedingungen ich dieses Virus herstelle.

Noch mal: Darf es Grenzen geben bei der Grundlagenforschung zu embryonalen Stammzellen?

Die große ethische Frage ist: Wo kommen die Eizellen her? Sie müssen von Frauen gewonnen werden. Möglicherweise werden wir eines Tages so weit sein, dass es uns gelingt, aus Körperzellen, die wir in einen pluripotenten Zustand zurückprogrammieren konnten – einen Zustand also, aus dem heraus die Zellen wieder alles werden können – auch Eizellen herstellen können. Dann könnten wir diese Zellen aber auch zu Spermazellen reprogrammieren – und dann mit ihnen die reprogrammierten Eizellen befruchten. Um Ihrer Frage zuvorzukommen: Das ethische Problem bliebe. Wir würden es bloß verlagern.

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