St.-Pauli-Fankneipe in den Niederlanden: Totenköpfe in Den Haag
Die "Braun-Weißen Tulpen" sind der einzige St.-Pauli-Fankklub in den Niederlanden. Die Gründer sehen darin ein Statement gegen "neofaschistische Folklore in der Fußballwelt".
DEN HAAG taz | Die Weimarstraat ist eine Collage. "Istanbul" heißt die Bäckerei gegenüber. Die Restaurants im Block sind surinamesisch und antillianisch. Auf der Straße hört man Polnisch, und an der Kreuzung gibt es einen bulgarischen Tante-Emma-Laden. All das ist Alltag im Regentessekwartier mitten in Den Haag. Was aber macht die schwarze Sankt-Pauli-Flagge, die auf Höhe der Weihnachtsbeleuchtung über dem Einkaufstrubel flattert, gut 500 Kilometer vom Millerntor entfernt?
Drinnen im "De Klarist" hat Jochem, der Kneipier, die Empfangsanlage endlich ans Laufen gebracht. Das Spitzenspiel kann beginnen, Sankt Pauli gegen Greuther Fürth, und Luuk, ein Sozialarbeiter, der einst zufällig die Fahne draußen hängen sah, seiner Neugier in das schummrige Lokal folgte und seither immer kommt, atmet auf. Der Kampf gegen das Standbild gehört dazu. "Letztes Mal haben wir dadurch das 1:0 verpasst."
Knapp zehn Menschen in braun-weißen Devotionalien haben sich eingefunden zur frühen Anstoßzeit von 13 Uhr. "Samstagmorgen ist ziemlich unpopulär", weiß Jochem, der seit 20 Jahren die kleine Bar betreibt. "Never mind Hamburg, here's St Pauli" steht im Sex-Pistols-Stil auf seinem T-Shirt. Wie die meisten hier gehört er zu den Braun-Weißen Tulpen, dem einzigen Fanklub der Kiezkicker in den Niederlanden. Angefangen hat alles vor elf Jahren, im Kollegium der Dalton-Schule im nahe gelegenen Voorburg.
Gefallen am Kuriosen
"Ein progressives Pädagogikmodell, ein progressiver Fußballklub, das passt", findet Geert. Der 54-Jährige war eines der ersten von mehr als 30 Mitgliedern. Zuerst dachte er an einen Witz, ein deutsches Zweitligateam zu supporten. Doch das Kuriose daran gefiel ihm, und der politische Bezugsrahmen des Klubs sprach ihn, den die Gewaltexzesse und hassgeladenen Sprechchöre der Ehrendivision schon lange störten, an.
Was Jochem in Sankt Pauli sah? "Ein Statement gegen die neofaschistische Folklore in der Fußballwelt", so heißt es auf der Website des Klarist. Um deutliche Worte ist man in der Bar, entstanden aus der Hausbesetzerszene der Stadt, nicht verlegen, um Humor ebenso wenig. "In schier unendlicher Weisheit hat das Politbüro von Kafee De Klarist beschlossen, dass das Lokal vom Sommer 2009 an auch eine offizielle ausländische Fankneipe des trotzigen Fußballklubs St. Pauli ist."
Eine Fankneipe wurde es dann auch. Ein "Reeperbahn"-Schild prangt über dem Flaschensortiment, an der Wand hängen Trikots und gerahmte Spielfotos, und neben dem Tresen erinnert ein "Hamburger Meister 2011"-Schal an den Sieg im Derby, als der Laden aus allen Nähten platzte. "Ganz viele Deutsche waren da. Keiner wusste, wo die alle herkamen", wundert sich Jochem noch immer. An diesem Mittag dagegen ist nur Stammgast Thomas dabei. "Ich bin der Quotendeutsche", lacht der Orchideenzüchter, der einst aus Braunschweig in die Niederlande zog und sich nach dem 0:1 ein "Glücksbier" bestellt.
Wenig später gibt es zweimal Grund zum Jubeln. Die Kiezkicker drehen das Spiel, die "Tulpen" klatschen sich ab und stimmen in das Woo Hoo von Song 2 ein, wie eingeweihte Millerntorgänger das tun. Den Ausgleich kurz vor Schluss nimmt man zur Kenntnis - mehr nicht. Nach dem Schlusspfiff legt Jochem gleich die Punkversion des "Herz von Sankt Pauli" auf. Fankneipe ist schließlich Fankneipe.
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