Die Altstadt-Aktivistin
Seit mehr als einem Jahr ist Petra Kahlfeldt Senatsbaudirektorin. Statt Berlin zukunftsfähig zu machen, greift sie in die Retro-Kiste. Eine Bilanz
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Hat in 13 Monaten viel Staub aufgewirbelt: Petra Kahlfeldt Foto: Sabine Gudath/imago
Von Uwe Rada
Vielleicht ist Petra Kahlfeldt eine Meisterin der Hintertür. Vor ziemlich genau einem Jahr hatte Berlins Senatsbaudirektorin in einem Zeitungsinterview versichert, dass das Thema eines Wiederaufbaus der Berliner Altstadt zwischen Rotem Rathaus und Marienkirche für sie erledigt sei. „Man könnte dort sehr wohl bauen, als Rückgewinnung des historischen Grundrisses der Stadtmitte“, so Kahlfeldt damals. Allerdings sei in einem aufwändigen Beteiligungsprozess entschieden worden, dass diese Fläche unbebaut bleiben solle. „Es bleibt also dabei: Hier entsteht eine Grünfläche.“
Was geht mich mein Geschwätz von gestern an? So ließe sich ein Antrag kommentieren, den Kahlfeldt jüngst in den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses eingebracht hat. Darin forderte sie 50.000 Euro für „vorbereitende Untersuchungen“ zur „weiteren Entwicklung der Historischen Mitte“.
Die Begründung macht hellhörig. „In diesem zentralen innerstädtischen Bereich ist die städtebauliche Entwicklung in weiten Teilen noch nicht abgeschlossen, liegt aber vor allem wegen der Qualitäten und Brüche in großem öffentlichen Interesse.“
Fast scheint es, als hätte sich damit ein Bonmot der ehemaligen Bausenatorin Katrin Lompscher bewahrheitet. Die hatte den Streit um die Entwicklung des Molkenmarkts mit den Worten kommentiert: „Ein Altstadt-Aktivismus ist das Letzte, was Berlin braucht.“
Doch die Altstadt-Aktivistin gibt es bereits, und mit ihrem radikalen Aktivismus scheint sie nicht einmal Halt vor Beschlüssen des Abgeordnetenhauses zu machen. Das hatte 2016 nach einem mehrjährigen Beteiligungsprozess sogenannte Bürgerleitlinien zur Historischen Mitte verabschiedet. 2021 hatte das Landschaftsarchitekturbüro RMP Stephan Lenzen einen Freiraumwettbewerb gewonnen, der die vorhandenen Grünflächen aufwertet. Und noch im Oktober vergangenen Jahres hatte eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen der taz versichert: „Sowohl die Bürgerleitlinien als auch die Entscheidung des Wettbewerbs gelten.“
Ein Interview mit der taz vermeidet Petra Kahlfeldt bisher. Nach einer ersten Zusage für Ende Oktober wurde es bislang drei Mal verschoben, das letzte Mal auf einen Termin nach der Wiederholungswahl am 12. Februar. Stattdessen spricht die taz nun nicht mit, sondern über Petra Kahlfeldt.
„Es geht ihr darum, nach ihrem Gusto zu entscheiden“
Julian Schwarze, GrüneZum Beispiel mit Julian Schwarze, dem Sprecher für Stadtentwicklung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. „Auch für uns ist es schwer, Termine mit Frau Kahlfeldt zu finden“, sagt er. „Die Abstimmungen mit ihr sind sehr mühsam.“ Deshalb falle auch die Bilanz ihrer inzwischen 13 Monate dauernden Amtszeit „sehr kritisch aus“. Und das, so schiebt Schwarze hinterher, sei noch sehr diplomatisch formuliert.
Es sind vor allem die Geschehnisse rund um den Wettbewerb zum Molkenmarkt, die Schwarze bis heute ärgern. „Am Molkenmarkt hat Kahlfeldt gezeigt, dass es ihr darum geht, die Linien im Städtebau zu verschieben“, sagt er. „Ihr geht es darum, von oben herab zu entscheiden, und zwar nach ihrem Gusto.“
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Freifläche statt Altstadt. Das ist die Beschlusslage Grafik: RMP Stephan Lenzen/Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen
Tatsächlich waren die Wellen hochgeschlagen, als die Senatsbaudirektorin im September bekannt gegeben hatte, dass die Jury des Wettbewerbs sich auf keinen Siegerentwurf verständigt habe. Das sei auch gar nicht verabredet gewesen, versuchte sie die Nichtentscheidung im Nachhinein zu begründen. Tatsächlich aber hieß es in der Auslobung des Werkstattverfahrens, dass „die Empfehlung eines der beiden Entwürfe als Grundlage einer Charta für die Entwicklung am Molkenmarkt“ dienen soll.
Entsprechend sauer waren Linke und Grüne gewesen. Es wäre „ein Skandal, wenn Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt entgegen dem Votum der Jurymehrheit eine eindeutige Empfehlung verhindert hat“, sagt die Linken-Abgeordnete Katalin Gennburg. Sie forderte eine Entscheidung des Abgeordnetenhauses über die geplante „Charta Molkenmarkt“. Das aber will die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung verhindern. Stattdessen solle die Charta dem Parlament lediglich zur Kenntnis vorgelegt werden. Eine von Grünen und Linken geforderte zweite Jurysitzung lehnte Kahlfeldt ab.