Stadionverbot: Stadionverbot per Fingerzeig

Bremer Fußballfans erhalten nach einer Auseinandersetzung mit Nazis Stadionverbote - obwohl bislang nur die Nazis sie belasten. Gegen die wird nicht ermittelt.

Bekannt für die Arbeit gegen Rassismus: die Werder-Fans. Bild: dpa

Eigentlich war für die Werder Bremen-Fangruppierung "Ultras" alles bestens gelaufen, am 30. August des vergangenen Jahres. Wie bei jedem Auswärtsspiel waren die Fans auch heute die 400 Kilometer bis nach Berlin gefahren - und ihre Mannschaft hatte Hertha BSC gleich zu Beginn der Hinrunde mit 3 : 2 besiegt. Der ganze Ärger kam erst auf der Rückfahrt.

Am Abend machte der Bus mit rund 50 Bremer Fans Halt an der Raststätte Allertal, nördlich von Hannover. In der Gaststätte stießen einige der Werderaner auf vier Bundeswehrsoldaten. Die, so schildern es die Fans, seien als Neonazis zu erkennen gewesen. Einer habe ein T-Shirt mit der Zahl 88 darauf getragen - die Neonazi-Chiffre für den verbotenen Gruß "Heil Hitler". Ein anderer habe ein T-Shirt mit der Aufschrift "Auch ohne Sonne braun" angehabt, zudem eine "Schwarze Sonne" auf den Ellbogen tätowiert - ein aus zwölf Runen gebildetes Symbol der SS.

"Wir wollten denen das nicht einfach so durchgehen lassen", sagt ein Sprecher der Fans, deren Gruppe sich in Bremen gegen Rassismus im Stadion engagiert. Sie hätten die Soldaten deshalb "auf ihre Kleidung angesprochen". Die Antwort sei gewesen: "Was ist euer Scheißproblem?" Dann sei einer der Soldaten "in Kampfstellung gegangen" - und die Schlägerei losgegangen. In der Gaststätte ging einiges zu Bruch, zwei der Soldaten wurden verletzt. Mitarbeiter der Gaststätte riefen die Polizei. An den genauen Hergang des Handgemenges erinnert sich die Pächterin auf Anfrage nicht mehr. "Das haben wir damals alles der Polizei gesagt", sagt sie. Die kam und hielt den Bus der Werder-Fans auf. Sieben von ihnen wurden als Beteiligte von den Soldaten identifiziert. Gegen sie wird seither wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung ermittelt. Fünf von ihnen mussten sich später im Bremer Polizeipräsidium erkennungsdienstlich behandeln lassen.

Die Höchstdauer für ein Stadionverbot beträgt drei Jahre.

Aussprechen und aufheben kann ein Stadionverbot der Verein, in dessen Bereich ein sicherheitsgefährdendes Ereignis stattfand, sowie ein Verein, der eine Reise seiner Fans zu einem Spiel organisiert. Außerdem können der DFB und der Ligaverband Stadionverbote aussprechen.

Laut DFB-Richtlinien ist dafür ein Ermittlungsverfahren gegen einen Fan ausreichend. Ein richterliches Urteil ist für ein Stadionverbot nicht nötig. Ein Stadionverbot gilt befristet.

Fanverbände kritisieren, dass viele Verbote bereits "auf Verdacht" verhängt werden. Mittlerweile hören die meisten Vereine die betroffenen Fans an.

Die Polizei Schwarmstedt meldete die Angelegenheit bei der "Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze" der Länderpolizeien in Duisburg. Vorfälle wie der in der Raststätte Allertal werden von hier aus routinemäßig an Deutschen Fußball-Bund (DFB) weitergegeben - meist verbunden mit der Empfehlung, ein bundesweites Stadionverbot auszusprechen. Der DFB leistete der Empfehlung binnen weniger Wochen Folge: Vier der Werder-Fans dürfen bis Ende 2010 keine Fußballarena mehr betreten.

Die Prügelei fand fernab von Bremen und Berlin statt, das nächste Stadion war weit weg. Für die Fans ist das Stadionverbot eine unverständliche Doppelbestrafung, vor allem, weil ein Teil der Identifizierten die ganze Sache im Bus verschlafen habe. Diese Darstellung wird von Peter Langhorst, dem "szenekundigen Beamten" bei der Bremer Polizei gestützt. Die Beschuldigten seien "definitiv nicht alle auf dem Video der Gaststätte zu sehen", sagt der Polizist, der gegen die Fans ermittelt hat. "Jetzt muss die Staatsanwaltschaft sehen, was sie damit macht." Ohne weiteren Nachweis müsse das Verfahren "mit hoher Wahrscheinlichkeit eingestellt werden und dann müsste auch das Stadionverbot zurückgenommen werden", sagt er.

Wilko Zicht, Sprecher des Bündnisses Aktiver Fußball-Fans, hat sich beim DFB für die Werder-Ultras eingesetzt - ohne Erfolg. Die Soldaten hätten "eindeutig ihre rechtsradikale Gesinnung nach außen getragen", sagt er. Die Ermittlungen hätten bisher keinen Schuldigen für die Schlägerei ergeben. Dass der DFB die Verdächtigen trotzdem aus seinen Stadien verbannt, "das passt eigentlich nicht zu dem, was der Verband sonst zum Thema Kampf gegen Rassismus sagt," findet Zicht. "Es wäre das Mindeste gewesen, abzuwarten."

Schon lange klagen Fan-Organisationen über die aus ihrer Sicht restriktive Stadionverbotspraxis. Die Neufassung der hierfür gültigen Richtlinien des DFB hat das Problem verschärft. Dort heißt es jetzt: Ein Stadionverbot soll erfolgen, "wenn die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bekannt wird". Das Ergebnis eines solchen Verfahrens spielt keine Rolle.

Ob die Polizei auch die offenbar höchst zweifelhafte Gesinnung der Soldaten an die Bundeswehr meldete, ist offen. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums in Bonn sagt, in solchen Fällen würden "natürlich sofort" Ermittlungen aufgenommen. Ob das auch in diesem Fall passiert ist, sei allerdings "sehr kompliziert herauszufinden". Die Anwälte der Beschuldigten konnten die Akten bisher nicht einsehen.

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