Stadtschloss: Alle bauen irgendwie mit
Großer Andrang beim Tag der offenen Baustelle für das Humboldt-Forum: Bürger sollen ihr Schloss lieben lernen. Manche agitieren gegen „moderne“ Fassaden.
Schon in der Schlange vor dem Eingang beginnt die Show: Eine Saxofon spielende Catwoman seilt sich von der Dachterrasse der Humboldt-Box ab und landet mitten im Bundeswehrorchester. Tusch, Applaus. Gleich nach der ersten Schlange beginnt eine weitere: Ein vorwiegend älteres Publikum steht für die Tombola an, die nichts kostet, aber jeden gewinnen lässt – einen Stein, Schirm, Bastelbogen oder eine DVD. Halb Berlin scheint an diesem Sonntag auf den Beinen zu sein, um das künftige Stadtschloss zu besichtigen. Zumindest besuchermäßig ist der Tag der offenen Baustelle ein Erfolg.
Ulrich Kirschenbaum nimmt den Andrang mit Genugtuung zur Kenntnis: „Die Bevölkerung interessiert sich ungeheuer für das Gebäude. Und wir machen das ja auch, um die Spendenbereitschaft anzuregen“, gibt der hochgewachsene Rentner zu, dessen schwarzer Bauhelm ihn als einen von 40 Ansprechpartnern ausweist. Und schon schnurrt der ehrenamtliche Mitarbeiter der Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum seine Zahlen herunter: 590 Millionen Euro koste das Schloss, dazu kämen 80 Millionen für die barocke Fassade an drei Seiten, die durch Spenden bezahlt werden solle. „Davon haben wir 35 Millionen drin, das ist schon ne ganze Menge“, flunkert er.
Zweckoptimismus versprüht man auch am Stand der Spandauer Schlossbauhütte. Ein Mitarbeiter erklärt drei technisch interessierten Silberrücken, wie die Elemente der historischen Fassade anhand von Fundstücken und Fotos rekonstruiert werden. Das Geld dafür gehe sukzessive ein und werde gleich verbaut. Kommendes Jahr, wenn der Rohbau fertig ist, sollen die ersten Fassadenteile angebracht werden. „Wir sind das reichste Land Europas. Wenn wir uns das nicht leisten können, wer dann?“
Eine geduldige Menge schiebt sich durch den Eingang in die Passage – die später der öffentliche Durchgang von Karl-Liebknecht- zur Breite Straße werden soll – und von dort in den Schlüterhof. Handykameras werden in die Luft gehalten. Ein schwarz Behelmter diskutiert mit einem Herrn über die geplante moderne Fassade an der Spreeseite. „Das sieht ja unmöglich aus“, empört sich der Senior und wedelt mit einem Flugblatt der Initiative Offenes Schloss, die vor der Baustelle Unterschriften für ein Weglassen dieses „Betonflügels“ sammelt. Der Experte versucht zu beschwichtigen: „Das ganze Haus steckt voller Kompromisse. Viele Berliner waren ja ganz gegen den Wiederaufbau.“
In der Eingangshalle neben der noch nicht existenten Schlosskuppel geht es dann um die Inhalte. Carlo Goertner steht an einem Modell des Humboldt-Forums mit der künftigen Raumaufteilung vom Ethnologischen Museum und dem für asiatische Kunst. Interessenten für das Konzept der Ausstellungen verweist er auf eine neue Veranstaltungsreihe in der Humboldt-Box ab Juli. „Dann stellen die Kuratoren öffentlich dar, wie sie ausstellen wollen.“ Kritik sei herzlich willkommen und würde bestimmt aufgegriffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana