Staatskrise in Frankreich: Macron zieht kein Kaninchen aus dem Sack
Der Präsident hat sich die innenpolitische Misere, die er nach dem Misstrauensvotum gegen seinen Premier beklagt, selbst zuzuschreiben. Da hilft auch keine Notre-Dame-Wiedereröffnung.
E s entbehrte nicht der Situationskomik, als der Präsident am Abend vor Nikolaus seine „lieben Französinnen und Franzosen“, so Emmanuel Macron, live im Fernsehen ansprach. Und enorm viele wollten dann doch hören und sehen, was das unberechenbare und meist müde, ja leicht welk wirkende Staatsoberhaupt nun nach dem Sturz der konservativen Regierung von Michel Barnier aus seinem politischen Ankündigungssack hervorziehen würde.
Bekanntlich kein Kaninchen in Form eines oder einer sofortigen neuen Premier oder Première. Dafür aber zückte Macron vor dem prächtigen Allzeitgolddekor des Èlysée-Palastes die verbale Rute, schimpfte über die „verantwortungslose antirepublikanische Front“ aus Linken und Ultrarechten, die gemeinsam den mit dem Rücken zur Wand von Anfang an agierenden Barnier nach nur drei Monaten Amtszeit hinweggefegt hatten.
In einem, aber nur einem, hat Macron recht: Mit den antidemokratischen Menschenfeinden rund um Marine Le Pens in weiten Teilen rechtsextreme Partei Rassemblement National zu stimmen, um einen kurzfristigen Pyrrhussieg einzufahren, ist ein gefährliches und unakzeptables Spiel.
Dass es aber so weit gekommen ist, dafür trägt der Mann, der nach zwei Amtszeiten bei den momentan für 2027 anvisierten Präsidentschaftswahlen aus verfassungstechnischen Gründen nicht mehr antreten darf, die Hauptschuld. Macron hat die Lunte im Juni gelegt, als er wie ein getriebener Spieler nach den für die Macronisten desaströs geendeten Europawahlen die Neuwahl des Parlaments anordnete und danach das siegreiche Linksbündnis buchstäblich links liegen ließ.
Jetzt steht die Fünfte Französische Republik von 1958, die der von Beginn an vertikal agierende Macron stets weihevoll beschwört, vor den Trümmern seiner Strategie des Weder-noch – und vor den Ruinen seiner Bewegung, die 2017 vermeintlich angetreten war, Schluss zu machen mit dem zentralistischen und kompromisslosen Gehabe in der nationalen Politik Frankreichs.
Für das Machtgefüge und die Menschen im geschwächten Europa, für die hilflose Zivilbevölkerung in Kriegs- und Krisengebieten ist die derzeit verworrene Lage im EU-Motor Frankreich Gift, noch stärkeres Gift als die ungut mäandernde deutsche Politik.
Da mutete es im Macron-TV auch nicht mutmachend an, als der Staatschef die Wiedereröffnung der teilweise einst abgebrannten Pariser Kathedrale Notre-Dame als Paradebeispiel für französischen Elan und Esprit anführte – im Sinne von erst alles abfackeln und dann wieder aufbauen!
Jetzt hilft nur noch stramm beten – und garantiert nicht der baldige US-Präsident Donald Trump, der jetzt Samstag zu allem Übel noch in die französische Kapitale reist. Merde la France! Obwohl: Merde bedeutet auf Französisch eben nicht nur „scheiße“, sondern auch „toi, toi, toi!“ In diesem Sinne: Vive la France!
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