StadtgesprächIlona Eveleens aus Nairobi: Korrupte Polizisten haben ein neues Geschäftsmodell: Migranten festnehmen und sie gegen Geld wieder freilassen
Hart gegen illegale Migration vorzugehen, das hat sich der kenianische Minister Fred Matiang’i auf die Fahne geschrieben. Er ist verantwortlich für Einwanderung in dem ostafrikanischen Staat. Er will dafür sorgen, dass Ausländer keine Genehmigung bekommen für Arbeit, die auch Kenianer machen könnten. Es gibt sogar eine Telefonnummer, wo Anrufer Migranten anonym anschwärzen können. Doch hat Matiang’i wohl nicht damit gerechnet, dass seine Vorhaben vor allem zur Goldgrube für korrupte Polizisten in Nairobi werden.
„Ich verhandelte gerade mit einen Tuk-Tuk-Fahrer, als mich ein Polizist in Zivil verhaften wollte“, erklärt Dami, ein 29-jähriger Nigerianer, der in Nairobi Filme in die Yoruba-Sprache synchronisiert. „Ich hatte alle meine Papiere dabei, doch er glaubte mir nicht. Aber er sagte, er könne mich für 10.000 Schilling gehen lassen.“ Dami weigerte sich, das Schmiergeld von circa 100 Euro zu zahlen.
Das Ergebnis: Der Polizist nahm ihn fest und sperrte ihn in einer Zelle des Polizeireviers von Ongata Rongai ein, einem an Nairobi grenzenden Städtchen. Sein Handy durfte Dami behalten. Er rief damit seinen Arbeitgeber an, der mit einer Kopie seiner Arbeitsgenehmigung anrückte und mit der Polizei sprach. Schließlich ließen ihn die Polizisten gegen eine Zahlung von 800 Schilling (8 Euro) gehen – als Aufwandsentschädigung für die Mühe, ihn zum Polizeirevier zu transportieren.
Solche Vorfälle passieren tagtäglich, vor allem am Busbahnhof Masai Lodge in Ongata Rongai. In der Gegend gibt es viele Studentenwohnheime, weil es günstiger ist als in Nairobi. Vor allem die katholische Universität in der Hauptstadt hat viele ausländische Studenten, die oft zum Opfer der Polizei werden.
Nigerianer, so scheint es, sind ein beliebtes Ziel der korrupten Polizisten. Westafrikaner unterscheiden sich im Äußeren ein wenig von Ostafrikanern. „Es war Freitag, da trage ich gerne meine traditionelle Kleidung. Ich war also leicht zu erkennen in der Menschenmasse“, sagt Dami zudem. Auch in Nigeria sei die Polizei korrupt, aber sie betreibe kein Racial Profiling – also die anlasslose Personenkontrolle aufgrund von Äußerlichkeiten und Stereotypen. „Das ist Xenophobie“, klagt er.
Der Studentin Esta ging es ähnlich. „Ich wurde auch am Masai Lodge verhaftet, weil einer der Arbeitslosen, die da herumsitzen, den Polizisten sagte, dass ich eine Nigerianerin bin“, erzählt die 27-Jährige. Ein Vertreter der katholischen Universität holte sie ein paar Stunden später aus der Zelle mithilfe von Kopien ihrer Aufenthaltsgenehmigung. Sie habe den Mann, der sie angeschwärzt habe, später wiedergesehen und nach dem Grund gefragt, sagt Esta. „Er erzählte mir, dass er von den Polizisten 2.000 Schilling bekommt für jeden, der 10.000 Schilling Schmiergeld zahlt.“
Auch in Roysambu, einem nördlichen Stadtteil Nairobis, fordert die Polizei dieselbe Summe für die Freilassung – ob jemand eine Aufenthaltsgenehmigung hat oder nicht. Dort gibt es eine amerikanische internationale Universität. „Die Polizei verhaftet gerne die Nigerianer, weil die oft eine größere Kaufkraft haben als die anderen Ausländer hier“, sagt Motorradtaxi-Fahrer John Nodolo. „Wir sind aber froh über die Nigerianer, weil wir gut an ihnen verdienen. Die Polizei soll sie in Ruhe lassen.“
Die Polizei führt schon seit mehr als zwanzig Jahren die Liste der korruptesten Institutionen in Kenia an. Und das bedeutet etwas in einem Land, wo diese Art der Käuflichkeit das Leben diktiert. Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex der Organisation Transparency International liegt Kenia auf Platz 143 von 180. Sehen Kenianer einen schlanken Polizisten auf der Straße, sagen sie: „Der ist neu, der hat noch nicht so viel Geld mit der Erpressung gemacht.“
Die Polizei gibt zwar an, nicht auf bestimmte Nationalitäten zu zielen, aber auch viele nach Kenia geflohene Südsudanesen fallen der hiesigen Polizei zum Opfer. Dabei hatte Präsident Uhuru Kenyatta 2017 angekündigt: „Von heute an werden Ostafrikaner und Südsudanesen behandelt wie Kenianer. Sie brauchen nur ihren Personalausweis und dann können sie arbeiten, Geschäfte machen, Häuser besitzen und, wenn sie wollen, auch heiraten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen